Eine verdammt enge Kiste

Marc-Oliver Robbers
22. September 201312:44
Litauen siegte in der Zwischenrunde der EuroBasket 2013 gegen Frankreichimago
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Nachdem Spaniens Tripleträume ausgeträumt sind, wird es in jedem Fall einen neuen Europameister geben. Frankreich und Litauen (ab 21 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE mit Kommentator Frank Buschmann) greifen nach der Krone. In der Zwischenrunde siegten die Balten, aber Tony Parker hat seinen ersten Titel im Nationalteam fest eingeplant. SPOX vergleicht beide Teams im Head-to-Head.

SPOX

Point Guard: Tony Parker vs. Mantas Kalnietis

SPOXgettyParker (19,7 Punkte, 3,3 Assists): Was soll man über Tony Parker noch groß erzählen. Der Guard ist ein Superstar, erfahren und titelhungrig. Gegen Spanien trug er sein Team lange Zeit alleine und machte am Ende 32 Punkte. Sein Zug zum Korb ist eine tödliche Waffe und auch sein Wurf aus dem Feld fällt hochprozentig (58,3 Prozent). Das Pick'n'Roll mit Teamkollege Boris Diaw sitzt dazu wie im Schlaf. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der Franzose am Ende des Turniers die MVP-Trophäe hochstemmen würde, wichtiger dürfte ihm aber der EM-Pokal sein.

Kalnietis (11,4 Punkte, 5,3 Assists): Mantas Kalnietis musste sich vor dem Turnier viel Kritik anhören. Die wenigsten Experten hatten ihm zugetraut, dass er die Position des Point Guards vernünftig ausfüllen kann, denn eigentlich ist er eher ein Shooting Guard. Da Litauen aber nach dem Rücktritt von Sarunas Jasikevicius keinen Spielmacher von Format besitzt, muss Kalnietis dort aushelfen und das macht er sehr gut. Der Profi von Lokomotive Kuban gehört zu den besten Assistgebern des Turniers (5,3 Assists) und überzeugt zudem auch an den Brettern (4,8 Rebounds). Allerdings ist sein Dreier (25,7 Prozent) wacklig und auch von der Freiwurflinie (52,9 Prozent) zeigte er sich zuletzt alles andere als sicher.

Fazit: Vorteil Frankreich

Shooting Guard: Mickael Gelabale vs. Renaldas Seibutis

SPOXgettyGelabale (7,7 Punkte, 3er-Quote: 35,7 Prozent): Es ist bislang nicht unbedingt das Turnier von Mickael Gelabale. Der Shooting Guard, der als feste Offensiv-Option in der französischen Rotation eingeplant ist, tauchte bisher zu häufig ab. Lag sein Punkteschnitt nach der Vorrunde noch bei 10 Punkten im Schnitt, erzielte er in den Spielen danach nur noch 6,8 Zähler. Der Guard muss dringend seine Form finden, um Parker offensiv zu entlasten. Immerhin: Gegen Spanien erzielte einige wichtige Treffer - gut fürs Selbstvertrauen.

Seibutis (8,3 Punkte, 3er-Quote: 28,6 Prozent): Renaldas Seibutis' Wert für Litauen lässt sich kaum an seinen Zahlen messen. In erster Linie ist der Swing Man ein Premium-Verteidiger und das bekam in der Zwischenrunde auch Parker zu spüren. Seibutis hing wie ein Kettenhund am französischen Aufbauspieler und nahm ihn nahezu aus dem Spiel. Nicht verwunderlich, dass der Franzose gegen Litauen eines seiner schlechtesten Spiele machte. In der Offensive ist Seibutis zudem ein solider Scorer.

Fazit: Vorteil Litauen

Teil I: Die Guard-Positionen

Teil II: Die Forward-Positionen und die Center

Teil III: Die Bank, die Coaches und die Prognose

Small Forward: Nicolas Batum vs. Jonas Maciulis

SPOXgettyBatum (11,0 Punkte, 5,0 Rebounds): Was für Gelabale gilt, zählt auch für Nicolas Batum. Der Small Forward, der bei den Portland Trail Blazers häufiger Stats auflegt, die in der Nähe eines Triple-Double liegen, fand bislang noch nicht wirklich zu seinem Spiel. Eigentlich zeigte die Formkurve nach seiner Fußverletzung, die ihn das Belgien-Spiel kostete, nach oben, aber im Halbfinale gegen Spanien kam der Rückfall. Mit seiner Athletik und seinem All-Around-Game müsste er viel dominanter auftreten. Dass er es kann, hat er gegen Lettland gezeigt.

Maciulis (8,8 Punkte, 4,1 Rebounds): Der bullige Forward machte im Halbfinale auf sich aufmerksam. Dort drehte er in der zweiten Hälfte richtig auf und war der Motor des entscheidenden Laufs gegen die Kroaten. Maciulis ist ein wichtiger Rollenspieler im Team der Litauer, der vor allem über seine Athletik kommt. Auch er könnte phasenweise die Verteidigung von Parker übernehmen und ihn damit müde machen.

Fazit: Vorteil Frankreich

Power Forward: Boris Diaw vs. Linas Kleiza

SPOXgettyDiaw (9,9 Punkte, 4,5 Rebounds): Boris Diaw dient als unermüdlicher Pick'n'Roll-Partner für Parker. Die beiden verstehen sich nach vielen gemeinsamen Jahren in der Equipe und inzwischen bei den Spurs blind. Diaw ist aufgrund seiner Masse und dem dennoch guten Ballhandling ein unangenehmer Gegenspieler. Er versteht es, unter dem Korb zu punkten, ist aber auch aus der Distanz eine Option. Und vor allem ist er einer der wenigen Kreativspieler der Franzosen, überraschend flink in der Defense und ungemein abgezockt. Ein unkonventioneller, aber doch bärenstarker Spieler. Und der Leader des Teams.

Kleiza (10,5 Punkte, 5,0 Rebounds): Sein Lauf gegen Kroatien, als er allein in der ersten Hälfte 17 Punkte erzielte, war nicht nur beeindruckend, er zeigte auch die Vielseitigkeit des athletischen Forwards. Kleiza kann nicht nur mit Dominanz zum Korb ziehen, sondern ist auch aus der Distanz gefährlich. Der Ex-Raptor gehört zu den erfahrenen Kräften im Team und muss daher auch Verantwortung übernehmen.

Fazit: Unentschieden

Center: Alexis Ajinca vs. Darjus Lavrinovic

SPOXgettyAjinca (9,6 Punkte, 6,7 Rebounds, 1,4 Blocks): Es ist ein wenig die EM des Centers. Aufgrund der Absagen von Ronny Turiaf, Kevin Seraphin und vor allem Joakim Noah bekommt Ajinca massig Spielzeit und die weiß er durchaus zu nutzen. Der Big Man punktet aus dem Pick'n'Roll heraus, versteht es aber auch, seine Masse einzusetzen. Allerdings konnte man bei der EM auch sehen, dass es gegen die ganz Großen der Zunft noch nicht reicht.

Lavrinovic (6,8 Punkte, 3,2 Rebounds, 0,3 Blocks): Zu denen gehört Darjus Lavrinovic aber nicht. Der Center startet zwar, spielt im Schnitt aber nur knapp 15 Minuten. Lavrinovic besitzt einen soliden Wurf, ist aber niemand, der Angst und Schrecken unter den Brettern verbreitet. Dazu besitzen die Litauer eine ungemeine Tiefe im Frontcourt, so dass gerade dort häufig rotiert wird.

Fazit: Vorteil Frankreich

Teil I: Die Guard-Positionen

Teil II: Die Forward-Positionen und die Center

Teil III: Die Bank, die Coaches und die Prognose

Bank: Nando De Colo, Antoine Diot, Joffrey Lauvergne, Florent Pietrus vs. Jonas Valanciunas, Donatas Motiejunas, Martynas Pocius, Mindaugas Kuzminskas

SPOXgettyFrankreich: Einen richtigen Sixth Man besitzen die Franzosen nicht. De Colo bekommt eine Menge Spielzeit, weicht aber häufig auf die Shooting-Guard-Position aus. Die Quoten sind sicherlich ausbaufähig, aber für einen Dreier ist der Spurs-Guard immer gut. Gleiches gilt für Diot, mit dem Unterschied, dass Diot rund 55 Prozent seiner Dreier versenkt. Gegen Spanien brachte der Guard die Franzosen wieder ran und versenkte eiskalt die entscheidenden Freiwürfe. Lauvergne, Pietrus und Petro erweitern die Big-Men-Rotation, sind im Normalfall aber eher Füllstoff denn echte Optionen. Eine Ausnahme war auch hier das Spanien-Spiel, in dem Forward Pietrus Center Marc Gasol mit seiner aggressiven Defense zur Weißglut trieb.

Litauen: Das sieht bei den Balten ganz anders aus. Mit Jonas Valanciunas und Donatas Motiejunas besitzt Litauen richtig Qualität auf der Bank. Allerdings sind die beiden NBA-Talente noch recht unbeständig in ihren Leistungen und schöpfen ihr vorhandenes Potenzial nicht konsequent aus. Valanciunas hat Probleme, sich einen eigenen Wurf zu kreieren und Motiejunas ist (noch) nicht tough genug. Diese Toughness besitzt Veteran Robertas Javtokas, aber ihm fehlen die Skills. Dazu kommt mit Martynas Pocius ein Swing Man, der gut verteidigt und auch offensiv mit seiner Athletik für Entlastung von der Bank sorgen kann. Forward Mindaugas Kuzminskas besitzt diese Qualitäten auch, gilt mit seinen 23 Jahren als absolutes Toptalent, spielt aber eine bislang enttäuschende EM.

Fazit: Vorteil Litauen

Head Coach: Vincent Collet vs. Jonas Kazlauskas

SPOXgettyCollet: Der französische Head Coach verfügt mittlerweile über eine Menge internationaler Erfahrung. Selbst in die NBA schnupperte Collet schon rein. 2007 war er in der Summer League Assistant Coach bei den Cleveland Cavaliers. Seit vier Jahren ist er nun Trainer der Equipe Tricolore - mit steigendem Erfolg. Platz 5 2009, folgte der Vize-Titel und nun steht Frankreich erneut im Finale. Collet versteht es, die vielen Stars zu einem Kollektiv zu formen und scheut auch nicht davor, diese bei schlechten Leistungen auf die Bank zu setzen. Seine Ideen, Pietrus gegen Gasol zu stellen und vermehrt auf eine Zonenverteidigung umzuschalten, waren im Halbfinale gegen Spanien entscheidende Maßnahmen.

Kazlauskas: Der Litauer gilt als einer der erfolgreichsten Coaches in Europa und sammelte schon weltweit Erfahrung und Titel. So war er bereits Assistent von Del Harris in China und trainierte die chinesische Auswahl später selbst. Zuletzt scheiterte er aber als griechischer Nationalcoach und Trainer von ZSKA Moskau. Kazlauskas vertraut eher auf Erfahrung, so dass Valanciunas, Motiejunas oder auch Kuzminskas nur dosiert eingesetzt werden. Und doch stellen sich die Youngster ruhig hinten an. Ein Indiz, was für eine Autoritätsperson Kazlauskas ist und welch großen Respekt er genießt.

Fazit: Unentschieden

Prognose

Auch wenn Litauen das Zwischenrundenspiel recht klar für sich entscheiden konnte, sind die Balten nicht zwingend Favorit. Frankreich wird aus dem Halbfinalsieg gegen Spanien eine Menge Selbstvertrauen mitnehmen, und mit welchem Willen gerade Parker den Turnaround erzwang, war schon beeindruckend. Der Superstar will unbedingt seinen ersten Titel mit dem Nationalteam erringen.

Allerdings hatte Litauen Parker zuletzt sehr gut im Griff. Seibutis raubte ihm mit seiner engen Verteidigung den Nerv und das könnte der Schlüssel sein. Frankreich ist in diesem Turnier noch abhängiger vom Point Guard als sonst. Wenn es bei Parker nicht läuft, läuft es meist auch bei den Franzosen nicht. Batum fehlt die Konstanz, Gelabale ist nicht in Form und den Centern geht die Klasse ab.

Litauen ist dagegen viel breiter aufgestellt und hat gerade auf den großen Position eine schier unendliche Auswahl. Zudem können Kleiza, Kalnietis oder Maciunis jederzeit heißlaufen. Zudem wird es - trotz gewonnenem Selbstvertrauen - spannend zu beobachten sein, wie gut Frankreich den physischen und mentalen Aderlass aus dem Spanien-Spiel verkraftet. SPOX-Tipp: Litauen gewinnt knapp.

Teil I: Die Guard-Positionen

Teil II: Die Forward-Positionen und die Center

Teil III: Die Bank, die Coaches und die Prognose

Der NBA-Spielplan im Überblick