Er ist Deutschlands bestgehütetes Basketball-Geheimnis - und steht an einem Scheideweg. Maodo Lo über die abgelaufene College-Saison, Pläne mit der Nationalmannschaft und Treffen mit Dennis Schröder. Außerdem: Seine Experten-Einschätzung zu den Kentucky Wildcats.
SPOX: Herr Lo, Sie haben seit einigen Tagen Ihre dritte Saison am College hinter sich. Obwohl Sie selbst eine überragende Saison gespielt haben und Topscorer der Ivy League wurden, hat es für Columbia nicht für das NCAA-Tournament gereicht. Bleibt am Ende eher ein positives oder ein negatives Fazit hängen?
Maodo Lo: Die Enttäuschung überwiegt schon. Letzte Saison hatten wir die Playoffs erreicht, das war in dieser Saison natürlich auch das Ziel, und wir haben es verpasst. Wir hatten leider auch ziemlich viele Verletzungen. Wenn wir vollzählig waren, hat man dann gesehen, dass wir auch mit den größeren Teams mithalten können - und die Chance auf die Playoffs bestand trotz allem lange. Das ist zumindest ein Teilerfolg. Aber wir wissen dadurch auch, dass die ganze Saison komplett anders gelaufen wäre, wenn alle Spieler fit gewesen wären.
SPOX: Gleichzeitig müssen Sie mit den eigenen Leistungen recht zufrieden sein, oder? Mit 35 Punkten gegen die Brown University sowie 37 gegen Princeton legten Sie binnen weniger Wochen mehrere Career Highs auf. Können Sie diese Spiele beschreiben?
Lo: Das sind Spiele, die mir auf jeden Fall in Erinnerung bleiben. Vor allem die Partie gegen Brown, weil wir diese auch gewinnen konnten und als Team richtig stark gespielt haben. Daran erinnere ich mich gerne zurück, das war ein tolles Gefühl. Gegen Princeton haben wir ja leider knapp verloren.
SPOX: Auch gegen Kentucky haben Sie persönlich mit 16 Punkten eine gute Leistung gezeigt, trotzdem ging das Spiel mit 56:46 an die Wildcats. Das Team erfährt derzeit so viel Hype - ganz ehrlich, sind sie überhaupt zu schlagen?
Lo: Sie sind ein überragendes Team, da gibt es keine zwei Meinungen. Die Bilanz spricht für sich. Gleichzeitig denke ich aber auch, dass sie nicht unschlagbar sind. Auch wir hatten zur Halbzeit noch gegen sie geführt. Sie haben uns nach der Pause dann sehr stark verteidigt und bei nur 21 Punkten gehalten, sodass es nicht gereicht hat. Aber die Partie hat mir gezeigt, dass man sie schlagen kann, wenn man den richtigen Game-Plan hat und ihn perfekt durchzieht.
SPOX: Sie haben jetzt Ihr drittes Jahr hinter sich - 2016 würde der Abschluss winken. Ziehen Sie das letzte Jahr noch durch?
Lo: Ein Abschluss an der Columbia ist sehr wertvoll und Basketball kann man nicht ewig spielen. Bevor ich eine endgültige Entscheidung treffe, wo es hingeht, ob Uni, NBA oder Europa, werde ich mich aber auf jeden Fall noch mal mit meinem Trainer zusammensetzen und mit ihm sprechen. Das bin ich ihm und dem Programm schuldig, und das wäre auch fair.
SPOX: Wenn Sie das Jahr noch am College durchziehen, würden Sie danach automatisch zum Draft angemeldet werden. Wo sehen Sie sich persönlich denn eher in der Zukunft - geht es zurück nach Deutschland, oder wollen Sie Ihr Glück in den USA versuchen?
Lo: Ich kann noch kein Urteil abgeben, ob die NBA klappen kann oder wird. Da spielen viele Faktoren eine Rolle und Glück gehört sicherlich auch noch mit dazu. Mein Ziel ist es, mit der Mannschaft so erfolgreich wie möglich zu spielen und zu schauen, wie weit man gemeinsam gehen kann.
SPOX: Bevor diese Entscheidungen für Sie anstehen, ist im kommenden Sommer die EuroBasket im eigenen Land ein Thema. Im Sommer 2014 tauchten sie überraschend in der Nationalmannschaft auf - zumindest für einen Großteil der Öffentlichkeit. Kam die Nominierung für Sie persönlich auch überraschend?
Lo: Mich hat das persönlich auch überrascht. Ich war ja zuerst für die A2 nominiert worden, deswegen wusste ich, dass eine theoretische Chance besteht. Ich hatte trotzdem nicht damit gerechnet, dass der Anruf kommt - das war eine sehr positive Überraschung, und auch eine tolle Erfahrung, von der ich sehr profitiert habe.
SPOX: Wie wurden Sie im Mannschaftskreis aufgenommen? Sie hatten ja keine Erfahrung in den Jugend-Nationalmannschaften gesammelt.
Lo: Das stimmt, ich bin zudem früh in die USA gegangen und kannte daher nicht viele der anderen. Aber die Situation war im letzten Sommer ja auch eine besondere. Viele etablierte Spieler waren lange Zeit gar nicht dabei, weil sie zum Beispiel in der Summer League spielten. Daher waren neben mir noch einige andere Debütanten dabei, denen es ähnlich ging wie mir. Das hat die Lage ziemlich entspannt. Die Trainer haben außerdem einen guten Job gemacht, die Neuen zu integrieren und mit den bekannteren Spielern zusammenzubringen.
SPOX: Für den Kader zur EM-Quali hat es dann nicht ganz gereicht. Rechnen Sie nun mit einer Nominierung für die EuroBasketb? Chris Fleming war ja kürzlich bei seiner USA-Tour auch bei Ihnen...
Lo: Ich war sehr froh, dass er mich besucht hat. Es ging aber in erster Linie darum, dass er sich bei mir vorstellen wollte. Wir haben über meine Erfahrungen im letzten Sommer gesprochen und darüber, wie der kommende Sommer aussehen wird - sowohl bei mir, als auch bei der Nationalmannschaft und der A2. So sind wir auch erstmal verblieben.
SPOX: Dann gab es wegen der EuroBasket noch keine Tendenz?
Lo: Nein, es ist ja noch sehr früh. Er ist ja selbst auch noch nicht so lange Bundestrainer und wird sich noch seine Gedanken machen müssen, wie genau die Mannschaft dann aussehen wird. Er hat mir aber klar gemacht, dass er mich auf dem Zettel hat.
SPOX: Fleming äußerte kürzlich, Sie hätten viel Talent und würden in den nächsten Jahren zu den prägenden Gesichtern der Nationalmannschaft gehören, müssten aber noch mutiger werden. Was sagen Sie zu dieser Aussage?
Lo: Ich stimme der Aussage durchaus zu, sie kommt ja bei ihm auch nicht von ungefähr. Ich bin immer noch dabei, mir eine aggressivere Spielweise zuzulegen. Selbstbewusstsein ist alles im Basketball, und das will ich noch weiter etablieren. Da helfen Spiele mit 37 Punkten natürlich weiter. (lacht) Fleming hat auch mit mir darüber gesprochen, als er hier war, und mich dadurch noch zusätzlich motiviert. Mutiger zu werden, ist ein wichtiges Ziel für die Zukunft.
SPOX: War das auch gemeint, als Sie vor einigen Monaten gegenüber BIG sagten, Sie seien noch nicht böse genug?
Lo: Ja, zumindest teilweise. Ich bin ein Teamplayer und spiele gerne für die Mannschaft, manchmal tue ich das aber vielleicht noch zu viel. Ich kann noch besser darin werden, die Balance zwischen dem eigenen Abschluss und dem Auflegen für andere zu finden. Manchmal muss ich egoistischer sein.
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SPOX: Auf welchem Stand sehen Sie sich mittlerweile denn? Was sind Ihre Stärken, was sind Bereiche, an denen Sie noch Arbeit vor sich haben?
Lo: Generell bin ich eigentlich recht zufrieden mit der Entwicklung, die ich hier in New York genommen habe. Durch das Spielen gegen die besten Talente habe ich extrem viel gelernt. Bereiche, in denen ich mich noch weiterentwickeln kann, sind in jedem Fall die Defense, vor allem im Team-Verbund, und das Spielverständnis in der Offense.
SPOX: Gibt es da Spieler, bei denen Sie sagen: Das will ich auch so spielen können? Zu denen Sie aufschauen?
Lo: Um ehrlich zu sein, hat mich Heiko Schaffartzik im letzten Sommer sehr beeindruckt. Er ist ein sehr selbstbewusster Typ, der sich jeden Wurf zutraut, egal wie wichtig er ist. Mir hat aber vor allem seine Übersicht imponiert. Er spielt teilweise Pässe, die dich komplett aus der Reserve locken. Da hat er einfach ein richtig gutes Händchen, das will ich mir auch aneignen.
SPOX: Und was ist mit Dennis Schröder? Seine Entwicklung in dieser Saison kann Sie ja nur freuen, selbst wenn zwischen Ihnen eine Konkurrenzsituation besteht.
Lo: Dennis und ich haben ein richtig gutes Verhältnis. Wir haben uns ja erst letzten Sommer kennengelernt, seitdem halten wir aber Kontakt. Wir schreiben uns regelmäßig, und wenn er in New York zu Gast ist, treffen wir uns auch. Ich kann mir bei ihm außerdem einiges abgucken - wie er attackiert, in die Zone zieht und Kontakt absorbieren kann. Es macht richtig Spaß, seine Saison bei den Hawks aus der Ferne zu verfolgen. Ich kann viel von ihm lernen.
SPOX: Schröder wechselte aus der BBL in die NBA, Sie dagegen gingen einen anderen Weg und zogen direkt nach dem Abitur nach Amerika. Was hat Sie damals zu der Entscheidung bewegt?
Lo: Das hatte bei mir zwei Gründe. Einerseits wollte ich unbedingt Basketball spielen, andererseits aber auch studieren. Da gibt es in den USA ganz andere Möglichkeiten, beides zu kombinieren - und das hatte ich bereits mit 18 im Hinterkopf.
SPOX: Also gingen Sie zunächst an eine Prep School in der Nähe von Boston. Gab es da einen Kulturschock? Für einen Berliner Jung dürfte Massachusetts ja durchaus provinziell wirken...
Lo: Ja, den gab es auf jeden Fall! Wie Sie schon sagen, ist das mit Berlin einfach nicht vergleichbar gewesen. Und die amerikanische Kultur kannte ich bis dahin auch noch überhaupt nicht. Das hat schon seine zwei Monate gedauert, bis ich mich daran gewöhnt hatte.
SPOX: Gab es diesen Kulturschock auch auf dem Court?
Lo: Das kann man schon so sagen. Das Spiel in Amerika ist einfach ein ganz anderes. Viel athletischer, viel schneller, außerdem steht das Eins-gegen-Eins mehr im Vordergrund. Es heißt ja immer wieder, dass im europäischen Basketball mehr aufs Team geachtet wird, während in den amerikanischen Schulen das Individuum zählt. Das kann ich bestätigen, da ich beides kennengelernt habe. Beim Schulbasketball hier wird zum Beispiel kaum Team-Defense gespielt, Rotationen sind nicht wirklich vorhanden - deswegen musste ich am Anfang sehr an meiner Individualdefense arbeiten.
SPOX: Obwohl es Anlaufschwierigkeiten gab, konnten Sie Ihr Ziel erreichen und sich für einige Colleges empfehlen. Was hat letztendlich den Ausschlag für die Columbia University gegeben?
Lo: Das Gesamtpaket hat einfach gestimmt. Ich habe mir die Uni angeschaut und das Trainerteam kennengelernt, außerdem spielte die Ausbildung eine Rolle - als Ivy-League-Schule hat Columbia einen besonderen Stellenwert. Und dass die Uni mitten in New York liegt, hat natürlich auch seinen eigenen Reiz.
SPOX: Da Sie es selbst ansprechen: Den meisten Leuten ist Columbia eher für ihr akademisches Top-Niveau bekannt, weniger für ihr sportliches.
Lo: Das stimmt, aber das sportliche Niveau ist auch sehr hoch. Ich habe mich davon persönlich überzeugt, weil Basketball für mich auch sehr wichtig war und ist. Als ich gesehen habe, wie gut das Niveau war, musste ich dann nicht mehr lange überlegen. Es wird auch häufig vergessen, dass die Ivy League ja durchaus eine der Major Conferences der NCAA ist. Wer sich hier durchsetzt, kann es mit jeder Mannschaft in Amerika aufnehmen.
SPOX: Und wie waren dann Ihre ersten Eindrücke von New York? Sie kommen selbst aus einer Großstadt, aber NYC ist natürlich eine eigene Hausnummer.
Lo: Am Anfang war New York wirklich überwältigend. Es gibt dort so unglaublich viel zu sehen, so viele Menschen. Aber man lernt mit der Zeit, die Stadt zu verstehen, sich an den Rhythmus und die Hektik zu gewöhnen. Mittlerweile fühle ich mich in New York extrem wohl.
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