EuroBasket 2022 - Erkenntnisse zur DBB-Pleite gegen Slowenien: Immer dasselbe Gift

Ole Frerks
07. September 202201:25
Luka Doncic war von der deutschen Mannschaft nicht zu stoppen.imago images
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Deutschland hat seinen ersten Dämpfer bei der EuroBasket 2022 kassiert. Die 80:88-Niederlage gegen Slowenien ist vom überragenden Luka Doncic geprägt, ein ähnlich großes Problem ist aber die eigene Offense. Die Erkenntnisse zum Spiel.

1. Luka Doncic ist nicht von dieser Welt

Es gibt so Tage, da bleibt am Ende nicht viel anderes übrig, als den Hut zu ziehen. Da muss anerkannt werden: Der Superstar auf der Gegenseite war nicht in den Griff zu kriegen. So in der Art hörten sich die Deutschen nach der 36-Punkte-Gala von Luka Doncic an. "Luka war einfach Weltklasse heute", sagte Andreas Obst beispielsweise. Luka ist passiert, das war nach dem Spiel mehrfach zu hören.

Das war auch richtig - Doncic war brillant und zeigte sein mit Abstand bestes Spiel dieser Gruppenphase. Er nutzte seine körperliche Überlegenheit und tankte sich immer wieder zum Korb durch, wo er nicht zu stoppen war. Er spielte den bemitleidenswerten deutschen Bigs teilweise Knoten in die Beine. "Er hat sich alles genommen, was er haben wollte", sagte Voigtmann.

Doncic tut das oft und gerne, auch in der NBA. Er ist vermutlich der beste Pick'n'Roll-Spieler der Welt, eben weil er aus jeder Lage scoren kann, aber auch jeden Pass im Repertoire hat. Er kann eine Defense auf jede erdenkliche Art und Weise zerpflücken, und das tat er in diesem Spiel.

Voigtmann erklärte das Dilemma anschaulich: "Du musst dich entscheiden: Willst du, dass er keine Punkte macht, oder willst du das Spiel gewinnen? Er ist so ein guter Passer, er sieht alles auf dem Feld und die Leute um ihn herum sind auch alle ganz passable Basketballspieler. Deshalb haben wir uns für den Weg entschieden, dass wir nicht so viel helfen. Er hat sich dann immer wieder Eins-gegen-Eins-Matchups gesucht, die er haben wollte. Die ganze Zeit gegen mich, gegen JT, am Ende gegen Dennis ..."

Das deutsche Team traf im Wesentlichen die Entscheidung, Doncic zum Scorer zu machen. Als grundsätzliche Herangehensweise ist das verständlich, da Teams normalerweise schwerer zu stoppen sind, wenn mehrere Spieler in die Offense involviert sind. Es darf nur nicht so leicht sein, immer wieder auf ein gewünschtes Matchup zu kommen, ohne große Gegenwehr. Er darf dann auch nicht wieder und wieder mit seinem Verteidiger allein auf einer Insel sein, quasi ohne Hilfe, wie es zu oft der Fall war.

Luka Doncic war von der deutschen Mannschaft nicht zu stoppen.imago images

Und, das gilt als Grundregel gegen Doncic: Es darf nicht permanent der gleiche oder ähnliche Ansatz sein, dasselbe Gift. Dennis Schröder sagte das selbst nach dem Spiel: "Du kannst einem der besten Spieler der Welt nicht immer den gleichen Look geben." Das DBB-Team bezog das aber gefühlt eher auf den individuellen Verteidiger als auf die Art der Defense.

Gut möglich, dass es am Ende ohnehin keine große Rolle gespielt hätte, was Deutschland probiert hätte. Doncic war in Gala-Form, und natürlich weiß er, wie Double- oder Triple-Teams zu bestrafen sind, das macht ihn ja zu so einem Problem. Es wirkte dennoch ein wenig zu leicht ... ein vielleicht noch größeres Problem gab es indes auf der Gegenseite.

2. Die deutsche Offensive gerät ins Stottern

80 Punkte sind im Normalfall kein schlechter Wert, eine gute Offensivleistung war das dennoch nicht von der deutschen Mannschaft. Vor allem fehlte es an Balance, woran der defensive Game-Plan Sloweniens einen recht großen Anteil hatte. Die Gäste spielten von Beginn an Hard Hedge und brachten Deutschland damit direkt von Beginn an aus dem Konzept.

Hard Hedge bedeutet vereinfacht gesagt: In der Pick'n'Roll-Defense stellt sich der Verteidiger des Blockstellers in den Weg des Ballführenden, um diesen aus der Zone wegzuhalten und idealerweise zu verwirren. Danach übernimmt wieder der ursprüngliche Verteidiger das Matchup.

Diese Defense ist in der Konsequenz recht selten, sie erfüllte jedoch ihren Job. Gerade die deutschen Guards, aber auch Franz Wagner kamen zu Beginn quasi gar nicht in die Zone. Über das ganze Spiel blieb das ein großes Problem, bloß 18 Punkte in der Zone verzeichneten die Deutschen am Ende.

Dabei gibt es durchaus Konter gegen diese Defense. Das gegnerische Team ist ja bereits in Rotation und gibt durch das Hedgen immer etwas preis, zumindest für einen Moment. Doch der Ball lief gerade zu Beginn nicht sauber und schnell genug, sodass die Vorteile oft gar nicht genutzt werden konnten. "Wir hätten das anders attackieren können", gab Wagner zu.

Es könnte durchaus sein, dass es diese Defense noch öfter gegen das DBB-Team zu sehen geben wird. Denn Stand jetzt ist Shooting ein Problem für das Team, gerade in der Starting Five, aber auch bei weiteren Lineups (etwa mit WoBo). Je mehr zweifelhafte Shooter auf dem Court stehen, desto mehr lädt das ein, zu doppeln und den Drive zu verhindern.

"Jeder weiß, dass Schröder kein großartiger Schütze ist", erklärte Sloweniens Coach Aleksander Sekulic nach dem Spiel. "Aber bisher hat jeder ihnen einfach alles erlaubt, was sie machen wollten, sie konnten das Spiel einfach organisieren." Das habe man verhindern wollen, und das klappte ziemlich gut.

3. Dennis Schröder bewahrt die Ruhe

Geknickt wirkte Schröder (diesmal 3/10 Dreier) dennoch nicht. "Ich glaube, wir brauchten eine Niederlage", sagte der Kapitän, wohlwissend, dass Slowenien den Gruppensieg nun gegen Frankreich in der Hand hat. Das hat Auswirkungen auf mögliche Gegner in Achtel- und Viertelfinale, aber Schröder schien die Erfahrung in diesem Fall fast wichtiger zu sein.

Dem DBB-Team wurde viel genommen, es wurde nicht auf alles die richtige Antwort gefunden, auf der Gegenseite hatte Doncic einen Sahnetag - und trotzdem waren es am Ende nur 8 Punkte Unterschied. "Wir müssen smarter sein", forderte Schröder, dennoch war der Blick auf dieses Spiel nicht nur negativ.

Deutschland hat in der stärksten Gruppe des Turniers bewiesen, dass es mindestens mithalten kann mit mehreren Medaillenfavoriten und dem amtierenden Europameister. Das garantiert natürlich nichts, aber es ist ein gutes Zeichen für die anstehende K.o.-Runde. Zumal es eben an vielen Stellen auch beim DBB-Team noch Luft nach oben gibt.

"Ich muss einfach mal einen verdammten Wurf treffen. Dann kommen wir schon zurecht", sagte Schröder. Vielleicht folgt ja gegen Ungarn der Durchbruch.

Basketball-EM: Tabelle der Gruppe B vor dem 5. Spieltag

RangTeamSpieleSiegeNiederlagenDifferenzPunkte
1Slowenien431267
2Deutschland431177
3Frankreich43187
4Bosnien und Herzegowina422-96
5Litauen413105
6Ungarn404-524