Zwei Proteste innerhalb weniger Stunden. Die EuroBasket 2022 bringt zwar tolle und spannende Spiele, doch viel zu oft stehen die Schiedsrichter und deren Entscheidungen im Fokus. Das Problem ist hausgemacht, die Zeche zahlen die Spieler und auch die Referees selbst. Ein Kommentar.
Es könnte doch alles so schön sein. Eine volle Halle in Köln, grandiose Stimmung, hochgradig spannende Spiele und ein deutsches Team, welches begeistert. Und doch: Die größten Schlagzeilen im Basketball-Kosmos produzieren die Referees, wodurch der Sport bisweilen zur Nebensache wird. Aus einem echten Basketball-Fest wird eine Micky-Maus-Veranstaltung.
Anders kann man dies nicht ausdrücken. Wie sonst kann es sein, dass wie im Spiel zwischen Deutschland und Litauen einfach ein technischer Freiwurf vergessen wird? Wie kann es sein, dass im offiziellen Boxscore jener vergessene und nicht ausgeführte Freiwurf auch nach Spielende als "Miss" aufgeführt wird - um dann heimlich still und leise entfernt zu werden?
Dieses Turnier ist gespickt mit hochkarätigen Spielern, großartigen Mannschaften und intensiven Duellen - die Schiedsrichter sind jedoch in den meisten Fällen heillos überfordert. Noch einmal zum Deutschland-Spiel: Wie kann es bitte sein, dass das Gespann tatsächlich in Erwägung zog, den vergessenen Freiwurf sieben Sekunden vor dem Ende nachzuholen, obwohl - auf Hinweis der deutschen Bank - dies ausdrücklich nicht erlaubt ist?
Daniel Theis, selbst frustriert ob der fragwürdigen Spielleitung, brachte es schließlich auf den Punkt. "Daran sieht man vielleicht, dass die Schiedsrichter zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um eine eigene Linie zu finden, und dann so etwas vergessen wird..."
EuroBasket 2022: Spieler hadern mit der Linie der Schiedsrichter
Während Frankreich gegen Litauen am Tag zuvor eher Ringen im griechisch-römischen Stil unter dem Korb war, kassierten die deutschen Bigs gegen Jonas Valanciunas ein Foul nach dem anderen. Den Großteil davon kann man so natürlich als Fouls pfeifen, aber wenn 24 Stunden davor solche Dinge erlaubt waren, dann sorgt das natürlich für Frust, Unmut, Verwirrung und Unverständnis.
Und nein, das Spiel gegen Litauen war in diesen vier Tagen kein Einzelfall. Nur wenige Stunden nach dem Fauxpas in Köln sorgte eine Szene in der Kreuzgruppe A in Tiflis zwischen der Türkei und Georgien für Aufsehen, als bei einer Spielunterbrechung, bei der sich NBA-Profi Furkan Korkmaz und Duda Sanadze an die Gurgel wollten, die Uhr munter weiter lief.
22 Sekunden Nettospielzeit gingen so verloren, das ist im Basketball eine halbe Ewigkeit und ein weiteres Unding, unabhängig davon, ob ein Team davon letztlich profitiert hätte. Verständlicherweise hat auch die Türkei Protest eingelegt, ein Urteil steht hier noch aus. Die Chancen stehen dabei etwas besser als beim litauischen Protest, da es sich um einen Fehler des Anschreibetisches handelt, der nicht von den Schiedsrichtern korrigiert wurde.
Dass es im Anschluss auch noch zu Handgreiflichkeiten kam, ist dagegen nicht die Schuld der Refs, womöglich aber auch ein Nebeneffekt. Fakt ist, dass kein Spieler mehr versteht, was erlaubt ist und was nicht. "Es ist deutlich physischer", merkte auch Alba-Star Jaleen Smith, der mit Kroatien gegen England ähnlich schlechte Erfahrungen machte (O-Ton Mario Hezonja: "Es ist schlimm. Ich hätte gerne mal eines dieser Schiedsrichtertreffen im Sommer besucht"). "Hier ist mehr als in der EuroLeague erlaubt, die FIBA-Referees pfeifen viel weniger", befand Smith.
FIBAEuroBasket 2022: Das Schiedsrichter-Problem ist hausgemacht
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Schon seit Jahren liegen sich der Verband FIBA und die EuroLeague, die als eigene Organisation operiert, in den Haaren. Es gibt eben jene EuroLeague, die mit der Champions League im Fußball vergleichbar ist, und seit 2016 die Basketball Champions League, welche unter dem Dach der FIBA ausgetragen wird, die wenig mit dem Begriff Champions League zu tun hat und eher als Conference League angesehen werden kann.
Dieser Zwist betrifft auch das Schiedsrichterwesen. Offiziell gibt es dieses Problem zwar nicht, inoffiziell darf aber kein Referee, der in der EuroLeague pfeift, bei einem FIBA-Event arbeiten - und die besten Schiedsrichter pfeifen nun einmal in der EuroLeague.
So muss an dieser Stelle auch ein gewisses Verständnis für die Referees aufgebracht werden. Niemand macht absichtlich Fehler, auch die anwesenden Schiedsrichter nicht. Wer aber das ganze Jahr Spiele wie Hapoel Holon gegen Falco Szombathely pfeift, wird Probleme bekommen, eine Partie zu leiten, in welcher die besten Spieler Europas aufeinandertreffen.
Es ist ein hausgemachtes Problem der FIBA, welches die Spieler nun ausbaden müssen. Interessant dabei: Funktionäre äußern sich kaum zu den Leistungen der Referees. Natürlich nicht, schließlich sind sie Mitglieder der FIBA und stehen zum harten Kurs, den der Weltverband gegenüber der EuroLeague fährt.
Der Gelegenheitsfan wird diese Hintergründe nicht kennen und sich nur darüber wundern, was in diesen Tagen bei diesem Turnier passiert. Es wirft ein verdammt schlechtes Bild auf den Sport, obwohl dieses Event alle Zutaten hat, um zumindest eine kleine Euphorie auszulösen und etwas aus dem Schatten der übermächtigen NBA zu treten.
Durch die beinahe täglichen (berechtigten) Diskussionen um die Spielleitungen (übrigens: dieser Franz Wagner soll gegen Litauen 32 Punkte gemacht haben, erinnert sich jemand daran?) macht man sich dagegen wieder viel selbst kaputt. Schade.
Basketball-EM: Die Tabelle der Gruppe B mit Deutschland
Platz | Team | Bilanz | Differenz |
1 | Deutschland | 3-0 | +25 |
2 | Bosnien und Herzegovina | 2-1 | +4 |
3 | Slowenien | 2-1 | +18 |
4 | Frankreich | 2-1 | -5 |
5 | Litauen | 0-3 | -13 |
6 | Ungarn | 0-3 | -29 |