King Khans Angriff auf Canelos Thron

Jan Höfling
08. Mai 201602:37
Canelo Alvaraz (l.) und Amir Khan treffen in Las Vegas aufeinandergetty
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Wenn in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai in der T-Mobile Arena in Las Vegas beim Duell zwischen Canelo Alvarez und Amir Khan (ab 3 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) die Fäuste fliegen, steht mehr auf dem Spiel als der WBC-Gürtel im Mittelgewicht. SPOX hat beide Kämpfer auf Herz und Nieren geprüft. Der Head-to-Head-Vergleich.

Vorbereitung

Sowohl Alvarez als auch Khan konnten sich ohne größere Unwägbarkeiten auf das Duell in Las Vegas vorbereiten. Von Verletzungen blieben beide verschont, auch etwaige Störfeuer wie beispielsweise die Aussagen Gennady Golovkins im Hinblick auf den WBC-Titel spielten keine Rolle. In öffentlichen Workouts machten beide Boxer zudem eine gewohnt gute Figur, wirkten komplett austrainiert und fokussiert.

Während Canelo zusammen mit seinem Team vorwiegend an der Verfeinerung seiner Kondition, Beinarbeit sowie taktischen Aspekten gearbeitet haben dürfte, erlebte Khan eine für ihn völlig neue Form der Vorbereitung. Durch das Gewichtslimit von 155 Pfund musste der Brite, der sich sonst auf Kämpfe bei 147 Pfund oder weniger vorbereitete, nicht wie üblich unter der Belastung einer negativen Energiebilanz trainieren.

Zusammen mit Trainer Virgil Hunter absolvierte Khan, dessen letzter Kampf inzwischen 49 Wochen zurückliegt und mit einem Sieg über Chris Algieri endete, den Großteil seiner Vorbereitung in San Francisco und konzentrierte sich neben taktischen Kniffen vor allem auf ein Plus an Power, ohne dabei seine Geschwindigkeit in Händen und Beinen zu verlieren.

SPOX-Urteil: Unentschieden

Let's get ready to rumble! Canelo vs. Khan im LIVESTREAM FOR FREE bei SPOX

Erfahrung

Wenn Alvarez gegen Khan in den Ring steigt, ist er erst 25 Jahre alt. Sein Gegenüber kommt auf 29 Jahre. Ein wirklicher Vorteil zu Gunsten des Briten ergibt sich daraus aber nicht. Beide gaben ihr Debüt als Profi im Jahr 2005. Während Khan in 34 Kämpfen als Profi insgesamt 203 Runden im Seilgeviert stand, waren es beim Mexikaner sogar derer 326. Zudem hat Canelo mit 48 Kämpfen, von denen er 46 gewinnen und 32 Knockouts verbuchen konnte, die Nase vorn. Khan kommt auf 31 Siege aus 34 Kämpfen und das bei immerhin 19 Knockouts.

Bei einem Blick auf die Amateurkarrieren wendet sich das Blatt jedoch. Eine solche hat Canelo, der mit 15 ins Profilager wechselte, nämlich kaum vorzuweisen. Vor allem, wenn man die seines Gegenübers als Maßstab nimmt. Khan, der mit elf Jahren zum Boxen kam und nach sechs Niederlagen zum Auftakt noch 101 seiner 110 Amateurkämpfe gewinnen konnte, kann auf Erfolge wie etwa eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen des Jahres 2004 in Athen im Alter von 17 Jahren zurückblicken. An Talent mangelt es dem Briten definitiv nicht.

An der nötigen Erfahrung auf der großen Bühne allerdings schon. Canelo stand bereits mit Floyd Mayweather Jr. im Ring, kämpfte gegen Austin Trout vor 40.000 frenetischen Zuschauern. Khans größtes Event war das Duell mit Lamont Peterson, bei dem 8.647 Fans anwesend waren. In Las Vegas wird die Menge zudem für Canelo sein. "Khan muss seine ganze Erfahrung nutzen, auch die als Amateur, wenn er eine Chance haben will", erklärte deshalb Freddie Roach gegenüber BoxingScene und betonte zudem die Bedeutung von Coach Virgil Hunter.

SPOX-Urteil: Vorteil Canelo

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Schlagkraft

"Alles in allem denke ich, dass Canelo ihn so richtig verprügeln wird", sagte Floyd Mayweather Senior On the Ropes Radio. "Er wird schweren Schaden bei Khan anrichten. Wenn er ihn einmal trifft, dann kann Khan den Kampf vergessen. Wenn er getroffen wird, dann ist Feierabend. Dann heißt es für ihn: Gute Nacht." Die Tatsache, dass Alvarez durch seine physischen Voraussetzungen Khan in Sachen Power klar überlegen ist, dürfte nicht nur Floyds Vater aufgefallen sein.

Gelingt es dem Mexikaner auch nur eine Hand direkt an das Kinn des Herausforderers zu bringen, dann dürfte der Kampf schneller vorbei sein, als so mancher Fan des Briten hoffen wird. Hinzu kommt, dass der Titelverteidiger nicht nur einzelne harte Hände ins Ziel bringen kann, sondern auch über die Fähigkeit verfügt, mit vernichtenden Kombinationen einem Gegner schwer zuzusetzen. Vor allem, wenn dieser wie Khan aufgrund der Vergangenheit nicht als Knockout-Maschine bekannt ist und so weniger Gefahr ausstrahlt.

Zwar hat der Brite mehr Power, als es seine Knockout-Quote erahnen lässt. Immerhin konnte er unter anderem Marcos Maidana und Luis Collazo auf die Bretter schicken. Wirklich gefährlich dürfte er für Canelo in puncto vorzeitiges Kampfende allerdings kaum werden. Der letzte Knockout Khans datiert zudem aus dem Jahr 2012 gegen Carlos Molina. Führt man sich im Gegenzug etwa die Kämpfe Canelos gegen James Kirkland, Alfredo Angulo oder auch Austin Trout vor Augen, dann kann es in keine zwei Meinungen geben.

SPOX-Urteil: Vorteil Canelo

Kinn

Zwar wackelte Alvarez gegen Jose Miguel Cotto, den Bruder von Miguel Cotto, bedenklich. Das ist allerdings bereits fünf Jahre her. Der Mexikaner hat sich seitdem erheblich verbessert und versteht es, nicht so offen zu sein, wie es früher der Fall war. Zu Boden musste Canelo zudem nie. Die einzige Niederlage kassierte er gegen einen taktisch klug agierenden Mayweather, der ihn mit einzelnen Schlägen sezierte, ohne auf einen Knockout abzuzielen.

Bei Khan sieht die Sache etwas anders aus. Der Brite war nicht nur bereits am Boden, er kassierte auch zwei seiner drei Niederlagen durch Knockout. Vor allem gegen Danny Garcia rannte der 29-Jährige in sein eigenes Verderben. Dennoch ist das Kinn des Briten nicht so schlecht wie sein Ruf. Auch das neue Gewichtslimit kann sich positiv auswirken. So führte Khan in der Vergangenheit an, dass seine Probleme unter anderem an der großen Gewichtsabnahme lagen.

Gegen Boxer wie Maidana bewies der Brite zudem, dass er auch ordentlich einstecken kann. Dennoch erwarten die meisten Experten sowie Fans ein frühes Ende. "Natürlich spielen viele Faktoren eine Rolle, allerdings sehe ich den Kampf nicht länger als vier Runden andauern", analysierte etwa Erik Morales, selbst ehemaliger Weltmeister in vier Gewichtsklassen, gegenüber ESPN. "Es ist schwer abzuschätzen, aber wenn Canelo ihn trifft, ist die Sache schnell gegessen."

SPOX-Urteil: Vorteil Canelo

Ausdauer

Zum X-Faktor in puncto Ausdauer wird ohne jeglichen Zweifel das Gewicht beider Boxer avancieren. Dass Alvarez keinen Dauerdruck ausüben kann und sich bereits in der Vergangenheit notwendige Pausen gönnen musste, ist kein Geheimnis. Auch der Umstand, dass seine Workrate mit zunehmender Kampfdauer deutlich abnahm, verwundert nicht. Dennoch ist dieser Verschleiß weniger geworden. Sollte der Mexikaner allerdings wirklich auf an die 180 Pfund rehydrieren, könnte sein Stil eine völlig neue Dimension annehmen.

Ähnlich sieht es bei Khan aus, der mit über 160 Pfund in den Ring steigen möchte. Der Brite ist gegen Canelo auf seine Bewegungen und deshalb auch auf seine Kondition angewiesen. Das zu erwartende Plus an Muskelmasse könnte den Herausforderer wertvolle Vorteile in Sachen Geschwindigkeit kosten. Auch mental muss Khan die volle Distanz hellwach sein, Fehler durch Müdigkeit gilt es unbedingt zu vermeiden. Ein Umstand, den Hunter wohl sehr genau im Auge gehabt haben dürfte. Khan selbst fehlt jedoch die Erfahrung mit den Zusatzpfunden.

SPOX-Urteil: Unentschieden

Körperliche Verfassung

Beide Linksausleger werden in der bestmöglichen Verfassung sein. Allerdings wird Canelo klare Vorteile in Sachen Gewicht und Power haben. Die Marke von 170 Pfund wird er auf jeden Fall deutlich knacken, jedes weitere Pfund ist ein gern gesehener Bonus. "Ich denke, dass Canelo Vorteile haben wird. Er wird erheblich schwerer in den Ring steigen und deshalb wie ein Bully mit Khan umspringen", erklärte Errol Spence. Eine Einschätzung, die auch David Lemieux teilt. "Alvarez ist zu groß für Khan", sagte der ehemalige IBF-Champion gegenüber ESPN. "Ich denke, dass er Khan deshalb dominieren wird."

Der Brite, der gegen Canelo zwei Gewichtsklassen höher boxt als zuletzt, dürfte je nach Gewicht des Weltmeisters zwischen acht und 15 Pfund leichter sein. Auch die Tatsache, dass im Vorfeld keine Klausel zur Einschränkung der Rehydrierung in den Verträgen verankert wurde, spricht klar für Alvarez. Um jeden Preis den Gewichtsunterschied zu minimieren, wäre allerdings dennoch Khans größter Fehler. "Khan darf auf keinen Fall Geschwindigkeit gegen Muskelmasse eintauschen", erklärte beispielsweise Trainer Naazim Richardson, der unter anderem Bernhard Hopkins an die Spitze führte.

Abgesehen vom Gewicht hält sich der Unterschied zwischen beiden Boxern im Rahmen. Zwar ist Canelo der größere Mann im Ring. Der Mexikaner ist mit 175 Zentimetern allerdings nur einen Zentimeter größer als Khan. Bei der Reichweite hat der Brite mit 180 Zentimetern hingegen sogar den Vorteil auf seiner Seite. Sein Gegenüber bringt es hier auf einen Zentimeter weniger. Entscheidend ist dies aber nicht.

SPOX-Urteil: Vorteil Canelo

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Fähigkeiten

"Hunter hat aus Khan einen aktiveren sowie klügeren Kämpfer gemacht", lobte Steve Cunningham unlängst. "Er ist sehr schnell und kann Canelo Probleme machen", stimmte auch Robert Garcia gegenüber BoxingScene ein. Der Brite hat nicht nur extrem schnelle Hände, sondern verfügt darüber hinaus auch über solide Übersicht, sobald er das Seilgeviert betritt. Sein In-Ring-IQ ist zudem etwas höher einzuordnen als der seines Gegenübers. Auch hat Hunter an Khans Verhalten bei Treffern seines Gegners gearbeitet, das typische Erstarren oder zu offen sein, hat abgenommen, ist aber noch vorhanden.

Auch seine Beine sind zwar schneller als Canelos, allerdings sind die Bewegungen Khans mitunter zu eindimensional und damit vorhersehbar - ein Problem gegen den Mexikaner. Generell haftet Khan der Ruf an, seine Vorteile nicht entsprechend nutzen zu können. Gerade auf der Beinarbeit dürfte deshalb in der Vorbereitung großer Wert gelegt worden sein. "Khan hat die Geschwindigkeit in Händen wie Beinen, um Canelo zu schlagen. Er muss allerdings treffen und sich bewegen, treffen und bewegen", erklärte Trout wenige Wochen vor dem Showdown.

An Canelos Schlagkraft gibt es nichts zu rütteln. Auch im Ring hat sicher Mexikaner zweifelsohne in den letzten Jahren gesteigert, wenngleich das Gefühl, dass er durch seine Trainer etwas ausgebremst wird, noch immer allgegenwärtig ist. Seine Beinarbeit hat sich weiterentwickelt, ist allerdings von einem wirklichen Top-Niveau noch ein gutes Stück entfernt. Zudem lässt er bei all seinem Offensivdrang manchmal den eigentlich Plan etwas schleifen. Dennoch fühlt sich Canelo inzwischen auch in der Mittel- oder Langdistanz sicherer.

SPOX-Urteil: Vorteil Khan

Mentale Stärke

Die Niederlage gegen Mayweather war für Canelo zwar schmerzhaft, jedoch kein Weltuntergang. Der Mexikaner, der erst 22 Jahre alt war, konnte einiges lernen. Ein höheres Frustrations-Level als gegen den US-Amerikaner wird er wohl nie mehr erreichen. Zwar strauchelte er im Anschluss auch gegen Erislandy Lara. Die Siege gegen Alfredo Angulo, James Kirkland und Miguel Cotto dürften seinem Selbstvertrauen aber gut getan haben.

Auch die Tatsache, dass er noch nie zu Boden musste und Khan nicht die größte Knockout-Gefahr ausstrahlt sowie aufgrund von Alvarez' Konterstärke seiner Kombinationen beraubt werden dürfte, sprechen klar für den Weltmeister. Unterschätzen darf er seinen Kontrahenten allerdings nicht, wenngleich dieser gleich drei Niederlagen auf dem Konto hat und sich seiner Außenseiterrolle bewusst sein dürfte. Der Brite hat lange auf eine solche Chance gewartet.

"Viele schreiben Khan im Vorfeld ab, haben sogar Angst um seine Gesundheit", analysierte David Haye bei BoxingScene, schränkte aber ein: "Sie denken, dass es ein Mismatch ist. Aber ich sehe das etwas anders. Ich glaube, dass der Kampf ein wichtiger Schritt für ihn sein wird. Gerade, weil er der Underdog ist. Er wird einen grandiosen Kampf abliefern." Dass er von Mayweather und Manny Pacquiao ignoriert wurde, dürfte Khan zusätzlich im Kampf seines Lebens anstacheln.

SPOX-Urteil: Vorteil Canelo

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Fazit

Das Zauberwort des Kampfes lautet: Perfekt. Denn nur, wenn Khan einen perfekten Abend erwischt, sich nicht den kleinsten Fehler leistet und zudem seine Vorteile bei der Geschwindigkeit und den Beinen trotz der höheren Muskelmasse bewahren kann und diese auch nutzt, hat er eine Chance, die Überraschung des Jahres zu schaffen. Khan muss aus dem Kampf Laras gegen Alvarez lernen, sich an Mayweather orientieren und darf sich nie auf einen Schlagabtausch einlassen. Auch wenn er dafür seine Kombinationen teilweise außen vorlassen muss.

"Ich denke, dass Khan den perfekten Stil hat, um Canelo zu schlagen", ist sich auch Garcia, der Khan im Juli 2007 durch technischen Knockout besiegen konnte, sicher. "Es steht für mich außer Frage, dass Khan mehr Talent als Canelo hat. Wenn er die Power wegstecken kann und ein starkes Finish hat, dann hat er durchaus eine Chance, den Kampf für sich zu entscheiden." Auch Roach hält es für einen Fehler, "Khan keine Chance einzuräumen". "Er muss allerdings zwölf Runden lang wirklich perfekt boxen, um eine Chance zu haben. Er muss aufmerksam sein und der Power Canelos aus dem Weg gehen", sagte Roach BoxingScene. Khan müsse Canelo frustrieren, so Roach. Seine Geschwindigkeit wird zum Zünglein an der Waage.

Im Boxen ist die Antwort auf Geschwindigkeit allerdings seit jeher Timing. "Khan ist für Canelo ein Problem", sagte auch Richardson. "Er hat die Mittel ihm wehzutun." Aber: "Schafft es Canelo, seinen Gegenüber auszurechnen, hat Khan Probleme. Er darf es nicht erlauben, dass dies Canelo gelingt. Sonst wird er ihm mehr als wehtun", so Richardson weiter.

Schafft es Alvarez seinen Gegner zu timen - das wird er - und nutzt der Mexikaner dann seine Vorteile in Sache Power aus, wird der Brite den letzten Gong nicht erleben. Canelo weiß, dass ein Schlag alles entscheiden kann. Er wird die Ruhe bewahren, selbst wenn Khan gut in den Kampf findet. Nach einigen Treffern, wird der Herausforderer nachlassen und Mitte des Duells seinen Traum begraben müssen.

SPOX-Urteil: Canelo durch Knockout in Runde 7

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