Aus der Local-Hero-Nische zum Leistungsträger: Karsten Tadda erlebt bei den Brose Baskets Bamberg und beim DBB-Team einen unerwarteten Aufstieg. Warum er dennoch froh ist, kein Supertalent zu sein. Und was er an Gegner Alba Berlin (Fr., 15 Uhr im LIVE-TICKER) bewundert.
SPOX: Herr Tadda, Ihr neuer Coach Andrea Trinchieri ist ein Ausbund an Emotionalität. Nach der Eurocup-Niederlage gegen Straßburg war er so erbost, dass er das Team mit einer U12-Mannschaft verglich. Doch wenige Tage darauf, nach einem anfangs holprigen Pflichtspielsieg gegen den BBL-Letzten Crailsheim, nahm er die Rolle des Seelsorgers ein: "Meine Spieler sind sensibel und ich werde zukünftig mehr auf die Befindlichkeiten eingehen." Was sagt das über Trinchieri aus?
Karsten Tadda: Der Coach verfügt über ein sehr großes Basketball-Verständnis und er geht tief in die Details. Er erwartet von uns, dass wir alles perfekt umsetzen, was er vorgibt. Daher kann es hier und da lauter werden - und wenn ein Spieler speziell einen Einlauf bekommt, bauen wir ihn als Mannschaft wieder auf. Es ist normal für einen Trainer mit einem so hohen Anspruch, dass er uns in den Arsch tritt. Das Positive: Er übt nicht permanent Druck aus. Er weiß ziemlich genau, wann er uns wie unterstützen muss.
SPOX: Bamberg erreichte vorzeitig die Eurocup-Zwischenrunde und weist die zweitbeste Bilanz der BBL auf. Wobei es angesichts inkonstanter Auftritte schwerfällt, die Leistungsstärke der Brose Baskets einzuschätzen. Wie gut ist Bamberg?
Tadda: Was wir jetzt schon wissen: Wir verfügen über ein großes Potenzial. Im Kader gibt es eine gute Mischung aus Athletik und Spielwitz, dazu stimmt die Chemie. Wir haben Individualisten, die sich selbst Würfe kreiieren können und gleichzeitig im Mannschaftsverbund funktionieren. Wir lassen als Kollektiv den Ball gut laufen und verteidigen hart. Was man allerdings erkennen kann: Wir sind noch jung und uns unterlaufen gelegentlich vermeidbare Fehler. Dennoch ist die Entwicklung seit dem Saisonstart klar zu erkennen und wir müssen uns vor keinem verstecken, auch nicht vor Berlin und den Bayern.
SPOX: Wäre man womöglich auf Augenhöhe mit Berlin, wenn sich der designierte Go-to-Guy Carlon Brown, den viele schon als zukünftigen MVP ausmachten, nicht so schwer verletzt hätte?
Tadda: Carlon ist ein super Charakter, der über unglaubliche Offensiv-Qualitäten verfügt. Daher ist sein Ausfall natürlich ein großer Verlust. Andererseits hat es uns als Mannschaft noch enger zusammengeschweißt, weil wir jetzt erst recht wissen, dass wir nur als Gruppe erfolgreich sein können. Für Carlon kam mit Josh Shipp ein anderer Spielertypus, der nicht ganz so athletisch ist und etwas Zeit braucht. Aber er wird - wie wir alle - von Spiel zu Spiel immer besser.
SPOX: Sie selbst stehen mehr in der Verantwortung denn je: Als Co-Captain sind Sie zusammen mit Brad Wanamaker der Leader in Bamberg. Waren Sie überrascht von der Beförderung?
Tadda: Ich bin ein Alteingesessener und wir sind als Mannschaft so jung, dass ich mit 26 zu den Ältesten zähle, daher war die Entscheidung vielleicht naheliegend. Zumal ich in den letzten Jahren vieles mitgemacht habe, angefangen von den Meisterschaften und Pokalsiegen bis hin zu den Euroleague-Abenden. Jetzt kann ich das zurückgeben, was ich die Jahre über gelernt habe.
SPOX: Dabei standen Sie im Sommer kurz vor einem Weggang. Wohin?
Tadda: Ich hatte mich mit dem Ausland nicht beschäftigt, daher kam nur ein Wechsel innerhalb Deutschlands in Frage. Ich bin im Nachhinein froh, dass die Zeiten Gott sei Dank vorbei sind, dass ich mir Gedanken gemacht und mit einem Weggang geliebäugelt habe.
SPOX: Ihnen drohte das Schicksal wie so vielen zuvor, die sich beim Heimatklub nicht aus der Nische des Local Hero befreien können.
Tadda: Es stimmt, es ist schwierig und gefährlich, im gemachten Nest zu bleiben. Es bestand das Risiko der Stagnation, deswegen gingen mir viele Überlegungen durch den Kopf. Aber diese Saison, mit dem neuen Coach, erhalte ich die Möglichkeit, mich extrem nach vorne zu entwickeln. Vor allem offensiv. Wenn ich weiter so spiele, stehen mir noch einige Türen offen.
SPOX: Sie galten lange als eindimensionaler Verteidigungsspezialist, der im Angriff irrelevant ist. Seit dieser Saison fallen Sie als Scorer wesentlich häufiger auf. Sie ziehen mutig zum Korb und treffen in der BBL und im anspruchsvollen Eurocup 50 Prozent der Dreier. Woher kommt das?
Tadda: Was viele vergessen: In der Jugend und in der ProB für Breitengüßbach war ich sehr oft in der Offensive eingebunden und machte viele Punkte. In den letzten Jahren in Bamberg wurde es jedoch immer schwieriger, weil für andere Spieler die Plays gelaufen wurden. Das ist diese Saison eigentlich nicht anders, nur ich nehme die offenen Würfe mit viel mehr Selbstvertrauen und treffe entsprechend. Was wiederum zur Folge hat, dass mein Verteidiger mich enger decken muss, so dass ich leichter zum Korb gehen und direkt am Brett finishen kann. Das alles war bei mir schon immer vorhanden, nur in der Vergangenheit konnte ich das nicht so zeigen. Jetzt weiß ich wieder, welche Offensivqualitäten ich besitze.
SPOX: Ist es derart einfach? Mehr Selbstvertrauen gleich mehr Punkte?
Tadda: In der vergangenen Saison bekam ich ebenfalls offene Würfe, sie gingen einfach nicht rein. Was danach extrem half, war der Sommer mit der Nationalmannschaft.
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SPOX: Sie waren einer der wenigen Gewinner einer am Ende geglückten, trotzdem enttäuschenden EM-Qualifikationsrunde. Man hatte den Eindruck, dass Sie unbedingt die Chance nutzen wollten, die sich durch das anfängliche Fehlen der Summer-League-Teilnehmer ergab.
Tadda: Ich will niemandem einen Vorwurf machen, ganz im Gegenteil. Jeder muss seine Karrierechancen wahrnehmen und alles versuchen, um sich den Traum von der NBA zu verwirklichen. Das hatte für mich den positiven Effekt, dass ich in der ersten Phase der Vorbereitung viel mehr im Fokus der Trainer stand und das Augenmerk nicht auf die Summer-League-Spieler gerichtet war. Ich konnte mich dabei offenbar anbieten und ich nahm den Schwung mit in die EM-Quali.
SPOX: Nun übernimmt Ihr Ex-Trainer Chris Fleiming das DBB-Team. Sehen Sie dem zwiespältig entgegen, weil Sie unter ihm deutlich weniger Spielzeit hatten als unter Trinchieri?
Tadda: Ganz und gar nicht, ich freue mich eher. Ich würde Chris nie etwas vorwerfen, geschweige denn ihn als schlechten Trainer bezeichnen. Ganz im Gegenteil: Chris ist ein Coach, der gut mit deutschen Spielern arbeiten kann. Ich bin überzeugt, dass wir einen guten EM-Sommer 2015 haben werden.
SPOX: Nach den vergangenen Misserfolgen der Nationalmannschaft gibt es gewisse Spannungen. Man hat das Gefühl, dass sich die Spieler von der Öffentlichkeit missverstanden fühlen. Bastian Doreths deftige Twitter-Replik auf Frank Buschmanns Kritik steht stellvertretend dafür. Doreth schrieb: "Du bist ein unfassbarer Selbstdarsteller!" Wie sehen Sie das?
Tadda: Ich verstehe beide Seiten. Die Erwartungen waren viel größer, auch von uns selbst. Wir wollten uns eigentlich als Erster souverän für die EM qualifizieren und nicht so zittern. Wegen dem verspäteten Einstieg der Summer-League-Teilnehmer hatten wir allerdings Probleme, uns als Mannschaft zu finden. Da hätten wir uns von der Öffentlichkeit mehr Verständnis gewünscht. Dass dann aus der Enttäuschung heraus Frustaktionen entstehen, ist nachvollziehbar. Basti und Buschi haben jetzt alles geklärt und der Streit ist vom Tisch, Kapitel beendet.
SPOX: Womöglich wäre die EM-Quali missglückt, wenn Dennis Schröder in seinem ersten Nationalmannschafts-Sommer nicht derart überzeugt hätte. Sie haben ihn im Training häufig verteidigt: Wie gut ist er?
Tadda: Seine Schnelligkeit ist wirklich erstaunlich und er besitzt sehr viele Waffen. Er spielt nicht umsonst in der NBA und legt richtig starke Zahlen auf. Aber mir ist dabei wichtig zu sagen, dass ich ihn im Training häufig sehr gut verteidigt habe. (lacht)
SPOX: Anders als Schröder oder aus Ihrer Generation Robin Benzing, Lucca Staiger und Nicolai Simon gehörten Sie nie zu den Supertalenten des deutschen Basketballs. Hätten Sie sich das gewünscht?
Tadda: Nein, ich sehe es sogar als Vorteil, dass ich nie zu den Supertalenten gezählt habe. Ich konnte mich so in Ruhe verbessern, ohne die großen Erwartungen zu spüren. Daher war ich nie einem Druck ausgeliefert und lief Schritt für Schritt durch das Bamberger Jugendkonzept, bis ich bereit war für die Profis.
SPOX: Ist Ihnen daher der Weg von Alba Berlin sympathisch? Mit Akeem Vargas, Alex King und Jonas Wohlfahrt-Bottermann sind Nationalspieler im Kader, die früher ebenfalls in der zweiten Reihe standen.
Tadda: Na klar! Alba ist zwar ein Konkurrent, trotzdem kann man vor Ihrem Konzept den Hut ziehen. Berlin spielt sehr stark, sowohl defensiv als auch offensiv, und man merkt ihnen an, dass sie eine Einheit sind. Es hat Coach Sasa Obradovic schon immer ausgezeichnet, dass er eine Mannschaft formen kann und dabei den deutschen Spielern viele Anteile verschafft. Ich bin sicher, dass sie weiter erfolgreich bleiben.
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Karsten Tadda im Steckbrief