Paul Zipser ist eines der größten deutschen Basketball-Talente und macht sich berechtigte Hoffnungen, im Sommer in die NBA gedraftet zu werden. Im Interview spricht der Forward von Bayern München über seine Pläne, Mock Drafts und Vorbilder. Zudem blickt er auf die EuroBasket zurück und erklärt die Saison des FCBB.
SPOX: Paul, EM-Teilnahme mit der U16 und U18, MVP beim NBBL-Allstar-Game, 2014 Deutscher Meister, 2015 das erste Spiel für die A-Nationalmannschaft, 2016 BBL All Star - was läuft in Ihrem sportlichen Leben eigentlich nicht nach Plan?
Paul Zipser: (lacht) Ja, ich hatte schon ein paar Erfolge, aber es gab auch immer mal Schwierigkeiten. Zum Beispiel einige Verletzungen, die mich in den letzten drei Jahren zurückgeworfen haben. 2015 lief zwar einiges gut für mich, aber ich hatte auch eine Phase, in der ich nicht so gut gespielt habe. Wir haben mit dem Team ein paar Ziele nicht erreicht, unter anderem da wir viele Verletzte hatten. Vor allem die BBL-Finals, die wir gegen Bamberg verloren haben, waren bitter. Auch der Sommer mit der Nationalmannschaft war schwierig.
SPOX: Was war das Problem bei der EuroBasket für Sie?
Zipser: Da hatte ich mir eigentlich mehr vorgenommen und war mit meiner Leistung nicht zufrieden. Aber es war mein erster Sommer mit der Nationalmannschaft, daher ist es ok. Das DBB-Team und Bayern sind völlig verschieden. Ich war ganz anderes Training gewohnt, dazu waren es viele neue Leute und viele Dinge, die ich zum ersten Mal gemacht habe. Zum Beispiel, ein komplettes Jahr durchzuspielen. Das Spiel ist anders, die Coaches und Spielstile sind sehr unterschiedlich. Aber trotz der Belastung und der Umstellung hat es dann doch ganz gut funktioniert.
SPOX: Was unterscheidet Bayern-Coach Svetislav Pesic und Nationaltrainer Chris Fleming?
Zipser: Vor allem ihre Philosophien. Offensiv sind die Unterschiede gar nicht so ausgeprägt, da basiert viel auf Teamplay sowie schnellem und relativ freiem Spiel. Aber in der Defense sind es ganz andere Konzepte. Das ist schon eine Herausforderung. Und die gesamte Situation ist natürlich eine ganz andere. Wir hatten nur eine kurze Zeit, um uns einzuspielen und aufeinander abzustimmen. Daher standen wir fast den ganzen Tag in der Halle. Das hat man im Verein natürlich nicht.
SPOX: Verbinden Sie mit der EuroBasket rückblickend eher das Wort "Erfolg" oder das Wort "Enttäuschung"?
Zipser: Alles in allem war es schon eher eine Enttäuschung. Wir hatten vor, uns für die K.o.-Runde zu qualifizieren und das haben wir nicht geschafft. Trotz der Verletzungen, die uns in letzter Sekunde ereilt haben, hätten wir das mit unserem Kader schaffen können. Und was mich persönlich betrifft: Ich habe mich gefreut, dabei zu sein, aber ich wäre auch enttäuscht gewesen, wenn Chris Fleming mich nicht mitgenommen hätte. Mit meiner Leistung war ich im Großen und Ganzen auch zufrieden. Ich hatte eine größere Verantwortung, das war für meine Entwicklung sicherlich gut. Dazu das Trainingscamp, in dem ich viel an mir gearbeitet habe. Aber dennoch überwiegt die Enttäuschung, dass wir es als Team nicht geschafft haben.
SPOX: Sie haben in München 2013 einen Vierjahresvertrag unterschrieben - für Basketballer in Europa recht ungewöhnlich. Was hat Sie dazu bewogen?
Zipser: Ja, das stimmt. Für Profis ist das schon ein ziemlich langer Vertrag, aber bei mir war die Ausgangslage noch ein wenig anders. Einerseits war ich noch wirklich jung und musste viel, viel lernen, um in der Bundesliga mitzuhalten und mich in der Mannschaft zu etablieren. Das hätte ich nicht in ein oder zwei Jahren schaffen können. Und andererseits hatte ich von Beginn an vollstes Vertrauen in Bayern und Svetislav Pesic. Daher habe ich direkt für vier Jahre unterschrieben und ich bin nach wie vor froh, dass ich das gemacht habe.
SPOX: Befürchten Sie, dass der langfristige Vertrag eventuell als Bumerang zurückkommen könnte, wenn ein NBA-Team Sie im Juni draftet und dieses Jahr schon in die USA holen will?
Zipser: Ich weiß noch gar nicht, wie es im Sommer ablaufen wird. Aber den Vertrag bereue ich auf keinen Fall. Das ist der beste Schritt, den ich bisher in meiner noch jungen Karriere gemacht habe. Was den Draft angeht, da habe ich mir noch keine großen Gedanken gemacht. Ich muss ehrlich sagen, dass ich da auch nicht so richtig gut informiert bin. In den nächsten Monaten werde ich mich mal mit meinem Agenten zusammensetzen und mich informieren, was die genauen Regeln sind und wie das alles abläuft.
SPOX: Bei Bayern kommen Sie von der Bank, in den Staaten werden Sie als kommender NBA-Spieler gehandelt. Ist das für Sie persönlich nicht eine Diskrepanz?
Zipser: Nicht zwangsläufig. Im modernen Basketball spielt es keine große Rolle mehr, ob man startet oder von der Bank kommt. Und da die jungen europäischen Talente immer früher in die NBA gehen, sind sie in ihren Klubs oftmals noch keine Top-Spieler. Das war früher anders, aber heutzutage ist das normal. Wenn Dennis Schröder vor dem Sommer, in dem er gedraftet wurde bei Bayern gespielt hätte, wäre ich auch nicht sicher, ob er ein Starter gewesen wäre. Und ich bin mit meiner Rolle beim FCBB auch sehr zufrieden.
SPOX: Wissen Sie, wo Sie im Mock Draft beim renommierten Portal Draftexpress derzeit stehen?
Zipser: Ja, schon. Irgendwo am Ende der ersten Runde, glaube ich. Da werde ich immer mal wieder drauf angesprochen - übrigens auch von vielen Journalisten. (lacht) Daher weiß ich das und muss zwangsläufig drüber reden. Aber es gibt ja verschiedene Portale und verschiedene Zahlen. Darüber zerbreche ich mir jedoch jetzt nicht den Kopf.
SPOX: Was könnte ein Scout eines NBA-Teams in Ihnen sehen? Was für einen Spieler würde ein Team bekommen, wenn es Sie draften würde?
Zipser: Einen athletischen Spieler, der Defense spielt und einen guten Wurf hat. Es fällt einem immer ein bisschen schwer, über die eigenen Stärken zu sprechen. Aber ich würde mich als Flügel-Allrounder bezeichnen.
SPOX: Gibt es einen Akteur, zu dem Sie in Ihrem Spiel Parallelen sehen oder jemandem, dem Sie nacheifern?
Zipser: Einen konkreten Spieler gibt es da momentan nicht, aber es gibt auf meiner Position einige, die ich bewundernswert finde. Unter anderem Kawhi Leonard. Ich habe seinen Werdegang ein wenig verfolgt und versuche, mir vieles von ihm abzugucken. Klay Thompson ist auch so ein Beispiel. Das sind natürlich zwei völlig verschiedene Spielertypen, aber es gibt eben auch keinen Spieler als Vorbild, von dem ich sage: "Der ist genau wie ich."
SPOX: Nehmen wir mal an, Sie werden gedraftet. Was wäre Ihre Präferenz: noch ein oder zwei Jahre München oder direkt in die USA?
Zipser: Das weiß ich noch überhaupt nicht. Ich habe keine Ahnung, wie die Teams das handhaben und das kommt sicherlich auch darauf an, welches Team mich denn draften würde. Also da können wir dann später nochmal drüber reden. (lacht)
SPOX: Gehen wir vom großen Traum noch einmal zurück zu den Anfängen: Wer hat Sie in Ihrer bisherigen Karriere am meisten geprägt? Und von wem haben Sie am meisten gelernt?
Zipser: Ich hatte viele verschiedene Jugendtrainer, auch damals in Heidelberg am Basketball-College. Alexander Schönhals ist wohl der, mit dem ich am meisten gearbeitet habe. Von meinen Anfängen bis zur Pro A. Und auch im Sommer immer, also über die Saison hinaus. Und bei den Bayern natürlich Svetislav Pesic, das war ja meine erste Station bei den Profis. Und ja, man kann sagen, er hat mich auch schon geprägt. (lacht) Ich komme wirklich gut mit ihm klar und ich kann noch eine ganze Menge von ihm lernen.
SPOX: Haben Sie das Gefühl, dass die Spieler das Konzept von Pesic verstehen und er sie mit seiner doch manchmal irritierenden Art erreicht?
Zipser: Ich bin nicht irritiert. Die Spieler wissen immer genau, was er von ihnen will. Wie gut sie es umsetzen können, das liegt natürlich an den jeweiligen Qualitäten der Spieler. Aber die Kommunikation ist gut und es kommt immer klar rüber, was von einem erwartet wird.
SPOX: In der BBL hat sich Bayern nach anfänglichen Schwierigkeiten gefangen. Warum klappt es jetzt besser?
Zipser: Wir hatten letztes Jahr einen Zeitraum, in dem wir nicht so gespielt haben, wie wir uns das vorstellen. Auch dieses Jahr gab es wieder eine kurze, intensive Phase mit fünf Niederlagen in Folge. Da haben wir echt schlecht gespielt. Aber seit dem Spiel in Belgrad, also dem Aus in der Euroleague, spielen wir als Team wirklich gut zusammen. Defense wie Offense. Das zeichnet uns auch aus, dass wir uns wieder gefangen und uns davon erholt haben.
SPOX: Was war der Knackpunkt, der dem Team wieder neuen Auftrieb und Motivation gegeben hat?
Zipser: Turning Point war wohl das Spiel in Bremerhaven, das wir nach Rückstand in einem Krimi noch gewonnen haben. Da haben wir auch schlecht gespielt, aber eben doch gewonnen. Das hat uns Selbstvertrauen und einen Schub nach vorne gegeben. Es war ja nicht so, dass es ein oder zwei Dinge gegeben hätte, die man als unsere Fehler ausmachen konnte. Wir wussten einfach nicht, was schief läuft. Daher war es auch schwer, aus dem Tief wieder rauszukommen. Alle waren etwas gehemmt und versteift, vor allem hinten in der Verteidigung. Da stimmte beispielsweise die Pick-and-Roll-Defense überhaupt nicht. Aber nach Bremerhaven ging es wieder aufwärts.
SPOX: Wurden die Ziele nach dem Aus in der Euroleague neu definiert?
Zipser: Na klar, das mussten wir zwangsläufig. Wir wollen den Eurocup gewinnen, das muss international jetzt die Vorgabe sein. Auch wenn die Konkurrenz dieses Jahr richtig stark ist und wir mit Alba Berlin schon im Achtelfinale einen guten Gegner haben. Aber unsere erste Priorität ist es natürlich nach wie vor, deutscher Meister zu werden und uns den Titel zurückzuholen.
Paul Zipser im Steckbrief