Basketball-WM - Kader-Check DBB: So viel Qualität und Tiefe wie noch nie

Robert Arndt
29. August 201912:27
Dennis Schröder führt das deutsche Aufgebot bei der WM in China an.getty
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Mit viel Hoffnung und hohen Zielen geht die DBB-Auswahl von Bundestrainer Henrik Rödl in die WM in China. Der Kader ist so gut bestückt wie nie zuvor, wobei an der Spitze natürlich Dennis Schröder steht. Doch reicht dies, um tatsächlich zu den besten beiden europäischen Teams des Turniers zu zählen und somit das Olympia-Ticket zu lösen? SPOX macht den Kader-Check.

DBB-Guards: In Dennis we trust

Im Kader: Dennis Schröder (Oklahoma City Thunder/USA), Ismet Akpinar (Besiktas/Türkei), Maodo Lo (FC Bayern München), Andreas Obst (ratiopharm Ulm)

Spätestens seit der EuroBasket 2017 dürfte jedem deutschen Basketball-Fan klar sein, dass Dennis Schröder der Lenker und Denker der DBB-Auswahl ist. In Israel vor zwei Jahren trug der damalige Spielmacher der Atlanta Hawks die Mannschaft mit durchschnittlich 23,7 Punkten und 5,4 Assists bis ins Viertelfinale, dort reichten aber seine 27 Zähler und 8 Dimes gegen Spanien nicht (72:84).

Auch diesmal wird viel vom Braunschweiger abhängen, doch bei der Weltmeisterschaft wird Schröder noch mehr Unterstützung haben. Die Vorbereitung zeigte zwar, dass Deutschland noch immer am Tropf des OKC-Guards hängt, doch mit Paul Zipser oder auch Maxi Kleber hat Bundestrainer Henrik Rödl diesmal mehr offensive Waffen.

Schröders Scoring wird weiter wichtig bleiben, vor allem im vierten Viertel, doch Schröder wird in China auch als Spielmacher mehr gefragt sein. Dass dies auch der Plan von Rödl ist, deutete sich bereits in der Vorbereitung an.

Die Guards neben Dennis Schröder

Wer neben dem OKC-Guard beginnen wird, ist noch offen, vieles spricht aber für Ismet Akpinar, der in Ulm eine gute Saison spielte, nach der WM aber für Besiktas auflaufen wird. Akpinar besitzt zwar nicht die Geschwindigkeit des NBA-Profis, kann in der Defense aber seinen Mann stehen und besitzt einen soliden Wurf, weswegen die Gegenspieler eigentlich nicht von ihm absinken und gegen Schröders Drives helfen sollten.

Vor zwei Jahren hatte Akpinar noch nicht dieses Standing, inzwischen muss er aber respektiert werden. Respekt hat sich über die vergangenen beiden Jahre auch Maodo Lo erspielt. Gestählt von zwei Jahren in der EuroLeague soll der Bayern-Guard Schröder die benötigten Verschnaufpausen gönnen, teilweise aber auch neben ihm auf dem Court stehen. Lo sucht ähnlich wie Schröder unerschrocken den Weg zum Korb und soll so die Offense am Laufen halten.

Das macht ihn für die Second Unit unersetzlich, da es in Deutschland keinen weiteren Spielertyp wie ihn gibt. Entsprechend groß war die Erleichterung im deutschen Lager, als klar wurde, dass sich Lo im Test gegen Tunesien nicht schwerer am Knöchel verletzt hatte. Bei 100 Prozent steht Lo allerdings derzeit wohl nicht.

Komplettiert wird die Rotation von Andreas Obst, der quasi den Lucca Staiger aus den vergangenen Turnieren mimen wird. Der Neu-Ulmer ist der mit Abstand beste Schütze im Kader, hatte aber beim Supercup noch Schwierigkeiten mit seiner Genauigkeit. Immerhin scheint nun der Knoten geplatzt, nachdem der 23-Jährige fünf Dreier gegen Tunesien im Korb unterbrachte. Alleine deswegen dürfte Obst auch häufiger mit Schröder auf dem Court stehen, um dem deutschen Star genügend Platz zu verschaffen.

Die Statistiken der deutschen Guards

SpielerMinutenPunkteFG%3P%AssistsTurnover
Dennis Schröder29,315,541,434,14,12,2
Ismet Akpinar23,910,144,539,73,11,6
Maodo Lo19,07,048,238,22,41,4
Andreas Obst17,07,441,542,51,20,8

DBB-Flügelspieler: Hinter Zipser klafft ein Loch

Im Kader: Paul Zipser (FC Bayern München), Robin Benzing (CAI Zaragoza/Spanien), Niels Giffey (Alba Berlin)

Coach Rödl setzte nicht ausschließlich auf diese vier Guards, stattdessen experimentierte der Bundestrainer auch mit größeren Aufstellungen, bei denen Paul Zipser den zweiten Platz im Backcourt einnahm. Der frühere Spieler der Chicago Bulls hatte lange mit Verletzungsproblemen zu kämpfen, arbeitete aber akribisch auf die Weltmeisterschaft hin und unterschrieb bei Burgos, einem kleinen Verein aus Spanien, um genügend Spielpraxis zu bekommen.

In der Vorbereitung machte der Heidelberger auch einen überraschend guten Eindruck und dürfte sich darum seinen Startplatz auf der Position des Small Forward gesichert haben. Der Wurf fiel ansprechend, dazu zeigte Zipser, dass seine Athletik im vergangenen Jahr nicht gelitten hat. So ist Zipser auch die beste Option vom Flügel, wenn es darum geht, Closeouts zu attackieren und furchtlos in die Zone zu ziehen. Seine Flexibilität in der Defense kommt als weiterer Bonus hinzu, da die Deutschen in den kommenden Wochen viel switchen werden.

Benzing ist mit 30 Jahren der Oldie der Truppe

Die Anwesenheit von Zipser ist zudem wichtig, da die Flügelposition ansonsten die große Baustelle der DBB-Auswahl ist. Kapitän Robin Benzing war in der Vorbereitung verletzt und konnte so kaum mit dem Team trainieren. Der 30-Jährige war ohnehin bei den vergangenen Turnieren nicht unumstritten, seine Quoten lagen 2017 noch bei weit unter 40 Prozent.

Das muss sich beim ehemaligen Bayern-Spieler im Reich der Mitte unbedingt ändern, sonst dürfte es Benzing schwer haben, auf seine Minuten zu kommen. Der DBB will seine Spiele über die Defense gewinnen, das war noch nie die Stärke von Benzing, der in der kommenden Saison in der ACB bei Zaragoza spielen wird.

Denn neben Benzing hat Rödl in Niels Giffey einen weiteren soliden Rollenspieler für den Flügel in der Hinterhand. Der Kapitän von Alba Berlin blieb zwar in der Vorbereitung meist unauffällig, dürfte aber durch das Prädikat 3-and-D-Spieler ebenfalls seine Minuten bekommen und gegenüber Benzing knapp die Nase vorn haben. Nach dem Supercup lobte Rödl Giffeys unaufgeregtes Spiel ausdrücklich.

Die Statistiken der deutschen Flügelspieler

SpielerMinutenPunkteFG%3P%ReboundsSteals
Paul Zipser15,56,444,937,52,60,4
Robin Benzing22,510,345,835,42,60,7
Niels Giffey19,89,850,239,82,40,9

DBB-Bigs: Das deutsche Prunkstück

Mit dabei: Maxi Kleber (Dallas Mavericks/USA), Danilo Barthel (FC Bayern München), Daniel Theis (Boston Celtics/USA), Johannes Voigtmann (ZSKA Moskau/Russland), Johannes Thiemann (Alba Berlin)

Das Prunkstück der Deutschen ist aber ohne Zweifel die Rotation der großen Spieler, wo die DBB-Auswahl nicht nur in Maxi Kleber und Daniel Theis auf zwei NBA-Spieler zurückgreifen kann, sondern auch extrem tief besetzt ist. So verwunderte es nicht, dass Rödl in Tibor Pleiß einen verdienten Spieler gar nicht erst nominierte und mit Moritz Wagner einen anderen NBA-Profi während der Vorbereitung strich.

Die Entscheidungen sind absolut nachzuvollziehen, da der Bundestrainer für das schnelle Spiel der Deutschen mobile Big Men braucht. Der Prototyp dafür ist Kleber, der auf der Vier starten wird und die Würzburger Tradition auch nach Dirk Nowitzki fortsetzen wird. Der Big der Dallas Mavericks kann sowohl gegen kleinere als auch echte Power Forwards verteidigen, ebenso sieht der 27-Jährige gegen Guards selten alt aus.

Zudem dürfte Kleber der beste Ringbeschützer im Team sein, der aber auch offensiv am Brett gefährlich sein kann. Auch den Dreier hat Kleber im Repertoire, auch wenn dieser oft nicht konstant genug fällt. Kollege Theis hat den Distanzwurf ebenso drauf, allerdings dürfte der Celtics-Center zumeist in der Zone am Brett warten.

Deutsche Bigs: Die tiefste Position

Wie schon 2017 wird er mit Schröder ein gefährliches Pick'n'Roll-Duo bilden, beide kennen sich bereits seit Jugend-Zeiten aus Braunschweig und besitzen auf dem Feld eine exzellente Chemie. Probleme könnte Theis jedoch mit lediglich 2,03 Meter gegen die echten Kanten in diesem Turnier haben. Hier könnte es zu Duellen mit Rudy Gobert (Frankreich), Andrew Bogut, Aron Baynes (Australien) und vor allem Jonas Valanciunas (Litauen) kommen, was Schwerstarbeit für Theis bedeuten wird.

Hier könnte der Bundestrainer aber auch ein bisschen durchmischen. Hinter Theis steht vor allem Johannes Voigtmann bereit, der sich im Sommer gegen einen NBA-Wechsel entschied und stattdessen beim russischen Powerhouse ZSKA Moskau unterschrieb. Der ehemalige Frankfurter hat sich in Spanien stetig verbessert, ist ein echter Allrounder und gleichzeitig der DBB-Spieler mit der meisten Masse.

Eine weitere Option wäre Danilo Barthel, der aber vornehmlich als Backup für Kleber eingeplant ist. Der Bayern-Star ist echter Arbeiter und scheut nie vor Kontakt zurück. Dazu ist er unter dem Korb ein echter Wühler, der auch mal mit Entschlossenheit einfache Punkte von der Freiwurflinie generieren kann.

Und dann ist da auch noch Johannes Thiemann, der die Rolle von Isaiah Hartenstein von vor zwei Jahren übernehmen und vornehmlich einige wenige Minuten als Energizer bekommen könnte. Der Alba-Center gibt nie einen Ball auf und lässt gegnerische Center beständig am Brett arbeiten. Um die ganz großen Kaliber verteidigen zu können, fehlt es aber auch ihm ein wenig an der Länge.

SpielerMinutenPunkteFG%3P%ReboundsBlocks
Maxi Kleber21,26,845,335,34,61,1
Danilo Barthel23,410,157,542,44,30,4
Daniel Theis13,85,754,938,83,40,6
Johannes Voigtmann23,68,249,434,35,70,7
Johannes Thiemann14,17,261,141,23,40,6

Fazit: Die Aussichten des DBB-Teams

"Wir haben eine sehr talentierte Mannschaft, eine der talentiertesten, die Deutschland so je hatte", brachte es Kleber im Deutschlandfunk treffend auf den Punkt. Der Kader besteht aus drei aktuellen sowie einem ehemaligen NBA-Profi, alle anderen sich haben mit Ausnahme von Obst in den europäischen Wettbewerben wie EuroLeague und EuroCup bereits bewiesen.

In der Spitze fehlt zwar der absolute Leuchtturm a la Nowitzki, dafür ist die DBB-Auswahl diesmal deutlich breiter und ausgeglichener besetzt. Gerade die Rotation der Big Men muss sich vor keiner auf der Welt verstecken, dazu besitzen die Deutschen in Schröder einen der schnellsten Guards in diesem Turnier, der gleichzeitig nach Belieben scoren kann.

Fragen wirft jedoch auf, wer genau die zweite und dritte Option des deutschen Teams sein kann. Keiner übernimmt in seinen Klubs eine Rolle als Go-to-Guy, entsprechend schwankend (Stichwort: Dreier) fallen teilweise die Leistungen aus. Rödl will dies mit schnellem Spiel und erstickender Defense kompensieren, das muss aber aufgrund von Spielen alle zwei Tage nicht auf Dauer funktionieren.

Tokio 2020? Auslosung macht es schwer

Und dann ist da noch diese verflixte Auslosung. Die Vorrunde mit Frankreich, der Dominikanischen Republik und Jordanien mag zwar gemütlich daherkommen, danach dürfte es in der Zwischenrunde aber knüppeldick kommen, es warten zwei Gegner aus dem Pool von Kanada, Australien und Litauen.

Um also eine Chance auf das Viertelfinale zu haben, muss die DBB-Auswahl zwei von drei Spielen gegen diese Schwergewichte gewinnen. Das ist nicht unmöglich, aber definitiv eine Herkulesaufgabe. Das erste Spiel gegen Frankreich ist somit direkt elementar wichtig. Die Rödl-Truppe läuft damit Gefahr, das große Ziel, die direkte Olympia-Qualifikation, zu verpassen, denn nur die zwei besten europäischen Teams erhalten ein Ticket für Tokio 2020.

Tragisch wäre dies aber nicht. Die besten Jahre der Nationalmannschaft stehen noch bevor, das Team kann in China eigentlich nur gewinnen und wichtige Erfahrungen für die EuroBasket 2021 im eigenen Land sammeln. Spätestens dann wollen Schröder und Co. erstmals seit 2005 wieder nach einer Medaille greifen.

SPOX-Tipp: Aus nach der Zwischenrunde.