Bayreuth-Coach Korner im Interview: "Schaue mir die Social-Media-Profile der Spieler an"

Johannes Wiest
16. März 201813:59
Raoul Korner geht ambitioniert ins Champions-League-Rückspiel gegen den Favoriten Istanbul.imago
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medi Bayreuth hat des Achtelfinals in der Basketball Champions League gegen Besiktas Istanbul überraschend mit 81:76 gewonnen. Neben dem Sieger des deutschen Duells zwischen Ludwigsburg und Oldenburg (Di., 20 Uhr live auf DAZN) könnte Bayreuth am Dienstag (18 Uhr live auf DAZN) als zweites BBL-Team ins Viertelfinale einziehen. Im Interview spricht Head Coach Raoul Korner über die Chancen seines Team und über die Zukunft des Klubs.

SPOX: Herr Korner,nach der deutlichen Niederlage im Topspiel gegen Alba Berlin standen die Vorzeichen vor dem Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale gegen Besiktas Istanbul alles andere als gut. Wie haben Sie Ihr Team wieder in die richtige Spur gebracht?

Raoul Korner: Es war niemand von uns zufrieden mit der dargebotenen Leistung. Wir haben viele unserer Werte vermissen lassen. Den eigentlich freien Tag danach haben wir gestrichen und eine lange Videositzung gemacht. Nach einer sehr offenen Aussprache waren wir uns alle einig, dass wir jetzt nicht in diese Schiene abdriften dürfen. Wir haben alle Mist gebaut, da nehme ich mich aus der Kritik nicht aus.

SPOX: Eine solche Selbstreflexion setzt starke Charaktere in der Mannschaft voraus. Wie stark achten Sie bei der Verpflichtung von neuen Spielern auf diese Eigenschaften?

Korner: Ich denke, dass ich dafür bekannt bin, auf den Charakter eines Spielers genauso viel Wert zu legen wie auf seine spielerischen Fähigkeiten.

SPOX: Wie sieht das in der Praxis aus?

Korner: Ich zapfe alle Quellen an. In Zeiten des Internets geht das ja ganz leicht. Ich schaue mir zum Beispiel auch die Social-Media-Accounts an, um mir einen Eindruck zu machen, wie ein Spieler tickt. Natürlich geht es um das persönliche Gespräch, das ist auch ein wichtiger Punkt. Aber ich habe auch ein großes Netzwerk an Kontakten, das mir hilft, Dinge über Spieler herauszufinden und sie so besser einzuschätzen.

SPOX: Im Rückspiel in Istanbul wird erneut Charakter gefragt sein. Wie wollen Sie das Spiel angehen, um zu bestehen und das Viertelfinale zu erreichen?

Korner: Das Wichtigste ist, auf Sieg zu spielen. Es wird aber eine Mammutaufgabe. Besiktas verfügt über sehr viel Erfahrung und Klasse. Wenn ich es aber jemandem zutraue, dort zu gewinnen, dann meiner Mannschaft. Ich glaube, dass wir für eine Überraschung gut sind und auch die mentale Stärke haben, um dort zu bestehen.

Raoul Korner über seine Arbeitsweise und Ambitionen

SPOX: Allein die Tatsache, dass Sie sich für die Champions League qualifiziert haben, war vergangene Saison eine große Überraschung. Bereits kurz nach Ihrem Amtsantritt sagten Sie, ihr Ziel sei es, ständig zu "overperformen". Wie nah sind Sie derzeit am Limit?

Korner: Man will das eigene Limit ja nie richtig wahrhaben. Wenn einem die Grenzen aufgezeigt werden, ist das sehr unangenehm - da wären wir wieder beim Spiel gegen Berlin. Ich denke, dass wir aus unseren Möglichkeiten sehr viel rausholen. Wir haben als Organisation schon ein sehr starkes Team zusammengestellt, aber wir laufen noch nicht auf 100 Prozent. Gegen Frankfurt in der Pokal-Qualifikation hat man mal gesehen, was passieren kann, wenn alles und alle funktionieren. Als Trainer ist man immer auf der Suche nach dem perfekten Spiel. Wir holen schon sehr viel raus, haben aber immer noch Potenzial.

SPOX: Andere Klubs verfügen über deutlich größere finanzielle Mittel als Bayreuth. Was wird derzeit in Bayreuth besser als bei der Konkurrenz gemacht?

Korner: Das ist immer schwer zu sagen. Ich denke, dass wir es geschafft haben, eine Identität aufzubauen. Es ist uns gelungen, Spieler zu finden, die diese Identität verkörpern und diese Gemeinschaft nutzen. Wenn ein Team funktioniert, ist viel möglich. Das Gesamte muss mehr sein als die Summe der Einzelteile, dann kann man von Overperfomance sprechen. Das gelingt uns wie gesagt ganz gut. Es geht um Zusammenhalt und harte Arbeit.

medi Bayreuth - Die letzten fünf Spiele

DatumWettbewerbSpielErgebnis
17.02.18Top Fourmedi Bayreuth - Alba Berlin74:96
18.02.18Top Fourratiopharm Ulm - medi Bayreuth81:79
03.03.18BBLAlba Berlin - medi Bayreuth100:86
07.03.18Champions Leaguemedi Bayreuth - Besiktas Sompo Japan Istanbul81:76
09.03.18BBLmedi Bayreuth - Basketball Löwen Braunschweig84:62

SPOX: Inwieweit spielt auch die Infrastruktur eine Rolle, die unter Ihnen noch mehr Beachtung gefunden hat?

Korner: Das greift ja alles ineinander. Es ist ein Puzzle, das es zusammenzusetzen gilt. Da ist die Mannschaft ein sehr wichtiger Teil, aber es gibt auch die Randstücke, wozu die Infrastruktur gehört. Wir haben zum Beispiel einen Physiotherapeuten und einen Athletiktrainer in Vollzeit dabei . Das war vor meiner Zeit nicht so. Das hat viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber wenn man nach 20 Jahren wie wir in der vergangenen Saison erstmals wieder in die Playoffs will, muss man eben auch etwas ändern. Ich wurde aber letztendlich in allem unterstützt, was ich wollte. Auch das ist ein Grund für den Erfolg. Jeder im Umfeld zieht voll mit.

SPOX: Ist das ein Unterschied zu ihrem Ex-Klub Braunschweig?

Korner: Jetzt zu sagen, dass die Leute in Braunschweig keinen guten Job machen, liegt mir fern. Was mir dort gefehlt hat, war die Perspektive und der Ehrgeiz, zu wachsen und über den Status Quo hinauszudenken. Man war zufrieden damit, wo man stand, aber es gab diese Ambitionen nicht, mehr zu wollen. Solche Ambitionen brauche ich aber. Das ist in Bayreuth stärker ausgeprägt.

SPOX: Können Sie auch dank dieser Ambitionen Spieler nach Bayreuth locken?

Korner: Die Argumente sind vielfältig. Dieser Anspruch mit dem Motto "Heroes of Tomorrow", den wir in Bayreuth haben, ist mittlerweile mit Leben gefüllt. Bayreuth ist ein guter Ort für einen Spieler, um sich zu entwickeln und gleichzeitig dem Klub und der Mannschaft zu helfen. Wenn es gelingt, diese Win-Win-Situation zu schaffen und man dann auch noch den einen oder anderen Routinier in seine Reihen bekommt, dann passt die Mischung.

Raoul Korner über seine bisherige und künftige Karriere

SPOX: Das Motto "Heroes of Tomorrow" lässt sich genauso auf Ihre Trainerkarriere übertragen, die bereits im Alter von 25 Jahren begann. Was unterscheidet den jungen Trainer Raoul Korner vom heutigen?

Korner: Ich habe sogar schon viel früher angefangen. Bereits mit 16 habe ich Jugendteams trainiert, anschließend neben der Spielerkarriere und dem Studium auch. Es war immer mein Bestreben, besser zu werden. Wenn du mit 25 zum Head Coach wirst, ist das viel Learning by Doing. Man macht sehr viele Fehler, aus denen man lernen kann und muss. Man probiert viele Dinge aus, versucht sich von anderen Trainern auch Dinge abzuschauen. Ich hoffe, dass ich heute ein besserer Coach bin, als ich es letzte Woche war und ein noch viel besserer Trainer als vor 19 Jahren.

Korners Trainerstationen

VereinZeitraumLand
BasketClubs Vienna1999-2001Österreich
Union Mattersburg 49ers2001-2003Österreich
Österreichischer Basketballverband (B-Nationalmannschaft, Trainerassistent A-Nationalmannschaft)2001-2003Österreich
UBM Arkadia Traiskirchen2003-2005Österreich
Welser BC2005-2010Österreich
EiffelTowers Den Bosch2010-2013Niederlande
Basketball Löwen Braunschweig2013-2016Deutschland
medi Bayreuth2016-Deutschland

SPOX: Bei Ihrer Vertragsverlängerung Anfang des Jahres bis 2020 sagten Sie, dass Sie das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sehen. Was ist mit Bayreuth also möglich?

Korner: Ein erster Schritt war es, neue Euphorie zu entfachen und infrastrukturelle Fortschritte zu machen, wie das neue Trainingszentrum, das jetzt in Planung ist. Das ist ein riesiger Schritt, ein Meilenstein für den Klub. Wissen Sie: Unser sportlicher Erfolg passt eigentlich nicht zur finanziellen Situation. Nun gilt es also, die finanzielle Seite dem sportlichen Erfolg anzugleichen um damit auch für Nachhaltigkeit zu sorgen. Wir haben in dieser Saison schon gezeigt, dass wir keine Eintagsfliege sind und die vorherige Saison kein Zufall war. Jetzt wird es darum gehen, den ersten Rebuild schadlos zu überstehen. Es ist eine große Herausforderung, der ich mich gerne stellen möchte.

SPOX: Ihr Ehrgeiz kommt immer wieder durch.Deshalb die Frage: Wie sieht Ihr persönlicher Karriereplan aus?

Korner: Ich bin niemand, der ständig nur in den Nachbarsgarten schaut, wo das Gras bekanntlich immer grüner ist. Ich bin immer gut damit gefahren, mich zu 100 Prozent auf die Situation zu konzentrieren, in der ich gerade bin. Ich gehe jeden Job so an, als hätte ich einen Vertrag auf Lebenszeit.

Raoul Korner über Dirk Nowitzki und den deutschen Basketball

SPOX: Diese Herangehensweise erinnert unter anderem an Dirk Nowitzki, der seit 20 Jahren für die Dallas Mavericks spielt und nun wohl seine Karriere beendet. Kann sein Karrierende ein Rückschlag für den gesamten deutschen Basketball sein?

Korner: Was Dirk Nowitzki für den deutschen Basketball getan hat und wahrscheinlich nach seiner Karriere noch tun wird, ist nicht in Worte zu fassen. Für viele der jungen deutschen NBA-Profis war er sicher eine große Hilfe und ein Wegbereiter, für viele Europäer generell. Dirk war damals der Einzige, der die deutsche Fahne hochgehalten hat. Mittlerweile gibt es fünf, die auf unterschiedlichen Positionen und auf ihre Weise die Karriere angehen. Und wenn es in Zukunft weiter zwei bis drei Spieler in die NBA schaffen, wird das immer weiter einen Push geben. Der deutsche Basketball wird nicht zu Grunde gehen, nur weil Nowitzki aufhört.

SPOX: Denken Sie, dass ein Event wie die WM 2019 vor dem Nowitzki-Hintergrund noch wichtiger als vergangene Großereignisse sind und ein Boom ausgelöst werden kann?

Korner: Es geht nur über Erfolg, das ist klar. Grundsätzlich ist aber jedes Großereignis eine riesige Möglichkeit, die Sportart nach vorne zu bringen. Und die deutsche Mannschaft ist aktuell richtig gut. Die Chance ist gewaltig, jetzt liegt es am Team.