Clasico-Wahnsinn um Europas Krone

Max Marbeiter
16. Mai 201420:52
Sergio Rodriguez (l.) und Real trafen bereits im vergangenen Jahr auf Ante Tomic' Barcagetty
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Das Final Four der Euroleague steht an. In Mailand spielen Real Madrid, der FC Barcelona, Maccabi Tel Aviv und ZSKA Moskau die europäische Krone aus. SPOX wirft einen Blick auf die Halbfinalpaarungen.

FC Barcelona - Real Madrid (Fr., 21 Uhr im LIVE-TICKER)

Ausgangslage: FC Barcelona. Real Madrid. Zwei der besten Basketballteams des Kontinents. Zwei erbitterte Rivalen, deren sympathische Gefühle füreinander ähnlich intensiv sein dürften, wie jene, die Michael Jordan einst für Detroits Bad Boys hegte. Und als wäre all das noch nicht genug, lieferte das diesjährige Finale der Copa del Rey einen Prolog, der dem zweiten Halbfinale eine - zugegeben - nicht zwingend notwendige, zusätzliche Dramaturgie verleiht.

Nach einem unglaublichen Hin und Her in den finale Sekunden hatte Brad Oleson Barca soeben per Dreipunktspiel mit einem Zähler in Führung gebracht. Real blieben 8 Sekunden. 8 Sekunden, die Reals Sergios, Rodriguez und Llull, für ein Assist-Jumper-Duett genügten, das jubelnde Madrilenen und niedergeschlagene Katalanen hinterließ. Der ganz normale Clasico-Wahninn.

Nun folgt also die Fortsetzung. Mit sicherlich ähnlicher Intensität, kaum weniger Spannung, dafür aber deutlich gesteigerter Anspannung. Denn Real ist auf einer Mission. Nach der bitteren Final-Pleite aus dem vergangenen Jahr gegen Olympiakos, als man eine deutliche Führung am Ende noch verspielte, soll endlich die so herbeigesehnte neunte europäische Krone her. Schließlich ist Real zwar der erfolgreichste Klub im europäischen Basketball, wartet jedoch seit 1995 auf den nächsten ganz großen Titel.

Und genau deshalb starteten die Madrilenen mit einer Jetzt-sind-wir-dran-Attitüde in die Saison, die sie monatelang zum beeindruckendsten Team Europas machte. Die heimische Liga wurde auf unglaubliche Art und Weise dominiert. Erst am drittletzten Spieltag brachte "Verfolger" Valencia Real die erste Saisonniederlage bei. In der Euroleague marschierte das Team von Coach Pablo Laso ungeschlagen durch die Vorrunde.

Immer mit im Gepäck: Spektakulärer Transition-Basketball, knallharte Defense und ein Teamplay, das Laso, dem besten spanischen Assist-Geber der Geschichte, alle Ehre macht. Real beeindruckt. Auch dank der unglaublichen Ausgeglichenheit im Kader. Mit den Top 16 erhielt das Image der Unbesiegbaren jedoch leichte Risse. Gegen Moskau, Kaunas und die Bayern wurde verloren, weshalb man im Viertelfinale schlussendlich auf das Trauma aus dem Vorjahr traf. Olympiakos.

Fünf unglaublich enge, intensive Spiele später wartet im Final Four nun der ewige Rivale. Und der hat rechtzeitig zur entscheidenden Saisonphase seine Form gefunden. Nach einer durchwachsenen Vorrunde entwickelten sich die Katalanen zum heißesten Team der Top 16. 12 Siege, nur 2 Niederlagen, die sich Barcelona noch dazu erst an den letzten beiden Spieltagen einhandelte.

Es folgten die Playoffs - und mit ihnen eine Demonstration, die ein völlig desillusioniertes Galatasaray hinterließ. 3 Spiele. 3 Barca-Siege. 2 mit mehr als 20 Punkten. Einzig Juan Carlos Navarros Oberschenkelverletzung aus Spiel 2 bereitet Coach Xavi Pascual ein wenig Sorgen. Ist der Kapitän fit für Milan? So oder so: Barcelonas Tiefe beeindruckt, dazu besitzen die Katalanen jede Menge Scorer und mit Ante Tomic einen Big Man, der es bestens versteht, seine Mitspieler einzusetzen.

Ante Tomic im Interview: "Pleiß ist immer eine Herausforderung"

Nun also Real. Der Saisonverlauf, die Historie, die Rivalität - all das verspricht ein episches Halbfinale. Und wem das noch nicht genügt, dem seien einige Namen vor Augen geführt. Navarro, Tomic, Marcelinho Huertas, Erazem Lorbek, Kostas Papanikolaou auf der einen, Rudy Fernandez, Nikola Mirotic, Sergio Rodriguez, Sergio Llull, Felipe Reyes und Ioannis Bourousis auf der anderen Seite. Viel mehr Qualität hat der europäische Basketball diesseits des Atlantik nicht zu bieten. Es ist angerichtet.

Das Schlüsselduell: Lorbek/Tomic vs. Mirotic/Bourousis. Die Guard-Rotationen beider Teams sind beeindruckend. Was Real und Barca unter den Brettern anbieten, steht dem allerdings in nichts nach. Ante Tomic ist der wohl beste Center der Euroleague, wurde in dieser Saison als erster Spieler überhaupt zweimal in Folge zum MVP des Monats gekührt. Tomic' Passfähigkeiten suchen auf der Fünf ihresgleichen.

Auf der anderen Seite steht mit Nikola Mirotic einer der besten Basketballer des Kontinents, der noch dazu Objekt Chicagoer Begierden ist. Der Power Forward beherrscht das Spiel am Zonenrand ebenso gut wie den Wurf aus der Distanz. Unterstützt werden die beiden Edel-Big-Men von Erazem Lorbek und Ioannis Bourousis. Erfahrung pur. Das Duell unter den Brettern dürfte sich auf allerhöchstem Niveau abspielen - und am Ende mitentscheidend für den Finaleinzug sein.

Der X-Faktor: Sergio Rodriguez. Früher pendelte "El Chacho" häufig zwischen Genie und Wahnsinn. Mittlerweile gewinnt der innere Einstein jedoch meist gegen sein Mr. Hyde'sches Pendant. Rodriguez' Alley-Oop-Anspiele auf Rudy Fernandez reißen die Massen aus den Sitzen, sein tödlicher Dreier (48,78 Prozent, Euroleague-Rang vier) verbreitet Angst und Schrecken. In Sachen Performance Index Rating (27,71) liegt der Guard auf 40 Minuten hochgerechnet Euroleague-weit auf Rang zwei hinter Ante Tomic. SPOX

Von der Bank bringt Rodriguez Real Energie, Playmaking und Shooting. In der Crunchtime ist er dank seiner Abgezocktheit immer gut für das entscheidende Play - so auch bei seinem Pass auf Llull im Finale der Copa del Rey. Bekommt Barca Rodriguez nicht in den Griff, sinken die Chancen auf den Final-Einzug erheblich.

Prognose: Barca hat sich im Laufe der Saison enorm gesteigert und zog als erstes Team ins Final Four ein. Die Katalanen wirken wohl ausbalanciert, einzig Juan Carlos Navarros Fitnesszustand bereitet noch Sorgen. Auf der anderen Seite tat sich Real gegen Olympiakos zwar schwer, besiegte in Spiel 5 allerdings gleichzeitig sein Trauma aus der Vorsaison. Die Madrilenen wollen den Titel unbedingt, sind noch dazu das leicht bessere Team. Dazu ist Scharfschütze Jaycee Carroll nach langer Verletzungspause wohl wieder dabei. Deshalb: Real zieht ins Finale ein.

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ZSKA Moskau - Maccabi Tel Aviv (Fr., 18 Uhr im LIVE-TICKER)

Ausgangslage: Das große Zittern wird ZSKA beim Gedanken an das Final Four nicht überkommen. Schließlich stehen die Russen zum elften Mal in den vergangenen zwölf Jahren unter den besten vier Teams der Euroleague. Nervosität? Eher nicht. Eher pure Entschlossenheit. Denn nach der geschichtsträchtigen Finalniederlage 2012 gegen Olympiakos und dem Halbfinal-Aus vergangene Saison gegen - richtig - Olympiakos hoffen die Russen diesmal tatsächlich auf den Titel.

Einerseits hat Real schließlich die undankbare Aufgabe übernommen und die Griechen bereits im Viertelfinale ausgeschaltet, andererseits sollen sich Moskaus Investitionen endlich auszahlen. Wohl kein anderer Klub in Europa besitzt einen höheren Etat als ZSKA. Dennoch schrie der Saisonstart keinesfalls nach Final Four. Moskau gewann zwar, Moskau überzeugte jedoch nicht. Selbst vermeintlich leichte Aufgaben wurden zum echten Härtetest.

Erst mit Beginn der Top 16 fand das Team von Coaching-Legende Ettore Messina endlich seinen Rhythmus. ZSKA gewann seine Gruppe F noch vor Real und ging Olympiakos so erfolgreich aus dem Weg. Nun spielte Piräus' Erzfeind Panathinaikos in den Playoffs allerdings ebenfalls wie griechische Teams nun mal spielen, sobald es wirklich um etwas geht. Spiel 5 war nötig. Doch Spiel 5 hätte kaum eindeutiger verlaufen können. ZSKA lieferte eine unglaubliche Demonstration, an deren Ende Panathinaikos mit 30 Punkten besiegt und das Final Four gebucht war.

Dort geht es mit Maccabi gegen ein Team, das die Russen während der Top 16 bereits zweimal besiegen konnten. Ein Vorteil? Vielleicht. Ein klares Indiz? Wohl kaum. Denn Tel Aviv ist zwar sicherlich die Überraschung unter den besten Vier. Wie Milan, das immerhin die Chance auf das Final Four zuhause hatte, im Viertelfinale ausgeschaltet wurde, war jedoch mehr als beeindruckend.

Speziell das Comeback in Spiel eins, in dem Maccabi am Ende binnen weniger als zwei Minuten einen 9-Punkte-Rückstand aufholte, sich in die Verlängerung rettete und schlussendlich den Heimvorteil klaute, dient zur Legendenbildung. Tel Aviv trat während der gesamten Saison nie wie ein Überteam auf, war aber stets da, wenn es darauf ankam. Gerade dank ihrer Stärke aus der Distanz.

Einzig ZSKA und Real treffen besser von jenseits der Dreierlinie, läuft Maccabi im Kollektiv erst mal heiß, ist es schwer zu stoppen. Das mussten auch die Bayern schmerzlich erfahren, als Tel Aviv ihnen im Audi Dome dank wahnwitziger Dreierquoten (72,2 Prozent) auch der letzten Hoffnungen auf die Playoffs beraubte. Tel Aviv ist ein eingeschworener Haufen, der in dieser Saison bereits viele enge Spiel zu überstehen hatte und schlussendlich auch überstand. Ein eingeschworener Haufen, der ZSKA den zweiten Finaleinzug in drei Jahren sicherlich nicht einfach so ermöglichen wird.

Das Schlüsselduell: Milos Teodosic vs. Ricky Hickman. Wie fit ist Teodosic? Startet er oder kommt er von der Bank? Gibt er den Playmaker oder weicht er zeitweise auf die Zwei aus? Beinahe schon traditionell wandelt der Serbe als Fragezeichen durch die Arenen Europas. Zumal vor dem Spiel nie klar ist, welchen Teodosic Coach und Mitspieler serviert bekommen. Das Basketball-Genie, das Spiele im Alleingang entscheiden kann, oder die launische Diva, die dem eigenen Team mehr schadet als nutzt.

Nehmen wir also an, Teodosic ist im Vollbesitz seiner Kräfte, nutzt sein Potential voll aus und bekommt dazu noch einiges an Spielzeit. Dann wartet auf Ricky Hickman keine allzu angenehme Aufgabe. Dann dürfte Maccabi des Serben unglaublicher Mix aus Zauberanspielen, Treffsicherheit und Spielintelligenz große Probleme bereiten. Dann ist es jedoch auch an Hickman, Teodosic' Kreise bestmöglich zu stören.

Auf der anderen Seite sollte Moskau jedoch auch Maccabis Guard nicht unbedingt all jene Dinge anstellen lassen, die Basketball so schön und das Spiel des Amerikaners so erfolgreich machen. Was passiert, wenn Hickman seinen Rhythmus findet, erfuhr zuletzt Milan. 16,5 Punkte (60 Prozent 2FG, 50 Prozent 3FG) und 4,5 Assists legte der Point Guard im Viertelfinale auf und hatte damit großen Anteil an Maccabis Finaleinzug. SPOX

Der X-Factor: Alex Tyus. Mit Beginn der Top 16 schaltete der Forward in den "You can't stop me"-Modus. Während der Playoffs traf er 75 Prozent seiner Würfe (13,5 Punkte), während der Top 16 waren es sogar unglaubliche 81,7 Prozent. Mehr als genug für April-MVP-Ehren. Sein Einsatzwille macht Tyus, der erst vor der Saison nach Tel Aviv wechselte, mittlerweile zum unersetzlichen Puzzlestück im System von Coach David Blatt.

Angesichts der limitierten Spielzeit von Sofoklis Schortsanitis, der ZSKA mit seiner Urgewalt und Masse sicherlich ebenfalls vor Probleme stellen dürfte, spielt der gelernte Forward trotz lediglich 2,03 Metern häufig auf der Fünf, wo er es mit den wesentlich größeren Sasha Kaun und Nenad Krstic zu tun bekommen dürfte. Kann sich Tyus behaupten und gelingt es ihm zudem, sich auf die wechselnden Matchups einzustellen, hilft er Maccabi ungemein weiter.

Prognose: Niemand sollte sich von Moskaus beiden Top-16-Siegen blenden lassen. Auch nicht vom 35-Punkte-Blowout im Heimspiel. Maccabi wird ein unangenehmes Matchup für ZSKA. Die Israelis kennen sich mit der Außenseiterrolle bestens aus und wissen zudem in engen Spielen zu bestehen. Am Ende gibt die Tiefe und Qualität der Russen jedoch den Ausschlag. ZSKA zieht ins Finale ein.

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