In kürzester Zeit baute Ex-Nationalspieler Marko Pesic (34) ein Basketball-Imperium auf. Auf den Spielerberater hört die halbe Nationalmannschaft. Nun soll er die Bayern auf das nächste Level hieven. Gemeinsam mit Dirk Bauermann und Uli Hoeneß.
"Runtergehen, Robin! In die Knie!"
Abrupt endete das Quietschen der Turnschuhe und das Aufprallen des Basketballs auf dem Trainingsplatz der Max-Schmeling-Halle.
Robin Benzing, eines der größten Basketball-Talente Europas, blickt schuldbewusst rüber zur Seitenlinie, nickt kurz und nimmt sichtlich bemühter die Verteidigungsposition ein.
Pesic verordnet Extra-Einheiten nach der Saison
Wachsam verfolgt Marko Pesic die hochkarätigen Workouts, die er für seine Klienten nach der Saison organisiert, damit diese in einer optimalen Verfassung zu den folgenden Verpflichtungen im Sommer reisen.
Benzing etwa nimmt Mitte Juni am Eurocamp im italienischen Treviso teil und präsentiert sich den NBA-Scouts, darauf folgt die EM-Vorbereitung mit der Nationalmannschaft.
"Wir verfolgen alle hohe Ziele. Wer aber nach der Saison glaubt, dass er Urlaub machen kann, hat schon verloren", erklärt Pesic im SPOX-Interview. Der Plan des Spielerberaters ist so simpel wie plausibel: Er nimmt sich ein Vorbild an den USA, wo es üblich ist, dass die NBA-Profis, die aus der gleichen Großstadt stammen, sich in der Offseason treffen und gemeinsam trainieren, um an Wettkampfhärte zu gewinnen.
Entsprechend versammelt Pesic seine Klienten - allesamt Nationalspieler, bewährte Erstligaspieler oder Top-Talente - in Berlin und lässt sie miteinander üben und gegeneinander antreten. Unter fachkundiger Aufsicht von ihm selbst und Emir Mutapcic, ehemaliger Alba-Headcoach und dreimaliger Deutscher Meister. Pesic sagt, dass es "zu meinem ganzheitlichen Ansatz" gehört.
Zukunft liegt beim FC Bayern
Wer Pesic seit seinem Karriereende 2006 nicht mehr gesehen hat, wird erstaunt sein, wie wenig er sich verändert hat. Der 34-Jährige ist noch immer gertenschlank, einzig seine etwas längeren Haare fallen auf. Abseits des Optischen jedoch hat er eine erstaunliche Wandlung durchlaufen: Innerhalb von drei Jahren wurde aus einem pensionierten Leistungssportler einer der mächtigsten Männer des deutschen Basketballs.
Pesic gründete Ende 2007 die Agentur "Lumani 10.7". "Ein Fantasiename wie Google", sagt er. Ähnlich ist auch die rasante Entwicklung: In kürzester Zeit wuchs "Lumani 10.7" zu einem Imperium heran.
Ein Erfolg, der dem Firmenboss nun die Möglichkeit gibt, die Zukunft des interessantesten und ambitioniertesten Basketball-Projekts Europas mitzubestimmen: Am Montag bestätigte der FC Bayern München, dass Pesic nach dem Aufstieg in die BBL als neuer Sportdirektor beginnt.
"Ich bedanke mich bei den Verantwortlichen des Vereins sehr für das entgegengebrachte Vertrauen und freue mich auf die Herausforderung beim FC Bayern München", sagt Pesic nach der Vertragsunterschrift.
Pesic berät halbes DBB-Team
Es ist nicht weiter verwunderlich, warum die Bayern derart interessiert an ihm waren. Sein Portfolio ist beeindruckend: "Lumani 10.7" hat alleine 14 Spieler unter Vertrag, die allesamt zum Kern oder zumindest zum erweiterten Kreis der deutschen Nationalmannschaft gehören.
Gleich sieben Pesic-Schützlinge (Robin Benzing, Steffen Hamann, Philipp Zwiener, Heiko Schaffartzik, Per Günther, Sven Schultze) wurden jüngst von Bundestrainer Dirk Bauermann eingeladen, lediglich Demond Greene hat Rückstand und wird beizeiten nachberufen.
Yassin Idbihi, Daniel Hain sowie Johannes Lischka verfügen ebenfalls über Länderspielerfahrung und die beiden Youngster Bastian Doreth und Maik Zirbes stehen spätestens im kommenden Jahr vor dem Sprung.
Keine Karriere wie Vater Svetislav Pesic
Pesics zweite Karriere begann, als die erste noch gar nicht beendet war. Bereits als aktiver Basketballer schrieb er sich in Düsseldorf für den Fernstudiengang "Sport-Management" ein, später setzte er an der Universität von Venedig den Master in "Sport-Marketing und -Kommunikation" drauf.
Immer im Wissen darum, dass der Trainerjob nichts für ihn ist. Sein Vater Svetislav Pesic gehört zwar zu den besten Coaches weltweit, "als Sohn habe ich aber auch die Schattenseiten mit den vielen Umzügen und der Hektik hautnah miterlebt."
Vielmehr entwickelte Pesic früh eine konkrete Vorstellung darüber, welchen Weg er gehen möchte. Es ging um Geduld. Darum, eine Nische im Basketball-Geschäft zu finden, diese zu besetzen und parallel einen Business-Plan zu konzipieren.
Pesic entdeckt Nische in Deutschland
Ihm fiel bereits als Spieler auf, dass im deutschen Profi-Basketball Bedarf an Spielerberatern herrscht. Nicht nach solchen Beratern, die sich lediglich als Vermittler verstehen, um den Wechsel eines Spielers von Team X zu Team Y zu arrangieren. Sondern nach Beratern, die tatsächlich beraten. Nicht nur bei der Frage nach dem zukünftigen Klub, sondern auch in allen anderen Breichen, die von Relevanz für einen Spieler sind.
Pesic und seine Mitarbeiter bieten Unterstützung bei jedem erdenklichen Problem. Sie helfen beim Ausfüllen der Steuererklärung genauso wie bei der Suche nach einem kompetenten Physiotherapeuten, dem Organisieren des eingangs erwähnten Trainingscamps oder beim Verhandeln mit möglichen Sponsoren. In Kürze wird Red Bull mit Benzing als zweitem Basketballer neben Celtics-Superstar Rajon Rondo eine Partnerschaft eingehen.
Das alles ist mit einem enormen zeitlichen Aufwand verbunden: "Ich möchte maßgeschneiderte Betreuung für jeden meiner Spieler. Es geht mir nicht um Quantität, sondern um Qualität", sagt Pesic. Und es gehe ihm darum, seine Klienten auch mit Hilfe des Web 2.0 medial zu positionieren.
"2007 war der Ausländeranteil in der BBL extrem hoch. Deswegen bin ich davon ausgegangen, dass es so nicht weitergeht und irgendwann wieder junge, deutsche Spieler gefördert werden, die zu neuen Identifikationsfiguren aufgebaut werden können. Genau das ist eingetroffen."
Lob von Alba-Boss Baldi
Entsprechend finden sich bei ihm die Spieler der Zukunft wieder: Benzing, NBA-Kandidat. Zirbes, Center-Talent und umworben von Euroleague-Teams. Günther und Doreth, das Point-Guard-Duo der Nationalmannschaft von morgen.
"Bei Marko merkt man, dass es ihm nicht nur um die Kohle geht. Er will auch nicht sofort die Sterne vom Himmel holen. Er denkt langfristig und das zahlt sich aus", sagt Alba-Berlin-Geschäftsführer Marco Baldi.
Eine Wertschätzung, die Pesic auch bei den Bayern zuteil wird. Mit ihm könnte der Fußball-Rekordmeister den perfekten Sportdirektor für die Basketball-Sparte gefunden haben: Er ist jung, lernwillig und strebsam (Pesic: "Ich bin süchtig nach Arbeit"), gleichzeitig extrem gut vernetzt und in Wirtschaftsfragen gewiefter als viele Altersgenossen.
Und: Kraft seines einnehmenden Wesens und seiner Bekanntheit als erfolgreicher Ex-Nationalspieler könnte er Dirk Bauermann auch in der Öffentlichkeitsarbeit entlasten.
Entscheidend: Die nachhaltige Entwicklung der Talente
Vom Heißsporn vergangener Tage, als er zwar den Dreier eiskalt verwandelte, sonst aber auch gerne mal gegen die Referees oder den Gegner wütete, ist wenig geblieben. Wer Pesic nach den Gründen seines Erfolgs fragt, hört immer die gleichen Antworten: "Rationalität, Ruhe und Geduld."
Dass Benzing diese Saison trotz zahlreicher Angebote im sportlich mittelklassigen Ulm blieb und Günther dort bis 2013 verlängerte, ist ein Beleg der Weitsicht. Ebenso, dass Zwiener und Zirbes in Trier spielen, wo sie zwar kaum beachtet werden, aber ebenfalls prächtig gedeihen können.
Dennoch dürfte auch Pesic bewusst sein, dass der Wechsel zum FC Bayern kritisch beäugt werden wird.
FC Bayern: Machtballung in München
Der größte und reichste Sportverein Deutschlands wird in der ersten Bundesliga-Saison vom Bundestrainer betreut und vom wichtigsten Spielerberater gemanagt, immer unter der gütigen Mithilfe des Präsidenten Uli Hoeneß. Zwar stößt sich beispielsweise Alba-Boss Baldi nicht daran, dennoch ist die Machtballung in München frappierend.
Ungeachtet dessen, dass Bauermann sein DBB-Engagement im kommenden Jahr beendet und Pesic sich von "Lumani 10.7" losgelöst hat. Ab Juni übernimmt Geschäftsfreund Jan Rohdewald, selbst lange Jahre in der BBL aktiv und staatlich geprüfter Jurist, die Geschäftsführung.
Doch sollten, wie einige vermuten, die seine ehmaligen Spieler Jagla und Benzing (im Falle einer Nichtberücksichtung beim Draft) nach München wechseln, wird auch Pesics formale Trennung von seiner Agentur nicht vor Argwohn schützen. Bereits jetzt stehen bei den Bayern mit Hamann, Greene, Doreth und Aleksandar Nadjfeji vier Lumani-Spieler unter Vertrag. Der Verdacht des Interessenkonflikts liegt nahe.
Aber Pesic betont: "Grundsätzlich bin ich immer bereit, auf konstruktive Kritik zu antworten. In diesem Fall muss ich aber sagen: Wenn es für Uli Hoeneß kein Problem ist, sollte es für mich auch kein Problem sein."
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