Floyd Mayweather Jr. steigt in der Nacht auf den 27. August (ab 3 Uhr live auf DAZN) gegen Conor McGregor in den Boxring. Während der US-Amerikaner auf einen weiteren Rekord schielt, will der Mann aus Irland die Welt schocken. Die SPOX-Redakteure Ben Barthmann und Jan Höfling erklären, wer das Seilgeviert als Sieger verlassen wird - und warum.
Von Ben Barthmann
Wenn wir ganz ehrlich sind, hat Conor McGregor schon vor dem Kampf gewonnen. Er kommt aus einer anderen Sportart und auch wenn er im Octagon einen Großteil seiner Kämpfe auf beiden Füßen stehend sehr erfolgreich ausgetragen hat, erwartet doch niemand ernsthaft einen Sieg des Iren gegen Box-Legende Floyd Mayweather.
Allein vom Faktor Geld ausgehend, und dieser ist für McGregor wahrlich nicht unwichtig, hat er bereits im Vorfeld alle Ziele erreicht. Er wird in der Nacht auf den 27. August aller Wahrscheinlichkeit nach mehrere Millionen dafür einnehmen, dass er sich auf die Nase hauen lässt. Die Folge? Eine kurze medizinische Pause - und was sonst? Nichts.
Den Mythos des unbesiegbaren Iren kann The Notorious schon lange nicht mehr aufrechterhalten. Seine Bilanz ist nicht 49-0, sondern 21-3. Auch nach der Niederlage gegen Nate Diaz erfolgte kein ernstzunehmender Kratzer an seinem Image. McGregor vermag es, Pleiten wegzureden wie kein Zweiter. Ganz besonders einfach ist dies, wenn er in einer anderen Sportart von einem der Besten aller Zeiten besiegt werden sollte.
Sieger auch bei einer Niederlage
Dementsprechend ist McGregor gewissermaßen auch im Fall einer Niederlage der "Sieger" des Kampfes. Mayweather hingegen hat nicht viel zu gewinnen - von den enormen Einnahmen abgesehen. Er ist lediglich ein großer Name, der seinem Kontrahenten noch mehr Aufmerksamkeit außerhalb der MMA einbringt.
Wirklich spannend wird es aber, wenn McGregor tatsächlich für einige Zeit mithalten oder Mayweather gar ein paar Treffer versetzen kann. Jeder Schlag wird die Geschichte des Underdogs stärken, der mit so wenig Erfahrung in den Kampf ging und einem übermächtigen Kontrahenten tatsächlich für eine Weile die Stirn bieten konnte.
Nahezu jede erdenkliche Möglichkeit für den Fight am Samstagabend ist deshalb ein "Sieg" für McGregor. Da ist nicht unbedingt entscheidend, welche Hand der Ringrichter am Ende in die Höhe zieht. McGregor hat schon jetzt gewonnen, daran ist nicht zu rütteln.
Das Unmögliche
Doch spinnen wir die Geschichte vom erfolgreichen Underdog einfach kurz weiter. Was ist, wenn der Ringrichter am Ende McGregors Hand in die Höhe hält? Dann schreibt er die ultimative Heldengeschichte. "We're not here to take part. We're here to take over", und so.
Wie es dazu kommen könnte? Sportlich - keine Ahnung. Mayweather ist großartig in dem, was er tut. McGregor genauso, aber er ist eben kein reiner Boxer. Was mich allerdings hoffen lässt, ist "dieses Ding", von dem UFC-Präsident Dana White so gerne spricht.
"Nennt mich Mystic Meg. Ich sehe Dinge voraus", sagte McGregor einst nach seinem Fight gegen Dustin Poirier. Es ist eben diese unglaubliche Aura und das alles einnehmende Charisma von McGregor, das dem Kampf seinen Reiz verleiht. Wenn er sagt, dass er Mayweather schlagen kann, dann kann er das auch.
Die Linke als Schlüssel
Die krachende Linke von McGregor und dazu seine herausragende Körperbeherrschung - ob das für Mayweather reicht, ist fraglich. Was McGregor aber definitiv besonders macht, ist seine unglaubliche Ruhe im Octagon. Er hat einen Plan, er kann sich anpassen, er weiß in jeder einzelnen Sekunde ganz genau, was er tut.
Und - das ist nicht definitiv nicht zu verachten - er steckt drin in Mayweathers Kopf. Tief drin. Das ließ sich in all den öffentlichen Duellen sehr gut herauslesen. Schon Jose Aldo wurde das Mind Game McGregors zum Verhängnis. Also: McGregor sagt K.o. in Runde zwei. Dann will ich das glauben. K.o. in Runde zwei. Mark my words!
Von Jan Höfling
Kurzfassung? Mayweather gewinnt, weil er Floyd Mayweather ist. Okay, das war einfach.
Im Ernst: McGregor mag zwar Vorteile auf dem Papier haben. Er ist elf Jahre jünger, wenige Zentimeter größer als Floyd, hat die größere Reichweite und mehr Power als sein Gegenüber. Doch was bringt ihm all das, wenn es in Las Vegas im Ring zur Sache gehen wird? Nichts. Er hat keine Erfahrung als Boxer und Luftlöcher kann man nicht ausknocken.
So gut sein Stand Up im Octagon auch sein mag, es hat ihn mit 18 Knockouts (sieben davon in der UFC) bei seinen 21 Siegen immerhin an die Spitze der Promotion von Präsident Dana White gebracht, in einem Boxring bleibt davon nicht viel übrig. Dass er mit Mayweather einem der besten Boxer aller Zeiten gegenübersteht, macht die Situation für den Mann aus Irland nicht besser. Einen Boxkampf kann er nicht gewinnen, denn dafür müsste er seinen Kontrahenten tatsächlich treffen - und das wohl sogar mehrmals.
Mayweather ist ihm boxerisch in allen Belangen überlegen, seine Shoulder-Roll-Defense wird McGregor - wie so viele Gegner zuvor - in den Wahnsinn treiben. Im Octagon funktioniert diese Form der Verteidigung nicht. Der Einsatz von Ellenbogen, Kniestößen, Tritten oder Takedowns ist bei einem Boxkampf allerdings keine Option, McGregor muss eine rein boxerische Lösung finden. Dafür ist er nicht nur zu unerfahren, sondern schlichtweg zu schlecht. Was bleibt, ist also der berühmte-berüchtigte Lucky Punch.
Lotterie-Ticket für McGregor
Ein Lucky Punch gegen Mayweather ist aber noch unwahrscheinlicher als ein Hauptgewinn in der Lotterie. Dummerweise hat McGregor dennoch das Ticket dazu: Die Power hinter seiner Linken. Die Chance ist verschwindend gering, allerdings handelt es sich bei dem Schlagabtausch beider Kämpfer um einen Boxkampf, in dem, das hat die Vergangenheit bewiesen, immer alles möglich ist. Es ist extrem unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Finanziell gesehen, kann der Ire das Ticket indes getrost aus dem Fenster werfen. In dieser Hinsicht gibt es ungeachtet vom Ausgang des Kampfes keinen Verlierer. Beide Kämpfer dürfen sich über den größten Zahltag ihres Lebens freuen. Während dieser bei Floyd durch seinen Status boxerisch über zwei Dekaden und 49 Kämpfen erarbeitet ist, überwiegt bei McGregor nahezu ausschließlich das Talent als Entertainer und Geschäftsmann.
Damit sollen auf keinen Fall seine Leistungen im Octagon abschätzig bewertet werden, dennoch ist er eigentlich in keiner Position, die es ihm erlauben würde, in einem Boxring und somit als reiner Boxer eine solche Bühne zu erhalten. Verliert er, hat er sich mit dem besten gemessen und kann in die UFC zurückkehren und einfach da weitermachen, wo er aufgehört hat. Gewinnt er, wird der nächste Zahltag vielleicht sogar noch größer.
Experimente? Auf keinen Fall
Bei Mayweather sieht das etwas anders aus, weshalb der US-Amerikaner trotz aller Ankündigungen, den Kampf vorzeitig beenden zu wollen, wohl die sichere Variante wählen wird. Etwas, das McGregor nicht freuen dürfte, da es die Chancen auf einen Glückstreffer durch einen Fehler seines Gegners minimiert. Ein Sieg und der damit einhergehende Rekord von 50 Erfolgen in ebenso vielen Kämpfen ist für Mayweather alternativlos. Alles andere wäre ein Debakel von epischem Ausmaß. Dass sich Floyd also zu Fehlern hinreißen lassen und somit McGregors Chancen auf eine Sensation erhöhen wird, glaubt niemand ernsthaft.
Durch seine Erfahrung und die Fähigkeit, sich Schlägen und erzwungenen Konfrontationen zu entziehen, wird Mayweather nicht nur den ersten Ansturm überstehen, sondern auch schnell seinen Rhythmus finden und einen wilden sowie zunehmend frustrierten McGregor klar in die Schranken verweisen. All die kleinen Tricks und Automatismen eines erfahrenen Boxers werden sich auszahlen, sogar den Referee wird er zu seinen Gunsten nutzen.
Ob es für einen Knockout reichen wird, hängt allerdings davon ab, ob der Ire wirklich All-In geht und in den ersten Runden die Entscheidung sucht, sich somit verausgabt und im Anschluss mit den Konsequenzen leben muss. Will McGregor die letzte Glocke erleben und agiert entsprechend, wird der Fight wohl auf den Scorecards entschieden. Dafür hat er das Kinn und Mayweathers Power war zuletzt seinem Alter entsprechend. Auf den Punktzetteln kann es aber nur einen Gewinner geben. Rekord, Mega-Zahltag und eine riesige Party mit jeder Menge leicht bekleideter Damen in einem Etablissement seiner Wahl: TMT at its best.