Deutschlands Top-Talent Isaiah Hartenstein schlug mit dem Wechsel nach Litauen einen ungewöhnlichen Weg ein und will sich in Kaunas den letzten Schliff für die NBA holen. Im Interview spricht der 17-Jährige über die neue Herausforderung, die Flucht der deutschen Talente ins Ausland und das Zerwürfnis mit Quakenbrück.
SPOX: Isaiah, nach Ihrem Wechsel von den Artland Dragons zu Zalgiris Kaunas spielen Sie nun erstmals nicht unter Ihrem Vater als Coach. Wie fühlt sich das an?
Isaiah Hartenstein: Es ist auf jeden Fall erstmal eine Umstellung für mich, aber ich freue mich, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Die Situation mit den Dragons war am Ende nicht gerade perfekt. Die Entscheidung musste ich dann treffen und bis jetzt ist es in Kaunas ganz gut gelaufen. Ich habe mir zwar einen Muskelfaserriss zugezogen und es tut immer noch ein bisschen weh, aber immerhin konnte ich trainieren. Ich bin aber noch ein bisschen eingeschränkt, vor allem beim Springen und Sprinten.
SPOX: Wie frustrierend war es, dass das gerade vor so einem wichtigen Event wie dem "Basketball without Borders Camp" in Toronto, dem Treffen der besten Talente der Welt, passiert ist?
Hartenstein: Natürlich war das ärgerlich, aber es war für mich auch eine Form der Motivation. Ich musste mich eben durchbeißen. Zudem ist es ein tolles Event - und ich bin nicht nur hier, weil es in Nordamerika ist. (lacht) Ich bin hier, weil ich gegen die Besten der Welt spielen will und mich zum Beispiel mit Thon Maker, einem der stärksten Talente, messen möchte. Und natürlich wollte ich das NBA All-Star Game unbedingt live erleben.
SPOX: Kommen wir noch mal auf Ihren Wechsel zurück. Wie waren die ersten zwei Wochen in Litauen? Wie wurden Sie aufgenommen - und was ist in der nächsten Zeit geplant?
Hartenstein: Ich wurde sehr gut aufgenommen. Sie haben mich gut behandelt und mich direkt gut ins Training eingebunden. Ich habe auch ein bisschen mit der ersten Mannschaft trainiert, aber eingeplant bin ich erstmal für das zweite Team, das in der zweiten Liga spielt. Dort versuche ich mich zu akklimatisieren und Teil der Rotation zu werden. Es gibt hier viele gute Talente. Leider kamen die Muskelprobleme bei mir dazwischen, aber ich hoffe, dass ich in Zukunft auch mit der Profi-Mannschaft trainieren kann. Das muss ich mir aber verdienen, ebenso wie eventuelle Einsätze.
SPOX: Der Coach von Zalgiris ist Sarunas Jasikevicius, eine europäische Basketball-Legende. Wie ist es, unter ihm zu trainieren?
Hartenstein: Es ist auf jeden Fall gut. Er unterstützt mich total bei allem, was gerade passiert. Die Umstellung ist schon nicht ganz so leicht. Er hat mir auch gesagt, dass ich mir mit meiner Verletzung Zeit nehmen und es ruhig angehen soll. Klar will man am Anfang immer einen guten Eindruck hinterlassen, aber er findet es wichtiger, dass ich stark zurückkomme.
SPOX: Warum haben Sie sich eigentlich für Kaunas entschieden? Das ist schließlich nicht gerade der übliche Weg eines deutschen Talents.
Hartenstein: Ich habe mir mehrere Klubs angeschaut und in Kaunas wollten Sie mich wirklich haben. Sie wollten, dass ich dort spiele und direkt in der ersten Mannschaft mit dabei bin. Die Coaches sind erfahren und die Halle und das gesamte Umfeld sind sehr gut. Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Der Coach hat mir Hoffnung gemacht, dass ich auch viel spielen kann.
SPOX: Im letzten Sommer haben Sie unterschrieben, waren aber noch ein Jahr an Quakenbrück ausgeliehen, damit Sie dort noch in der Pro B spielen konnten. Was war nun der Grund für den vorzeitigen Wechsel?
Hartenstein: Die Saison hat sehr gut angefangen, aber dann lief es mit dem Coach nicht mehr so perfekt für mich. Ich habe nicht so viel gespielt und er hat sich nicht so viel um mich gekümmert. Deswegen habe ich mich dann entschieden, doch früher nach Litauen zu wechseln. Rückblickend hätte ich lieber direkt zu Kaunas gehen sollen.
SPOX: Wie sehen Sie allgemein die Aufregung, die es um Ihren Wechsel gab? Wie ist das Verhältnis nun zu Quakenbrück?
Hartenstein: Es war nicht gerade ein schönes Ende. Die Dragons haben uns eine Mitteilung geschickt, die sie an die Presse geben wollten und wir haben sie freigegeben. Im Endeffekt ging dann aber ein ganz anderer Text an die Medien raus. Darin ging es um meine persönlichen Statistiken, die ich gefährdet gesehen haben soll. So war es aber nicht. Es hatte wirklich nur mit dem Coach zu tun.
SPOX: Anders als Richard Freudenberg haben Sie sich trotz guter Angebote gegen den Wechsel ans College entschieden. Warum?
Hartenstein: Am Anfang war das College schon ein Thema für mich, weil ich in den USA aufgewachsen bin. Für jedes Kleinkind, das Basketball spielt, ist das College eine Option. Für mich eben auch, doch im Laufe der Jahre habe ich gesehen, dass es für meine Entwicklung besser ist, in Europa zu spielen.
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SPOX: Mit Kostja Mushidi ging im vergangenen Sommer eine weitere deutsche Nachwuchshoffnung einen ähnlichen Weg wie Sie und wechselte ins Ausland zu Strasbourg IG. Ist Deutschland keine gute Heimat für Talente?
Hartenstein: Es ist schon besser geworden bei uns und immer mehr junge deutsche Spieler erhalten auch in den Ligen Spielzeit. Aber auch die Talente werden eben besser und besser. Wir haben mit Kostja, Richard und mir drei Spieler in einem Jahrgang, die später vermutlich entweder Euroleague oder NBA spielen können. Das gibt es auch nicht alle Tage. Jeder von uns hat einen unterschiedlichen, aber für sich richtigen Weg gewählt. Und wir hoffen natürlich, dass das Beste daraus wird.
SPOX: Wird es vielleicht zum Trend, dass die Top-Talente noch im Jugendalter aus Deutschland weggehen?
Hartenstein: Das hängt sicher auch damit zusammen, wie sich die Liga verändert. Wenn die BBL besser wird und junge Spieler auch die Option haben, zu spielen, kann ich mir vorstellen, dass in Zukunft auch wieder einige bleiben. Und die Pro A wird auch immer besser. Baunach ist ein gutes Beispiel. Die treten ausschließlich mit jungen Spielern an. Aber von solchen Projekten muss es mehr geben. Es ist auch denkbar, dass Talente in Zukunft weggehen, wenn wie sehen, wie die Entwicklung bei Richard, Kostja und mir geklappt hat.
SPOX: Im Januar traten Sie beim NBBL-All-Star-Game vor 4500 Zuschauern in Bamberg an, wenig später stiegen Sie in den Flieger nach Litauen zum Adidas Next Generation Tournament. Wie würden Sie die turbulenten Tage beschreiben?
Hartenstein: Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht, noch einmal mit den deutschen Jungs beim All-Star Game zu spielen. Letztes Jahr war ich schon dabei und es war beide Jahre eine tolle Erfahrung. Und der Wettbewerb beim Adidas Next Generation Tournament war ebenfalls ein besonderes Erlebnis. So direkt nacheinander war das schon etwas turbulent, ja. (lacht) Aber das erste Mal in der neuen Arena zu spielen und dann auch mit dem Nachwuchs-Team von Kaunas den Titel zu holen, das war schon klasse.
SPOX: Sie wirkten beim Turnier überhaupt nicht wie ein Fremdkörper im Team, sondern schienen gut integriert. Wie hat das so gut funktioniert - bei Spielen, in denen es richtig um etwas ging?
Hartenstein: Das war einfach. Sie haben mich sehr gut aufgenommen und ich kenne es schon von anderen Events, dass man sich schnell an seine Mitspieler gewöhnen muss. Beim Jordan Brand Classic zum Beispiel. Das gilt schließlich auch für die anderen Jungs im Team. Sie haben mich sehr unterstützt und haben auch sehr gut gespielt. Die erste Partie war nicht so stark, aber bis zum Finale wurde es immer besser. In Berlin werden wir noch besser sein.
SPOX: Sie sprechen von den Finals des Adidas Next Generation Tournament, die im Rahmen des Euroleague Final Four im Mai in Berlin ausgetragen werden. Mit Titelverteidiger Real Madrid und Mega Leks Belgrad wartet aber starke Konkurrenz...
Hartenstein: Klar, die anderen spielen auch gut und haben natürlich eine Chance, zu gewinnen. Aber wir haben sehr viele gute Talente dabei und ich werde mich immer mehr an die anderen Spieler gewöhnen. Daher kann es mit dem Titel klappen. Wir hoffen, dass es in Berlin so weitergeht wie zuletzt.
SPOX: Beim ANGT treffen Sie auch auf viele Spieler, die mit Ihren Nationen bei der U18-Europameisterschaft im August um den Titel kämpfen werden. Welche Erwartungen haben Sie und die deutsche Mannschaft an das Turnier?
Hartenstein: Auf dem Papier sieht man, dass wir ein talentiertes Team haben. Aber es wäre vermessen, davon jetzt irgendwelche Ziele abzuleiten. In so einem Turnier ist alles möglich und wir wollen versuchen, besser und besser zusammenzufinden. Natürlich träumt man immer von einer Medaille, aber wir müssen sehen wie es klappt. Die Titelkandidaten sind wohl eher Serbien, die Türkei, Litauen und Frankreich. Und wenn mein ehemaliger Teamkollege Roberts Blumbergs bei Lettland mitspielt, dann muss man die auch auf der Rechnung haben.
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SPOX: Sie haben auf Jugendebene immer körperliche Vorteile gehabt. Das wird auf Profi-Ebene in Kaunas anders sein. Was müssen Sie an Ihrem Spiel verändern, um sich durchzusetzen?
Hartenstein: Ich kann mich noch in allem verbessern. Körperlich kann man immer weiter entwickeln, man kann schneller und stärker werden. Bisher konnte ich im Training mit der ersten Mannschaft eigentlich ganz gut mithalten, aber man muss sehen wie es bei den Spielen wird. Da ist die Intensität ja nochmal eine ganz andere. Aber ich bin gespannt darauf und heiß auf die Herausforderung.
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