Ohne Benzing geht es nicht

Philipp Dornhegge
29. August 201320:38
Robin Benzing verpasste aufgrund seiner Knieprobleme große Teile der bisherigen EM-Vorbereitunggetty
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Deutschland hat das Vierländerturnier in Straßburg mit Niederlagen gegen Frankreich und Griechenland, aber auch einem Sieg über Kroatien beendet. Vor den anstehenden Tests gegen Spanien und Schweden sowie dem Supercup schätzt SPOX die Lage rund um das DBB-Team ein. Wie gut ist das Team von Frank Menz drauf, und wer darf letztlich mit zur EM nach Slowenien?

Für den Ernstfall gerüstet: Nach zwei Niederlagen in zwei Tagen war der DBB nur einen Tag später schon wieder gefordert - und gab gegen Kroatien die richtige Antwort: "Bei der EM kann es auch sein, dass wir ein Spiel deutlich verlieren und dann am nächsten Tag gewinnen müssen, daher hilft uns das sehr", sagte Trainer Frank Menz über den erfreulichen 73:63-Sieg beim Abschluss des Vierländerturniers in Straßburg.

Menz ließ, nachdem er zuvor viel getestet hatte, mit einer kleineren Rotation spielen, "weil ich den Ernstfall proben wollte." Vor allem das Inside-Out-Spiel funktionierte gut: Tibor Pleiß (14 Punkte) oder Backup Maik Zirbes (12) überzeugten als Anker in der Mitte, Heiko Schaffartzik (21, 7 Dreier) traf sicher von außen.

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Das deutsche Team zeigte, dass es gewillt ist, zu kämpfen und trotz des Fehlens namhafter Spieler (Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, Tim Ohlbrecht, Elias Harris, Chris Kaman) gegen viele Gegner mithalten kann. Davon gern mehr in Slowenien.

Ohne Benzing geht's nicht: Bayern-Profi Robin Benzing (Knie) verpasste das komplette Vierländerturnier, weil er noch nicht lang genug im Training ist. Benzing selbst konnte die Entscheidung schon beim ersten Spiel gegen Frankreich nicht nachvollziehen: "Mein Rückstand ist nicht mehr der Rede wert!"

Dennoch ging Menz auf Nummer sicher, und das wohl zurecht. Denn in Straßburg zeigte sich, dass der DBB vor allem auf der Small-Forward-Position ohne Elias Harris (Fokus auf die NBA-Karriere) und den an einer Fußverletzung laborierenden Patrick Heckmann (Boston College) dünn besetzt ist.

Umso wichtiger ist es, dass Benzing zur EM voll da ist. Der Münchner konnte das vermeintliche NBA-Talent, das ihm noch vor einigen Jahren bescheinigt wurde, nie nachweisen. Für die deutsche Nationalmannschaft ist er dennoch ein zentraler Spieler.

Mit Small Ball zum Erfolg? Für Alex King ist es derzeit ein toller Sommer. Der gebürtige Franke verkündete Anfang Juli seinen Wechsel zu Alba Berlin und hat damit über den damaligen Drittligisten Bayern München, Frankfurt, Bonn und Würzburg den Sprung in eine Weltstadt geschafft und zu einem Verein, der zwar im Umbruch ist, aber international großes Renommee genießt.

Beim DBB könnte er zu einem wichtigen Faktor werden. In Straßburg startete er in jedem Spiel auf der Vier, bekam gegen Frankreich die meisten Minuten aller Akteure und überzeugte gegen Kroatien mit seinem Distanzwurf (2 Dreier). Mit 2,01m ist King vielleicht etwas zu klein, um bei der EM gegen Brecher wie Pero Antic (Mazedonien) unter den Körben zu bestehen.

Dafür zieht er in der Offensive - wenn sich Kings Fähigkeiten von außen rumgesprochen haben - den gegnerischen Power Forward aus der Zone und schafft so Freiräume für Penetration, Pick'n'Rolls und Post-Ups von Tibor Pleiß.

Man kann nur hoffen, dass die Erfolge des 28-Jährigen aus der Distanz nicht nur ein Strohfeuer waren. In der letzten BBL-Saison traf King lediglich 30,8 Prozent seiner Dreier.

In Heiko we trust: Der Spruch hat mittlerweile einen Bart, gilt aber immer noch uneingeschränkt. Schaffartzik ist nicht nur Kapitän des DBB, der 29-Jährige ist auch auf dem Parkett der konstanteste Akteur der Mannschaft.

Als einziger Spieler punktete der Spielmacher bei der Klatsche gegen Griechenland zweistellig und ist ohne Wenn und Aber der gefährlichste Schütze aus der Distanz. Zudem ist Schaffartzik, so lange Dennis Schröder nicht dabei ist, nach wie vor der einzige Spieler, der dem deutschen Spiel Flair und das gewisse Etwas verleihen kann.

Mit zunehmender Erfahrung hat sich Schaffartzik immer mehr zum Leader entwickelt und zieht im Spielaufbau inzwischen souveräner die Fäden, als es Steffen Hamann jemals gelungen ist.

Dont't trust Lucca Staiger: Gibt es im deutschen Nationalteam einen frustrierenderen Spieler als Lucca Staiger? Der Junge hat so viel Talent, stellt das aber viel zu selten unter Beweis.

Wer den Fehler machte, nach seiner tollen Leistung gegen Frankreich, als er fünf Dreier in den Korb nagelte (15 Punkte) und 2 Steals verbuchte, in Euphorie zu verfallen, der wurde gleich in den kommenden beiden Spielen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Der Neuzugang der Bayern brachte gegen Griechenland und Kroatien insgesamt nur noch 5 Punkte zustande. Staiger kann eine Scoring-Maschine sein, das hat er mit zehn Dreiern in einem Spiel am College bewiesen. Gleichzeitig ist er aber viel zu unkonstant, sein Selbstvertrauen kommt und geht.

Genau wie sein Einsatz in der Defense. Staiger ist kein untalentierter Verteidiger, aber oft zu unkonzentriert und taktisch häufig zu naiv für das allerhöchste Niveau. An guten Tagen kann er dem DBB fast allein einen Sieg bescheren. An schlechten die gesamte Mannschaft ins Verderben stürzen.

Mehr Variabilität unter Menz: Für die Fans des DBB waren die letzten Bauermann-Jahre weitgehend frustrierend. Die Offense war meist statisch und ideenlos, die hochgehandelte Defense angesichts des geringen Spieltempos überschätzt.

Erst unter Pesic gelang ein leichter Umbruch, es wurden jüngere Spieler integriert, die dem deutschen Spiel mehr Abwechslung, mehr Kreativität und schnellere Beine verleihen. Menz führt Pesic' Ansatz konsequent fort und setzt auf besseres Ball Movement, um den Gegner mit dem Pass auszuhebeln.

Und er probiert gerade im Vorfeld der EM viel aus. Schaffartzik, King und Pleiß waren die großen Konstanten im deutschen Spiel, ansonsten fanden sich in Straßburg Per Günther, Karsten Tadda, Lucca Staiger und Niels Giffey abwechselnd in der Starting Five wieder.

Der Ulmer Günther bringt sein Ballhandling und seine Übersicht ein, Tadda seine giftige Defense, Staiger seinen Wurf und Giffey seine langen Arme, seine Athletik und seine Vielseitigkeit. Der DBB hat Möglichkeiten, sich je nach Gegner aufzustellen und in der Defense je nach Bedarf auf den Flügeln oder im Spielaufbau Druck zu machen.

So kann man nach prominenten Absagen aus der Not eine Tugend machen.

Wer darf mit nach Slowenien? Erst 48 Stunden vor Turnierbeginn muss Menz seinen Zwölf-Mann-Kader bekannt geben, doch schon jetzt zeichnen sich einige Tendenzen ab.

Drei Plätze in der Starting Five sind an Schaffartzik, King und Pleiß vergeben, die oben erwähnten Günther, Tadda, Staiger und Giffey dürften ihre Plätze sicher haben. Genauso wie Center Maik Zirbes, der als Pleiß-Backup durchaus überzeugen konnte (22 Punkte in drei Spielen).

Mit Bastian Doreth wird wohl ein dritter Aufbauspieler mitfahren, Robin Benzing soll wieder zum Team stoßen. Damit streiten sich Nicolai Simon, Johannes Lischka, Andreas Seiferth und Philip Zwiener um die letzten beiden Tickets, je nach Gesundheitsstand könnte auch Heckmann wieder eine Option sein.

Spielmacher Simon dürfte fast sicher außen vor sein, zumal der Bayreuther die letzten beiden Spiele verpasste (Muskelverhärtung). Auch Zwiener, einer der konstantesten deutschen BBL-Scorer der letzten Jahre, könnte angesichts des Benzing-Comebacks in die Röhre schauen.

Trotz seiner insgesamt 17 Punkte in Straßburg. Auf den großen Positionen herrscht dagegen Bedarf, und sowohl Seiferth als auch Lischka konnten in ihren wenigen Minuten in Straßburg zumindest ein bisschen was zeigen.

In den Tests gegen Spanien und Schweden sowie beim Supercup geht es speziell für Seiferth, Lischka und Zwiener also um die Wurst. Besonders gesetzt den Fall, dass Philipp Neumann seine Achillessehnenprobleme rechtzeitig auskuriert. So könnte der DBB-Kader aussehen:

Point Guards: Heiko Schaffartzik, Per Günther, Bastian Doreth

Shooting Guards: Lucca Staiger, Karsten Tadda

Small Forward: Robin Benzing, Niels Giffey

Power Forwards: Alex King, Johannes Lischka

Center: Tibor Pleiß, Maik Zirbes, Andreas Seiferth

Der EM-Spielplan in der Übersicht