Modell Menz in anderen Dimensionen

Max Marbeiter
29. August 201320:38
Juan Antonio Orenga ist seit November 2012 Trainer der spanischen Nationalmannschaftimago
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Wie der DBB hat auch der spanische Verband (FEB) Ende vergangenen Jahres einen renommierten Coach mit einem ehemaligen Nachwuchstrainer ersetzt. Anders als Frank Menz bleibt Juan Antonio Orenga allerdings keine Zeit für einen Neuaufbau. Trotz einiger Absagen soll der EM-Titel verteidigt werden. Am 17. August in La Coruna tragen die Iberer ein Testspiel gegen Deutschland aus (21.55 Uhr im LIVE-STREAM auf basketball-bund.de).

Kaum war Juan Antonio Orenga zum Nachfolger von Spaniens Headcoach Sergio Scariolo auserkoren worden, musste sich Verbandspräsident Jose Luis Saez auch schon rechtfertigen. Rechtfertigen dafür, dass er die wohl zweitbeste Basketball-Nationalmannschaft der Welt quasi einem Trainernovizen anvertraute.

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"Er ist die logische Wahl", erklärte Saez im November 2012 die Entscheidung des FEB und schickte gleich noch ein nicht unwesentliches Qualitätsmerkmal Orengas hinterher. "Er hat mehr Erfahrung als einige andere, die in Frage gekommen wären." Erfahrung heißt im Falle des 47-Jährigen hauptsächlich Verbandserfahrung.

Schließlich wechselte er nach einem kurzen Intermezzo bei CB Estudiantes bereits 2007 in den Trainerstab des spanischen Verbandes und betreute in den Folgejahren diverse Jugendnationalmannschaften. Noch wichtiger aber: Orenga führte seinen Job äußerst erfolgreich aus. Direkt im ersten Jahr führte er die U 20 zum Vize-Europameistertitel, holte 2010 Bronze und setzte sich 2011 schließlich die U-20-Krone Europas auf.

Das Modell Menz

Eine Vita, die in ihren Grundzügen durchaus an Neu-Bundestrainer Frank Menz erinnert - wenngleich in anderen Erfolgsdimensionen.

Grundsätzlich wählten FEB wie DBB den Weg der kurzen Kommunikationswege. Aus Pesic-Assistent Menz wurde Bundestrainer Menz, aus Scariolo-Assistent Orenga wurde "Seleccionador Nacional" Orenga.

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Dabei könnten die Grundausrichtungen beider Verbände nicht unterschiedlicher sein. Denn, wo man in Deutschland den Neuaufbau der Nationalmannschaft anstrebt, junge Spieler an die internationale Spitze heranführen möchte, verfolgt man in Spanien deutlich höhere Ziele.

Mit nicht weniger als der zweiten EM-Titelverteidigung in Folge sind die Iberer bei der Eurobasket in Slowenien beauftragt - ein Kunststück, das bislang lediglich der UdSSR und Jugoslawien gelang.

Vergleich mit Pep Guardiola

In Spanien scheint man sich allerdings die Frage zu stellen, ob historische Missionen auch mit vergleichsweise unerfahrenen Coaches erfolgreich zu vollenden sind. All den Zweiflern tritt Orenga jedoch mit einem prominenten Beispiel aus dem Fußball entgegen.

"Jeder muss irgendwann seinen ersten Schritt tun", erklärte der 47-Jährige während eines Interviews mit "El Periódico". "Ich habe fünf Jahre unter Scariolo gearbeitet. Ich weiß, das ist nicht dasselbe, wie Barcas B-Mannschaft zu trainieren. Allerdings erhielt auch Guardiola seine Chance, ohne jemals zuvor auf professioneller Ebene gearbeitet zu haben. Hätte man ihn nach den schwächeren Ergebnissen zu Beginn direkt entlassen, hätte man nie herausgefunden, wie gut er eigentlich ist. Wenn man Vertrauen in ein Projekt hat, muss man einfach ein wenig Geduld mitbringen."

Und speziell seitens der Spieler ist Vertrauen offenbar vorhanden. Ob Juan Carlos Navarro, Rudy Fernandez oder Sergio Llull - alle begrüßen die Beförderung des ehemaligen Assistenten.

"Sie haben sich für einen Coach entschieden, der den Verband und uns sehr gut kennt. Das sind großartige Neuigkeiten für uns", sagte beispielsweise Fernandez. "Natürlich ist es eine Herausforderung für ihn, aber wir können uns gegenseitig helfen." SPOX

Wichtige Stützen fehlen

In Slowenien können Trainer und Team erstmals beweisen, inwieweit sie bereits zusammengefunden und verstanden haben, was der jeweils andere zu leisten im Stande ist. Das Problem: Diesmal sind weder Pau Gasol noch Juan Carlos Navarro, Felipe Reyes oder Serge Ibaka dabei. Letzterer wäre zwar gern für die Spanier aufgelaufen, bekam von den Ärzten der Oklahoma City Thunder jedoch den Rat, sich in diesem Sommer besser zu schonen.

Wäre es allein nach der spanischen Öffentlichkeit oder Orenga selbst gegangen, hätte immerhin der wertvollste Spieler der abgelaufenen Saison in Spanien den NBA-Big-Man vertreten. Nun hat Nikola Mirotic aber ebenfalls abgesagt, sodass German Gabriel die zweite große Position neben dem gesetzten Marc Gasol übernehmen wird.

Orenga findet also eine ähnliche Situation vor wie Frank Menz, der ohne Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, Elias Harris, Tim Ohlbrecht und Chris Kaman auskommen muss. Nun ist das Fehlen eines Navarro oder Ibaka natürlich noch nicht mit den Absagen Schröders und Harris' zu vergleichen, die Qualität der übriggebliebenen Deutschen mit der der Spanier allerdings ebenso wenig.

Mit Ricky Rubio, Marc Gasol und Jose Calderon besitzt Orengas Kader immer noch jede Menge hochkarätige Erfahrung aus Übersee. Die beiden Sergios, Llull und Rodriguez, sowie Co-Kapitän Rudy Fernandez haben Real Madrid zur Meisterschaft und ins Finale der Euroleague geführt. "Mit vier derzeitigen, zwei ehemaligen und einem wohl zukünftigen NBA-Spieler haben wir ein Team, um das uns wahrscheinlich fast jede Nationalmannschaft weltweit beneidet", weiß deshalb auch Orenga.

Kein Barca-Spieler im Kader

Mit derartigen Qualitätsressourcen geht gleich beim ersten Turnier allerdings auch eine Menge Druck für den Coach einher. Denn Absagen hin oder her, dass die Spanier auch 2013 wieder zu den absoluten Favoriten auf den Titel zählen, dürfte kaum überraschen. Deutlich überraschender kommt da schon ein Traditionsbruch daher. Orenga sah nämlich erstmals seit 71 Jahren davon ab, auch nur einen Spieler aus Barcelona für ein großes Turnier zu nominieren.

Manch einer mag ihm angesichts seiner Vergangenheit bei Real Madrid - dort verbrachte er seine Jugend, debütierte im Profiteam, feierte seine erste spanische Meisterschaft und gewann nach seiner Rückkehr 1997 den Eurocup - gewisse Ressentiments gegenüber den Katalanen vorwerfen. Allerdings wird wohl niemand glauben, dass Orenga Navarro auch dann nicht nominiert hätte, wenn sich sein etatmäßiger Kapitän nicht am Sprunggelenk operieren lassen und acht Wochen pausieren hätte müssen.

Es wäre ohnehin fahrlässig anzunehmen, ein Trainer, noch dazu ein Debütant, würde seinen Kader allein nach Vereinszugehörigkeiten zusammenstellen. So wurde unter Scariolo nicht verfahren und auch Orenga wird nicht daran denken, Kritikern zusätzliche Angriffsfläche zu bieten.

Schließlich gilt es sein Team bestmöglich auf die kontinentale Meisterschaft vorzubereiten. Nach dem Sieg über Polen im ersten Vorbereitungsspiel, das im Übrigen in Orengas Heimatstadt Castellón ausgetragen wurde, bleiben dem Coach nun noch sieben weitere Tests, ehe die Mission Titelverteidigung am 4. September gegen Kroatien beginnt - unter anderem am 17. August gegen Deutschland. Orenga wird hoffen, dass sich Jose Luis Saez nach dem Turnier nicht erneut für seine Trainerwahl rechtfertigen muss.

Der EM-Spielplan im Überblick