Das DBB-Team hat bei der EuroBasket 2022 das Viertelfinale erreicht. Dabei machte Deutschland es sich beim 85:79 gegen Montenegro unnötig schwer - und auch das Publikum hat noch Luft nach oben. Die Erkenntnisse zum Spiel.
1. DBB-Team im Viertelfinale: Hauptsache durch!
Es war schon mal souveräner.
Mit 27 Punkten hatte Deutschland zwischendurch geführt, 3 Punkte waren es noch, als die letzten 24 Sekunden des Spiels anbrachen. Am Ende musste sich das DBB-Team sogar bei den Schiedsrichtern bedanken, die auf der einen Seite ein unsportliches Foul pfiffen und eine sehr ähnliche Aktion auf der Gegenseite nicht - es reichte dann, gerade so.
"Im Endeffekt haben wir den Sieg geholt. Das freut mich natürlich. Aber wir haben echt nicht diszipliniert gespielt", sagte Dennis Schröder nach dem Spiel. "Wir müssen schauen, wie wir in solchen Situationen besser sein können. Wir müssen konsequenter sein."
Das stimmt. Das DBB-Team rechtfertigte in der ersten Halbzeit ganz klar seinen Favoritenstatus, es verlor jedoch fast komplett die Linie. "Wir haben zwei verschiedene Spiele gesehen", sagte Gordon Herbert, auch das stimmte - dabei waren es keine Hexereien, die Montenegro zurück ins Spiel brachten.
Einerseits spielten die Gäste befreit und ohne Druck auf, logischerweise. Sie drückten aufs Tempo und warfen fleißig von draußen, nachdem sie in Halbzeit eins noch reihenweise sehr überschaubare Postup-Versuche ausgepackt hatten. Sie hatten nicht viele gute Schützen, aber insbesondere Kendrick Perry (5/10 Dreier) war vom DBB-Team kaum zu kontrollieren.
EuroBasket: Zone zieht DBB-Team (fast) den Zahn
Und andererseits veränderten sie ihre Defense. In der ersten Halbzeit verteidigten die Bigs bei jedem Pick'n'Roll weit oben und spielten Deutschland damit in die Karten, immer wieder war die Defense ganz leicht auszuhebeln, gerade im zweiten Viertel. In der zweiten Halbzeit gab es dann auf einmal eine Zonenverteidigung, und das reichte schon.
"Das hat unseren Rhythmus einfach gekillt", gab Maódo Lô zu. "Wir haben aufgehört zu rennen, und das hat sich dann auch auf unsere Defense übertragen." "Wir haben gegen die Zone nicht gut ausgesehen", bestätigte Daniel Theis.
An sich ist es verwunderlich, dass ein auf den meisten Positionen durchaus erfahrenes Team sich so durcheinander bringen lässt, aber so sah es tatsächlich aus: Die Deutschen kamen nicht mehr in die Zone, der Ball lief nicht mehr, es gab mehr Dribbling, mehr Stagnation und generell zu wenig Tempo. Es verselbstständigte sich, Montenegro kam in einen Fluss und es wurde gezittert, was absolut vermeidbar gewesen war.
Nun: Es hat gereicht, das zählt am Ende. Das Viertelfinale ist erreicht, und trotzdem hat Herbert jede Menge Themen, über die er bis Dienstagabend mit seiner Mannschaft reden kann. Denn das hätte gut und gerne auch ins Auge gehen können.
2. DBB: Die neue Starting Five macht Spaß
Dabei gab es in Halbzeit eins auch viel Positives zu sehen. Erstmals war Deutschland schon in den ersten Minuten offensiv voll da, was nicht zuletzt mit der Hereinnahme von Andreas Obst in die Starting Five zu tun hatte. Obst ersetzte den angeschlagenen Nick Weiler-Babb (der in Halbzeit zwei gegen Perry schmerzlich vermisst wurde) und veränderte prompt die Dynamik im Spiel.
Obst traf nicht nur den ersten Dreier des Spiels, er beeinflusste auch die (zahlreichen) Possessions, in denen er nicht den Ball berührte. Der beste Shooter des DBB-Teams ist einer, den man niemals offen stehenlassen darf und der ständig in Bewegung ist. Mit ihm und Franz Wagner starteten so zwei starke Off-Ball-Spieler, die durch ihre Läufe dazu beitrugen, die Defense auseinanderzuziehen.
Und davon profitierten alle. In den ersten Minuten gab es direkt mehrfach das patentierte Schröder-Theis-Pick'n'Roll zu sehen, das wohl im gesamten Turnier noch nicht so sauber aussah. Immer wieder kamen die Deutschen aus High Pick'n'Rolls vor allem im zweiten Viertel leicht hinter die Defense und direkt zum Korb.
Das lag natürlich nicht alles an Obst, es schien das Mindset des gesamten Teams zu sein: Schnelle Entscheidungen, sauberes Player- und Ball-Movement und ganz simpel: Early Offense. Es wurden auch nach gegnerischen Korberfolgen Möglichkeiten gesucht, früh einen Vorteil zu kreieren und den Ball zu pushen.
Auf ganz unterschiedliche Arten: Wagner etwa begab sich auffällig häufig in den Post, Schröder fand eine starke Balance aus eigenem Drive, Pässen in die Zone, aber auch Jumpern. Zudem wurden vom gesamten Team immer wieder Möglichkeiten gesucht, hinterherzugehen und am offensiven Brett zweite Chancen zu erarbeiten.
Kombiniert mit der konzentrierten Defensivleistung war das im Prinzip eine erste Halbzeit wie aus einem Guss, viel besser hätte es kaum laufen können. Umso schwerer war es nachzuvollziehen, wie fast all diese guten Dinge, allen voran die Pace, nach der Pause verloren gingen.
3. EuroBasket 2022: Berlin ist nicht Köln
Dirk Nowitzki sprach vor dem Spiel bei MagentaTV von einem "absoluten Basketball-Fest" und meinte damit die Gruppenphase in Köln. Mit Recht: In der Lanxess Arena war bei jedem Spiel gute Stimmung und wenig Platz, auch bei Spielen ohne Beteiligung des Gastgebers. Litauen trug viel dazu bei, aber alle Teams von Gruppe B hatten in Köln ihren Support.
Berlin hat da noch viel Luft nach oben. In der frühen Session waren die "3-4 Millionen Türken", die laut Ergin Ataman in Berlin leben, eher leise zu hören, 9.411 Tickets wurden dafür verkauft. Aber auch in der zweiten Session war die Mercedes-Benz Arena keineswegs voll, 12.938 Tickets wurden hier laut offiziellen FIBA-Angaben abgesetzt (14.500 sind möglich).
Auch die, die da waren, waren nicht unbedingt ohrenbetäubend unterwegs. Das merkte auch Lô: "Es wäre cool, wenn die Halle komplett voll wäre. Köln hat uns sehr gepusht. Heute waren da einige leere Plätze, hier und da war es ein bisschen leise. Ich appelliere an Berlin, als Berliner: Zeigt allen, woraus wir geschnitzt sind."
Lô weiß von ALBA-Spielen natürlich, dass da mehr geht. Vielleicht lockt ja ein eventuelles Viertelfinale gegen den besten Spieler der Welt (oder das Team von Jan Vesely).
4. Die Uhr tickt für Franz Wagner
Apropos Viertelfinale. Gegen wen auch immer es geht, das DBB-Team wird deutlich bessere Chancen haben, wenn Wagner dabei ist. Das ist aktuell leider nicht sicher, nachdem sich der 21-Jährige im dritten Viertel unglücklich am Knöchel verletzte und den letzten Spielabschnitt mit Eisbeutel am Fuß von draußen verfolgen musste.
"Es war eine ziemlich üble Verstauchung, glaube ich", sagte Herbert nach dem Spiel bei MagentaTV und sagte auf der anschließenden PK: "Bei ihm wird ein MRT gemacht. Es ist schwer für mich, über eine Verletzung zu spekulieren. Morgen sind wir wahrscheinlich viel schlauer."
Verzichten also auch wir auf ein Spekulieren und drücken lieber die Daumen. Das wäre ein unrühmliches Ende für das starke Turnier, das Wagner bisher spielt. Immerhin sind diesmal ausnahmsweise zwei Tage Pause, bevor es weitergeht ...
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