Woche für Woche präsentieren die Bayern hochkarätige Neuzugänge. Das Aufgebot liest sich wie ein BBL-All-Star-Team, gespickt mit Nationalspielern und dem MVP der letzten zwei Jahre. Vor allem bei Alba Berlin bedienten sich die Münchner ausgiebig. Nun muss Trainer Svetislav Pesic die Mannschaft nur noch formen.
In der dritten Saison nach dem Aufstieg in die BBL will es die Basketball-Abteilung vom FC Bayern München wissen: Mit einer Menge Neuverpflichtungen hat sich der Verein verstärkt. So soll der Meistertitel 2014 nach München wandern. Auffällig ist, dass die Bayern vor allem Stars verpflichteten, die sich in der BBL oder in der Nationalmannschaft einen Namen gemacht haben. Wird es der Großangriff auf den Titel? Was kann der Kader international?
Die Liste der Neuzugänge liest sich beeindruckend: John Bryant, Heiko Schaffartzik oder Bryce Taylor sind allesamt wichtige Säulen in ihren Vereinen gewesen, die der FCB im Umkehrschluss extrem schwächt. Zudem kommt mit Malcolm Delaney ein Combo-Guard, der Spielpraxis auf internationalem Niveau mitbringt.
Allein vier Bayern-Neuzugänge standen letzte Saison bei Alba Berlin unter Vertrag. Neben Schaffartzik kommen auch Yassin Idbihi, Nihad Djedovic und Dean Thompson aus der Hauptstadt an die Isar. Mit dem Abziehen von gleich vier Alba-Leistungsträgern zwingen die Bayern den Konkurrenten zum Rebuild.
Bayerns neuer Kader ist eine klare Kampfansage an die anderen Topteams der BBL wie Bamberg, Oldenburg oder auch Alba. Aber was kann der Kader international? Durch den Erhalt der Wildcard spielen die Bayern nächste Saison in der Euroleague und brauchen auch dafür einen konkurrenzfähigen Kader. Kadertiefe und Qualität für diese Aufgabe sind bereits da, fehlen dürfte es aber (noch) an der nötigen Erfahrung auf dem internationalen Parkett.
Point Guards: Heiko Schaffartzik, Malcolm Delaney, Steffen Hamann
Den Abgang von Tyrese Rice zu verkraften, wird selbst für die Bayern nicht leicht. Offiziell scheiterte die Vertragsverlängerung an der exorbitanten Gehaltsforderung von Rice und der Guard wechselte nach Israel zu Maccabi Tel Aviv.
Auf der Position des Point Guard ist nur noch Routinier Steffen Hamann geblieben. Er wird in der kommenden Saison jedoch weniger Spielzeit von Coach Svetislav Pesic bekommen.
Die Gründe sind breit gefächert: Der Spielaufbau wird die Aufgabe von den beiden Neuzugängen Heiko Schaffartzik und Malcolm Delaney. Während Schaffartzik als DBB-Kapitän ein gestandener BBL-Spieler ist, wechselt Delaney aus der Ukraine zu den Bayern. Inwiefern sich die beiden Guards die Minuten teilen werden, hängt hauptsächlich vom 24-jährigen Delaney ab. Der US-Amerikaner ist sicherlich eine der wichtigsten Verpflichtungen für die Euroleague.
Vorstellbar ist Delaney als Starter und Schaffartzik als Energiebündel von der Bank. Delaney wurde letzte Saison in der Ukraine Meister und auch zum MVP der Liga gewählt. Will Pesic Small-Ball spielen, ist auch ein Backcourt Schaffartzik/Delaney möglich, da Delaney als Combo Guard auch die Position des Shooting Guard besetzen kann. Ebenso ist auch Schaffartzik als Shooting Guard denkbar.
spoxEine weitere Option im Spielaufbau wird Nihad Djedovic sein. Trainer Pesic ist voll überzeugt vom ehemaligen Berliner und wird ihn auch auf der Eins einspannen. Zwar ist Djedovic eher als Swingman bekannt, doch seine guten Fähigkeiten mit dem Ball helfen den Bayern im Aufbauspiel. Vergleichbar wäre diese Situation mit Dejan Bodiroga, der als Small Forward oft die Verantwortung im Backcourt übernommen hat.
Steffen Hamann ist sicherlich nicht nur für die Garbage-Time eingeplant, sondern wird nach wie vor in wichtigen Spielszenen, wenn die Mannschaft von seiner Routine profitiert, auf dem Parkett stehen und genug Minuten sehen.
Unter dem neuen Personal für die Position des Point Guard befindet sich kein typischer Floor General, vielmehr setzen die Bayern in der neuen Saison auf polyvalente Spieler und folgen damit dem aktuellen Trend in Europa.
Shooting Guards: Bryce Taylor, Lucca Staiger, Demond Greene, Paul Zipser, Mauricio Marin
Auf der Zwei kommen mit Bryce Taylor und Lucca Staiger ebenfalls zwei erfahrene BBL-Akteure. Taylor war letzte Saison bei den Artland Dragons Topscorer, Staiger stieg mit den Neckar Riesen Ludwigsburg sportlich zwar ab, konnte jedoch erstmals in einem Team Führungsqualitäten zeigen.
Taylor wird mit großer Wahrscheinlichkeit als Shooting Guard starten, seine 13,7 Punkte pro Spiel für die Dragons letzte Saison haben Bayern-Manager Marko Pesic überzeugt. Der Ex-Bonner und -Berliner legte in den Playoffs sogar noch einen drauf und erzielte im Viertelfinale gegen Ulm fast 20 Punkte im Schnitt, es sollte aber nicht für ein Weiterkommen reichen.
Mit seinem durchtrainierten Körper gehört Taylor sicherlich zu den athletischsten Spielern in der BBL. Die Bayern brauchen seine Energie und seinen Einsatz auf dem Feld. "Seine Athletik, Intensität und Persönlichkeit haben uns auf ganzer Linie überzeugt. Seine gesamte Spielveranlagung passt hervorragend in unser Kaderkonzept", erklärt Geschäftsführer Marko Pesic.
Lucca Staiger weiß genau, warum die Bayern ihn geholt haben. Seine Minuten werden begrenzt sein, doch sein Einfluss auf das Bayernspiel ist umso wichtiger: Der Nationalspieler soll auf dem Flügel für die Punkte sorgen, die den Bayern in den entscheidenden Momenten in der letzten Saison gefehlt haben. Steht Staiger auf dem Parkett, soll es von außen Dreier regnen.
Die Shooting-Guard-Rotation der Bayern verspricht in der kommenden Saison also viele Punkte. Zumal Ex-Alba-Spieler Nihad Djedovic auch auf der Zwei agieren kann, wie es in Berlin letzte Saison durchaus der Fall war. Der Bosnier erzielte 10,5 Punkte pro Spiel und passt bei Bayern genau in die Planung: Energie, Punkte und Effizienz aus dem Backcourt. Auch die Point Guards Heiko Schaffartzik und Malcolm Delaney werden ihre Spielzeit auf der Zwei bekommen.
Während Yotam Halperin die Bayern verlässt, ist Altmeister Demond Greene noch im Kader zu finden. Wie schon letzte Saison wird Greenes Spielzeit aber limitiert sein und sich auf Erholungsphasen von Bryce Taylor beschränken. Sollte Greene nicht nach der nächsten Saison überraschend einen neuen Vertrag bekommen, könnte dies seine letzte Saison sein.
Mit Mauricio Marin und Paul Zipser haben die Bayern zwei Nachwuchstalente in ihren Reihen, die nächste Saison Spielzeit erhalten könnten. Vor allem Zipser gilt als hochtalentiert, aber wird immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen.
Small Forwards: Robin Benzing, Nihad Djedovic, Malo Valerien
Wie jede Saison könnte man bei Robin Benzing die zu erwartende Leistungsexplosion ansprechen, schließlich hat der 24-Jährige locker das nötige Talent dazu. Doch nun bekommt Benzing durch die Verpflichtung von Nihad Djedovic Konkurrenz auf der Small-Forward-Position, die den deutschen Nationalspieler durch gesunden Konkurrenzkampf auf eine neue Qualitätsebene bringen könnte. Möglich ist aber auch, dass Benzing das Duell verliert und in der Folge aus der Startformation verdrängt wird.
Klar ist: Coach Svetislav Pesic hält von Nihad Djedovic eine ganze Menge. Djedovic erzielte, ähnlich wie Benzing, letzte Saison etwa 10 Punkte pro Spiel. Trotz seines noch jungen Alters spielte der bosnische Nationalspieler aber schon bei einigen Vereinen in Europa, darunter fünf Jahre beim FC Barcelona.
Benzings Hoffnung ist, dass Pesic Djedovic eher auf den Guard-Positionen braucht. Dazu ist der deutsche Nationalspieler zwölf Zentimeter größer als Djedovic, was zum Vorteil in der Verteidigung wird.
Bryce Taylor spielte sowohl bei Alba Berlin und bei den Artland Dragons auf der Position des Small Forward. Er wird dort auch bei den Bayern seine Spielzeit erhalten, denn Pesic braucht seine Athletik in der Verteidigung.
Erst die Trainingseindrücke werden Pesic die Entscheidung auf der Small-Forward-Position ermöglichen. Die Small-Ball-Version ist Djedovic, für Benzing spricht die eingespielte Bayern-Spielweise.
Ein noch eher Unbekannter ist der 20-jährige Malo Valerien. Der Enkel von Reporterlegende Harry Valerien könnte aber in Pesic' System durchaus die ein oder andere Minute Spielzeit bekommen. Der Forward bringt ein gutes Allround-Paket mit: er ist ein guter Verteidiger, wirft solide Dreier und könnte sich zu einem Energizer von der Bank entwickeln. Doch Valerien steht noch ganz am Anfang seiner Karriere und befindet sich noch mitten im Lernprozess.
Benzing und Djedovic werden sich die Minuten auf der Drei gut aufteilen, wobei Benzing wohl zunächst starten wird. Djedovic ist ein vielseitiger Spieler, der auch auf den kleineren Positionen gebraucht wird. Benzing dagegen wird in der kommenden Saison zusätzlich eine neue Aufgabe als Power Forward erhalten. Und das aus einem guten Grund.
Power Forwards: Chevon Troutman, Deon Thompson
Chevon Troutman war letzte Saison einer der wichtigsten Spieler bei den Bayern. 13,4 Punkte erzielte der Amerikaner im Schnitt und spielte knapp 24 Minuten pro Spiel. Konkurrenz bekommt er nun mit Deon Thompson, der bei Alba Berlin ähnliche Werte auflegte, aber nicht wie Troutman ab und zu den Abschluss hinter der Dreierlinie sucht, sondern meist in der Zone zu finden ist.
Mit dem Duo Troutman/Thompson hat Trainer Pesic eine defensiv starke, punktende und vor Energie strotzende Power-Forward-Rotation, die in der BBL ihresgleichen sucht. Zudem haben beide Forwards schon im Ausland gespielt.
Thompson spielte noch vor ein paar Wochen in der NBA Summer League für die Chicago Bulls und erzielte im Schnitt achtbare zehn Punkte und sieben Rebounds. Inwiefern er Troutman den Startplatz streitig machen kann, hängt nun von seinen Leistungen in den ersten Wochen der neuen Saison ab.
Jan-Hendrik Jagla wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nächste Saison nicht mehr im Kader der Bayern-Basketballer stehen. Zu wenig Energie kam vergangene Spielzeit vom deutschen Nationalspieler, die die Bayern von der Bank dringend benötigen. Pesic plant nicht mehr mit Jagla, der sich einen neuen Verein suchen kann. Zuletzt mehrten sich die Gerüchte für ein Alba-Comeback, die nach dem totalen Aderlass jede erfahrene Kraft gebrauchen können.
Die noch relativ dünne Rotation der Bayern auf der Vier dürfte Unterstützung von den Centern bekommen, da der FCB dort leicht überbesetzt ist. Neuzugang Yassin Idbihi und Jared Homan sind beide dazu fähig, die Rolle des Power Forwards auszufüllen. Die Frage wird sein, ob der Trainer aber überhaupt mit einer "Twin Tower"-Taktik spielen will.
Und Robin Benzing als Power Forward? Warum nicht? Schließlich klappte das schon in Ulm ganz gut. Damaliger Center der Ulmer: John Bryant, der diese Saison ebenfalls bei den Bayern unter Vertrag stehen wird. Offenbar plant Trainer Pesic mit der Variante Small Ball, die das Bayern-Spiel schneller machen würde.
Center: John Bryant, Yassin Idbihi, Jared Homan
John Bryant. Ein Name, ein gewaltiges Ausmaß: MVP und All-Star-MVP der letzten zwei Jahre. Bester Rebounder und effektivster Spieler der BBL in 2011 und 2012. Ohne Frage: Mit der Verpflichtung von Bryant haben die Bayern für einen Paukenschlag gesorgt.
Dazu kommt Yassin Idbihi von Alba Berlin, der eine Menge BBL-Erfahrung mitbringt, aber auch schon im Ausland spielte. Er und Bryant werden gemeinsam mit Jared Homan eine dominante Center-Riege bei den Bayern stellen.
"John hat in den letzten zwei Jahren die Bundesliga geprägt. Auch seine Leistungen im Eurocup waren beeindruckend. Trotz seiner bisherigen Erfolge hat er noch viel Potenzial, sein Spiel weiter zu verbessern", weiß Marko Pesic.
spoxBryant, der als Starter fest eingeplant ist, kann die Bayern auf ein neues Level der Qualität hieven, auch wenn seine Play-Off-Darbietungen nicht mehr so gut waren, wie seine Leistungen in der Saison. Trotzdem: Die Liga stöhnte laut auf, als bekannt wurde, wen die Basketball-Abteilung des FCB nach München gelockt hatte.
Sein Ersatz wird Yassin Idbihi sein. Gute Verteidigung, Beweglichkeit: Idbihi ist ein nahezu perfekter Ersatz, zumal er sich über seine Rolle im Team nicht beschweren wird. Er erzielte in etwas mehr als 20 Minuten Spielzeit 9,1 Punkte für Alba Berlin. Ein Wiedersehen gibt es mit Heiko Schaffartzik. Dessen Pick'n'Roll funktionierte mit Idbihi bei Alba sehr gut und wird nun auch beim FC Bayern praktiziert.
Einer der großen Verlierer der BBL-Offseason ist sicherlich Jared Homan. Der letztjährige Starting-Center der Bayern wird wahrscheinlich die meiste Spielzeit der Bayern-Stars einbüßen und darüber auch nicht erfreut sein. Homan fiel letzte Saison auf dem Parkett immer wieder mit einem zweifelhaften Temperament auf, das ihm ab und zu auch zum Verhängnis wurde. Pesic will Konstanz, die er mit John Bryant endlich auf der Fünf haben dürfte. Nicht auszuschließen, dass Homan sich noch vor Saisonbeginn einen neuen Verein suchen.
Inwiefern sich Homan in die Center-Rotation einbringen könnte, ist ungewiss. Fakt bleibt: Mit Bryant und Idbihi wurden ihm zwei vor die Nase gesetzt. Bryant wird starten und die meiste Spielzeit einstreichen. Das vielleicht beste Upgrade der Bayern.
Bogdan Radosavljevic, der beim NBA-Draft 2013 von keinem Team ausgewählt wurde, wird bei dieser Konkurrenz keine Spielzeit mehr bekommen. Das größte Center-Talent Europas, wie ihn Marko Pesic einst betitelte, unterschreibt bei den Walter Tigers Tübingen.
Fazit: Die Aufrüstung der Bayern-Basketballer hat zu Staunen, Verärgerung, vielleicht sogar Resignation geführt. Der nationale Titel wird mit großer Wahrscheinlichkeit nur über die Bayern gehen. Im dritten Jahr in Deutschlands höchster Spielklasse scheinen die Bayern einen meisterreifen Kader zusammengestellt zu haben. Für die internationale Klasse fehlt es noch an Zeit, trotzdem sind die Top 16 in der Euroleague ein Muss.
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