Kentucky gegen den Rest der Welt

Stefan Petri
14. November 201414:46
John Calipari ist der Erfolgscoach der Kentucky Wildcatsgetty
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In der Nacht von Freitag auf Samstag eröffnet Duke die neue NCAA-Saison mit einem Heimspiel gegen Presbyterian und präsentiert dabei zum ersten Mal den potenziellen Top-Pick Jahlil Okafor. Der Titelfavorit kommt jedoch auch dieses Jahr wieder aus Kentucky. SPOX stellt die Wildcats von Coach Calipari vor, nennt deren größte Konkurrenten auf den Titel - und vergisst natürlich auch die deutschen Spieler nicht.

Es ist wieder soweit! 351 Division-1-Basketball-Teams aus 32 Conferences geben sich die Ehre. Das Ziel: Am 6. April in Indianapolis als Champion die Netze herunterschneiden - und am besten danach im Draft ordentlich abräumen!

Kleine Geschichtsstunde: Im Finale 2014 schlugen die Connecticut Huskies von Head Coach Kevin Ollie das hochgelobte All-Star-Team aus Kentucky mit 60:54. Kentucky war mit Coach John Calipari mit unfassbar viel Hype in die Saison gegangen (40-0?), hatte dann jedoch zehn Niederlagen kassiert und war nur an acht gesetzt in die March Madness gestartet. Die Huskies gingen als Nummer sieben der East Region ins Turnier. Bester Mann im Finale: Shabazz Napier (22 Punkte), mittlerweile Teamkollege von Dwyane Wade in Miami.

Beide Teams verloren je zwei Spieler an den NBA-Draft, also sollte man sie wieder auf der Rechnung haben, richtig? Jein: Während Ollie sogar als NBA-Kandidat gehandelt wurde, haben sein Team dieses Jahr nur wenige Experten ganz oben auf der Rechnung (Platz 17 im AP Poll). Anders sieht es mit der Truppe aus Lexington aus.

Mehr Talent geht nicht

Denn auch wenn es sich anhört, als würde man immer die gleiche Platte abspielen: 2014/2015 gibt es Kentucky - und es gibt den Rest. Zwar ist die ominöse 40-0-Bilanz diesmal nicht so in aller Munde, doch die Chancen darauf sind nicht gerade gesunken. Calipari, dieser unvergleichlich gute Recruiter und Draft-Flüsterer, schießt mittlerweile mit Kanonen auf Spatzen, so gut ist sein Team. "Von zehn Spielen gegen die 76ers könnte Kentucky vielleicht fünf gewinnen", so ein NBA-GM gegenüber dem "Courier-Journal".

Man muss sich das mal vor Augen führen: Julius Randle und James Young spielen mittlerweile bei den Großen mit, aber die Harrison-Zwillinge sind noch an Bord, ebenso die Juniors Willie Cauley-Stein und Alex Poythress und Sophomore Dakari Johnson. Und weil die Big Men Karl-Anthony Towns und Trey Lyles ebenfalls dem Ruf von Calipari gefolgt sind, haben die Cats nun neun McDonald's All-Americans im Kader. Natürlich Rekord - und mehr als so manch andere Conference insgesamt. In den ersten Mock Drafts für 2015 finden sich dann auch regelmäßig mindestens fünf Wildcats in Runde eins.

Die Lösung: Platoons

Natürlich wollen die Jungs aber auch alle spielen und den Scouts auf den Rängen präsentieren. Calipari hat angesichts dieses Luxusproblems vor der Saison eine ungewöhnliche Lösung präsentiert: "Platoon" heißt das Zauberwort! Heißt: Statt einer Starting Five und einer tiefen Bank will er in diesem Jahr zwei Fünfergruppen spielen lassen - und immer komplett wechseln, ähnlich wie im Eishockey.

Das größte potenzielle Problem seien die Egos der Spieler, so der 55-Jährige. Die müssten sich zwei Dinge vor Augen halten: "Ich will die Championship gewinnen und so hoch wie möglich gedraftet werden. Kann das in einem Platoon klappen? Ja, aber es ist eine Herausforderung. Noch niemand hat das geschafft."

Unschlagbar - eigentlich...

Bislang seien die Spieler allerdings begeistert von der Idee, und die Konkurrenz ahnt Böses. "Wenn man beide Platoons in Teams aufspalten würde, hätten sie wahrscheinlich die zwei stärksten Mannschaften des Landes", so SMU-Coach Larry Brown. "John sollte mit so viel Talent eigentlich 45-0 gehen." Und Rick Pitino (Louisville) ätzte, Calipari sei "großartig darin, diese Situation zu vermarkten": In einer Best-of-seven-Serie sei UK unschlagbar, aber so könne schließlich alles passieren.

Das ist dann auch so ziemlich der einzige Grund dafür, dass man die Saison nicht einfach abbläst und Kentucky zum NCAA-Champion kürt. In Sachen Talent ist Caliparis Team allen anderen weit voraus. Funktioniert seine Platoon-Lösung, ist eine perfekte Saison zwar immer noch nicht wahrscheinlich, aber definitiv möglich - die erste seit 1976 (Indiana). Sollte man allerdings wie 2013/2014 einen schwachen Start hinlegen und Calipari vom propagierten System abweichen, könnte es hinter den Kulissen rumoren. Und die Konkurrenz schläft nicht.

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Die Stolpersteine

Arizona Wildcats

Von den Wildcats zu den Wildcats: Ein bitteres Pünktchen trennte Arizona im Frühjahr vom Final Four - mit 63:64 verlor der One-Seed der West Region gegen die Badgers. Superstar Aaron Gordon wurde von den Magic gedraftet, Guard Nik Johnson von den Rockets. Dennoch ist das Team von Sean Miller in dessen fünfter Saison in Tucson nicht unbedingt schlechter geworden, dem Abgang der beiden Top-Scorer zum Trotz.

Schließlich sind vier der besten sechs Spieler immer noch an Bord, darunter Power Forward Brandon Ashley, der das Tournament im letzten Jahr mit einer Fußverletzung verpasste. Der Verlust von Gordon wurde zudem mit Freshman-Guard Stanley Johnson aufgefangen: Groß, kräftig, ein guter Schütze - Johnson gehörte nicht umsonst zu den Top drei Recruits dieses Jahres.

Mit Ashley und Seven-Footer Kaleb Tarczewski unter dem Korb ist die Mitte abgeriegelt, die Pack-Line-Defense von Miller sorgt darüber hinaus auch an der Dreierlinie für wenig Platz. Nicht umsonst legte man vor einem Jahr die beste Defense Efficiency des Landes auf. Gebe man dazu noch drei potenzielle First-Rounder (Ashley, Johnson und Sophomore Rondae Hollis-Jefferson), dann sollte es auch diesmal wieder mit Platz eins in der PAC-12 klappen.

Wisconsin Badgers

Die Nummer drei der ersten Polls war schon in der vergangenen Saison ganz nah dran (73:74 gegen Kentucky in den Semifinals). Dementsprechend groß ist nun der Druck auf Bo Ryans Truppe: Diesmal hat sie jeder auf der Rechnung - da trifft es sich gut, dass der Kern des Teams zurückgekehrt ist.

Da wäre zum einen Center Frank Kaminsky zu nennen: Der Big Man und Preseason All-American mit dem guten Touch von außen spielte sich 2013 plötzlich ins nationale Rampenlicht und muss seine 14 Punkte und 6 Rebounds pro Spiel bestätigen. An seiner Seite steht mit dem vielseitigen Forward Sam Dekker ein weiterer potenzieller First-Rounder. Und dann wäre da noch "Clutch Josh" Gasser: Anführer, Scharfschütze von draußen, All-Defense. "Josh ist unser Captain", sagt Kaminsky. "Er spielt nicht auffällig oder außergewöhnlich, aber er macht einfach alles gut."

Nicht viele Coaches haben mehr Erfahrung als Ryan mit seinen mittlerweile 66 Jahren. "Im letzten Jahr hatten wir acht oder neun Niederlagen, die vermeidbar waren, hätten wir einfach hier und da ein bisschen besser gespielt", gibt er die Marschrichtung vor. Die Erfahrung und das Talent sind da, die Truppe ist eingespielt. Lediglich Scorer Ben Brust könnte vermisst werden. Machen Kaminsky und Dekker den nächsten Schritt, könnten sie zum besten Big-Men-Tandem der NCAA werden.

Duke Blue Devils

Ob Coach K seinen Spielern nach seiner Rückkehr aus Spanien die WM-Goldmedaille präsentiert hat, gepaart mit einer aufpeitschenden Rede von wegen "Auch wir können dieses Jahr ganz oben stehen!" - möglich! Andererseits hat die lebende Legende des polarisierendsten Teams der Nation schon so viele Medaillen mit dem Team USA gewonnen, dass es irgendwie auch schon wieder Routine ist.

Das Gegenteil von Routine ist es dagegen, einen Top-Pick wie Jabari Parker durch den möglichen Number-one-Pick von 2015 zu ersetzen. Das könnte Duke mit Jahlil Okafor gelungen sein. Der 2,08 Meter große Center hat noch keine Sekunde College-Basketball gespielt, ist in den Mock Drafts aufgrund seines kompletten Pakets aber schon ganz vorn. Der Cousin von Emeka Okafor punktet unter dem Korb mit raffiniertem Post Game, einem feinen Händchen und guter Fußarbeit. "Mir egal, wie gut mich die Leute auch einschätzen", betont der 18-Jährige. "Mein Plan ist es, noch viel besser zu sein."

Das trifft sich gut für Coach K, der nach der bitteren frühen Pleite gegen Mercer im letzten Jahr unbedingt seinen fünften Titel will. Um Okafor hat er mal wieder einen starken Mix aus Recruits und Rückkehrern versammelt, darunter die beiden Point Guards Quinn Cook und Freshman Tyrus Jones. Cook will bereits wissen, wie der Hase läuft: "Die letzten beiden Champions hatten jeweils zwei Point Guards in der Starting Five." Dann kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen.

X-Faktor

Kansas / Louisville

Die Jayhawks haben Andrew Wiggins UND Joel Embiid verloren. Das kann man unmöglich auffangen, oder? Wahrscheinlich nicht, aber die Small Forward Kelly Oubre und Big Man Cliff Alexander - zwei Freshmen mit Ambitionen auf einen Top-Five-Pick - sind kein ganz schlechter Ersatz. Coach Bill Self, Titelträger von 2008, weiß ebenfalls, was er da tut, und gerade auf den Flügeln ist sein Team bockstark. Das Guard-Play könnte ihm allerdings zum Verhängnis werden.

Die Cardinals stehen und fallen mit Trainerfuchs Rick Pitino, und bei dem weiß man, dass die Defense auf jeden Fall steht (in den letzten vier Jahren immer Top Vier). Zudem ist Power Forward Montrezl Harrell überraschenderweise auf der Schule geblieben: Niemand dunkt härter und öfter als er. Der Verlust von Russ Smith tut weh, die erfahrenen Guards Chris Jones und Terry Rozier sollten das allerdings kompensieren können. Pitino hat noch eine Rechnung mit Kentucky offen: 2012 und 2013 haben ihn die Wildcats aus dem Tournament gekickt - die Motivation ist also das geringste Problem.

Absturzkandidat

Florida

36 Siege feierten die Gators in der letzten Saison, erst im Halbfinale war gegen die Huskies Schluss. In der SEC blieb man zudem ungeschlagen und zeigte dem vermeintlich übermächtigen Rivalen aus Kentucky seine Grenzen auf. Coach Billy Donovan muss jedoch einen üblen Aderlass verkraften: Gleich vier Starter verließen Gainesville. So muss sich das neue Team erst finden - erneut die zweitbeste Defense des Landes zu stellen, ist da fast unmöglich. Die SEC ist insgesamt schwach, daher sind wieder einige Siege möglich, aber Kentucky ist in diesem Jahr weit enteilt, ein Top-Seed im Tournament unwahrscheinlich.

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Die Deutschen

Gleich zwei Titel mit den Huskies konnte Niels Giffey in seinem Studium gewinnen. Als es im Draft 2014 jedoch nicht reichte, heuerte der 23-Jährige bei Alba Berlin an (knapp 9 Punkte pro Schnitt in dieser Saison). Ob jemand von heute auf morgen in seine Fußstapfen treten kann, muss sich noch zeigen - doch das strahlende Vorbild Dirk Nowitzki könnte langsam Früchte tragen: Eine ganze Reihe an deutschen Nachwuchstalenten spielt in diesem Jahr auf dem College vor.

Maodo Lo (Guard/Columbia Lions)

Basketball-Fans aus Deutschland sollten den 22-Jährigen aus Berlin ganz besonders auf der Rechnung haben - schließlich wurde der 1,91 Meter große Guard im Sommer erstmals in Nationalteam berufen. Auch wenn es für den finalen Kader für die EM-Qualifikation nicht reichte, war Lo doch mehr als begeistert: "Es war eine tolle Erfahrung für mich. Damit hätte ich nie gerechnet."

Nach dem Intermezzo mit Dennis Schröder und Co. geht es nun schon ins dritte Jahr an der Columbia. In der letzten Saison legte Lo fast 15 Punkte im Schnitt auf (44,7 Prozent 3FG) und wurde ins All-Ivy-Team berufen. Nun will er den nächsten Schritt machen: "Das Spiel in Europa ist wegen der 24-Sekunden-Uhr viel schneller. Das verbessert den eigenen Basketball-IQ, gerade als Point Guard." Nächstes Ziel: March Madness.

Niklas Ney (Center/Mercer)

Der U-20-Nationalspieler hat für die neue Saison bei Mercer angeheuert und wird dort in den kommenden Jahren auf Korbjagd gehen. Mit 2,08 Meter Körpergröße soll Ney vor allem unter dem Korb abräumen - und gibt in seinem Blog interessante Einblicke in das Leben auf dem Campus. Vielleicht klappt es ja auch diesem Jahr mit einem Sieg über Duke bei der March Madness?

Philipp Hartwich (Center/Portland Pilots)

Und noch ein Seven-Footer für Deutschland. Der 19-Jährige spielte bislang in der NBBL U19 für die Rheinstars Köln (10,1 Punke, 8,7 Rebounds, 3,5 Blocks) und wird nun in Portland aufs College gehen. Mit den Pilots sind nationale Schlagzeilen eher unwahrscheinlich, aber man sollte den Center auf dem Zettel haben.

Christian Sengfelder (Forward/Fordham Rams)

Der kräftige Forward aus Leverkusen ist Freshman bei den Fordham Rams in der Atlantic 10. Bisher spielte er für die Urspringschule in Schelklingen (18,7 Punkte, 10,4 Rebounds). Unter dem Korb stark, kann der 19-Jährige auch von außen werfen.

Zaire Thompson (Point Guard/Fordham Rams)

Der Point Guard (1,81 Meter) war in Schelklingen Teamkollege von Sengfelder und wird es auch in Fordham bleiben. "Auf dem Platz ist er sehr ehrgeizig und ein echter Floor General. Er sieht das Spiel und macht seine Teamkollegen besser", so Urspring-Coach Michael Spöcker.

Tim Hasbargen (Shooting Guard/Cleveland State Vikings)

Der 18 Jahre alte Shooting Guard (1,91 Meter) kommt aus München und spielte bisher für die Bayern-Junioren in der NBBL (13 Punkte, 5 Rebounds).

Tyree Chambers (Guard/Providence Friars)

Chambers spielt auch schon in der BBL für medi Bayreuth. 20 Jahre, 1,87 Meter groß. Der Guard wird bei den Friars Bryce Cotton ersetzen, der mittlerweile für die San Antonio Spurs spielt. In der Big East Conference ist die Konkurrenz groß (Butler, Creighton, Georgetown).

Malik Müller (Shooting Guard/Virginia Tech)

Der 20 Jahre Jahre alte Shooting Guard war in der vergangenen Saison für Virginia Tech aufgrund zu schlechter Noten nicht spielberechtigt. Diesmal hat es mit dem Büffeln geklappt: Müller ist dabei und bekommt es in der ACC unter anderem mit Duke, Louisville und North Carolina zu tun.

Aline Hartmann (Colorado Buffaloes)

Überraschung! Gibt schließlich auch Basketballspielerinnen. Die 18-Jährige kann mit über 1,80 Meter Körpergröße sowohl Guard als auch Forward spielen. Nach einer Teilnahme bei der U20-EM wechselt Hartmann von DJK Brose Bamberg zu den Colorado Buffaloes. Und wie ist es so? "Der größte Unterschied ist das Essen. Ich bin das viele Fast Food nicht gewohnt." Kein Angst, Aline - das wird schon!

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