"Stark wie kein Zweiter"

Carolin Blüchel
10. Oktober 200817:33
SPOXImago
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Fast vier Jahre nach seinem letzten Kampf und seiner Beinahe-Wahl zum Bürgermeister von Kiew steigt Vitali Klitschko noch einmal in den Ring. Der 37-jährige Champion im Ruhestand fordert am Samstag in der Berliner "O2-World" WBC-Weltmeister Samuel Peter heraus.

Zwei Rücken-Operationen, ein Meniskusschaden und ein Kreuzbandriss im Knie hatten Dr. Eisenfaust 2005 zum vorläufigen Karriereende gezwungen. Bei seinem Comebackversuch im vergangenen Jahr zog er sich während der Vorbereitung einen Bandscheibenvorfall zu und musste erneut unters Messer.

Nun ist Klitschko aber fit und will gegen den selbst ernannten Nigerianischen Albtraum die Rückkehr auf den Weltmeister-Thron schaffen. Einer, der ihm das nicht zutraut, ist ausgerechnet Lennox Lewis. Der Brite, der Klitschko 2003 eine seiner zwei Niederlagen zufügte, hat einen klaren Tipp. "Ich würde beim Wetten auf Samuel setzen. Peter gewinnt durch Knock-out", so Lewis im Interview mit "Welt online".

Klitschko-Trainer Fritz Sdunek hält bei SPOX deutlich dagegen. Außerdem verrät der 61-Jährige, dass es den wahren Bruderkampf schon längst gegeben hat.

SPOX: Nach vierjähriger Abstinenz gleich ein WM-Kampf ist schon mutig. Warum hat Vitali Klitschko nicht erst einen Aufbaukampf bestritten?

Fritz Sdunek: Ganz einfach: Das wäre Zeitverschwendung gewesen.

SPOX: Aber vier Jahre Wettkampfpause sind doch kein Pappenstil.

Sdunek: Es waren ja nicht wirklich vier Jahre. Vitali hat zweimal die komplette Vorbereitung absolviert. Beide Male mit der vollen Sparringsphase von vier Wochen. Und da hat er gemerkt, dass er immer besser wurde, immer sicherer. Außerdem hat er sehr viel Erfahrung und ist mental so stark wie kein Zweiter.

SPOX: Warum tut er sich diese Schinderei überhaupt noch einmal an? Er hat eine Familie, gesunde Kinder und er war doch schon einmal Weltmeister.

Sdunek: Das ist seine persönliche Herausforderung. Er hat nun mal mit seinem Bruder Wladimir den Traum, gleichzeitig Weltmeister zu sein.

SPOX: Klingt fast so, als war es Ihnen schon damals bei seinem verletzungsbedingten Rücktritt klar, dass Vitali irgendwann das Comeback versuchen würde.

Sdunek: Ja, es war schon absehbar. Er hatte ja nur aus taktischen Gründen den Titel niedergelegt, um ihn nicht zu blockieren. Dadurch konnten andere in der Zwischenzeit um den Titel boxen und er wurde zum "Weltmeister im Ruhestand" ernannt. Nur deshalb kann er jetzt sofort wieder um den Titel kämpfen.

SPOX: Anfangs hatte er ein Comeback aber stets ausgeschlossen.

Sdunek: Das war damals die Riesenenttäuschung im ersten Moment. Aber schon nach kurzer Zeit hat er zu mir gesagt: "Wir kommen zurück."

SPOX: Bei den ersten beiden Comeback-Versuchen wurde er ja wieder von Verletzungen gestoppt. Im vergangenen Jahr war es ein Bandscheibenvorfall in der Vorbereitung. Gab es nicht irgendwann den Zeitpunkt, an dem er das Handtuch werfen wollte?

Sdunek: Letztes Jahr hatten wir an und für sich gesagt, dass jetzt Schluss sein müsste. Aber dann ist die Operation so gut verlaufen. Vitali sagte zu mir: "Mach dir keine Sorgen, ich komme zurück. Du musst mir helfen, wir packen das wieder."

SPOX: Und es gab nie den leisesten Zweifel?

Sdunek: Zweifel bestehen natürlich immer, wenn man solch eine Operation hatte. Zumal es ja nicht der erste Bandscheibenvorfall gewesen ist. Dazu kommen noch die Kreuzbänder im Knie. Vitali hatte nun wirklich Pech genug.

SPOX: Kann er das heute so einfach ausblenden? Hat man nicht nach so viel Verletzungspech Angst vor einem erneuten Rückschlag?

Sdunek: Wenn er so denken würde, hätte er schon verloren. Wir gehen optimistisch an die Sache ran. Alle guten Dinge sind drei. Der dritte Anlauf für sein Comeback wird klappen.

SPOX: Ist seine Familie genauso optimistisch?

Sdunek: Seine Frau und seine Mutter waren nicht ganz so erfreut darüber, dass er noch mal antritt. Denn sie waren schon irgendwie erleichtert, als er damals seinen Rücktritt erklärt hatte. Aber sie akzeptieren seine Entscheidung. Und Vitali würde es nicht tun, wenn er sich nicht entsprechend fühlen würde.

SPOX: Wäre er auch als Bürgermeister von Kiew noch einmal in den Ring zurückgekehrt?

Sdunek: Erstmal sicherlich nicht. Aber jetzt bei der zweiten Wahl im Mai hätte er diesen Schritt auch gemacht, wenn er die letzte Wahl gewonnen hätte.

SPOX: Vitalis Gegner Samuel Peter hat vor sechs Jahren schon einmal gegen seinen Bruder verloren und war auch Sparringspartner von Wladimir. Ist das ein Vorteil?

Sdunek: Nein, Peter hat sich seitdem auch weiterentwickelt. Außerdem sind Wladimir und Vitali vom Boxstil her nicht zu vergleichen. Aber ich kenne Peter persönlich sehr gut. Ich habe alle seine letzten Kämpfe gesehen und weiß auch, wie er zu schlagen ist.

SPOX: Und das wäre wie?

Sdunek: Er ist physisch sehr stark und kann auch viel wegstecken. Aber er hat auch seine Schwächen. Wenn Vitali richtig fit ist, dann wird er ihn auch schlagen. Und es wird sicher nicht über die volle Distanz gehen.

SPOX: Sollte Vitali den Kampf gewinnen, gibt es zwei Weltmeister mit dem Namen Klitschko. Wie ist das noch zu toppen?

Sdunek: Wladimir hat den WBO- und IBF-Titel, Vitali kämpft jetzt um den WBC-Titel. Bleibt also nur noch der WBA-Titel von Nikolai Walujew.

SPOX: Ein Bruderkampf ist also weiterhin ausgeschlossen?

Sdunek: Ja. Das wird auch zukünftig so bleiben. In der Amateurzeit haben die beiden Sparring gegeneinander gemacht. Und da hat es immer doll geraucht. Seitdem haben sie sich geschworen, dass sie das nie mehr tun, geschweige denn gegeneinander boxen.