Mit einem Sieg über Manny Pacquiao könnte Antonio Margarito seinen beschädigten Ruf wieder aufpolieren. Er hat dabei allerdings ein großes Problem: Beim Duell um den WBC-Gürtel im Cowboys Stadium von Dallas tritt er gegen einen Übermenschen an.
Für Antonio Margarito geht es beim Kampf gegen Manny Pacquiao nicht nur um den vakanten Gürtel der WBC im Halbmittelgewicht. Es geht ihm auch nur ansatzweise darum, seinen philippinischen Kontrahenten auf dem Weg zum WM-Titel in der achten Gewichtsklasse zu stoppen. Das Verlangen, das Margarito am 13. November vor rund 60.000 Zuschauern in Dallas in den Ring treibt, ist die Wiederherstellung seines Rufes. Denn der hat in den letzten zwei Jahren enorm gelitten.
Einst einer der besten Weltergewichtler der Welt, musste Margarito eine herbe Niederlage gegen Shane Mosley einstecken und nach dem Entzug seiner Boxlizenz eine einjährige Sperre absitzen. Fast wäre nun auch noch der Kampf gegen Manny Pacquiao gescheitert, verweigerte ihm der Staat Kalifornien doch die Boxerlaubnis.
Wäre Texas nicht in die Bresche gesprungen - mit Margaritos Karriere wäre es rapide bergab gegangen. So aber hat er die Chance seines Lebens. Eine Chance, die man in der Gegend, aus der er kommt, nicht allzu oft bekommt.
Chavez und Paez lösen Tom und Jerry ab
Margarito wächst wie viele Boxer in ärmlichen Verhältnissen auf. Mit neun verkauft er Zeitungen auf der Straße, unterstützt seine Eltern beim Geldverdienen. Jeden Abend liefert er die wenigen Dollar-Scheine ab. Ein Zusatzverdienst, den seine Eltern dringend benötigen - um ihn und seine vier Geschwister durchzubringen.
Gemeinsame Unternehmungen sind ein Luxus, den sich die Familie kaum leisten kann. Doch eine Leidenschaft hat Margaritos Vater: das Boxen. Regelmäßig geht er zu Fights, schwärmt Antonio von den großen mexikanischen Boxern Julio Cesar Chavez und Jorge Paez vor - und nimmt ihn schließlich mit zu den Kämpfen.
Als der kleine Toni bei Chavez auf dem Schoß sitzt, hat ihn das Feuer für den Boxsport sofort gepackt. Vergessen sind seine bisherigen Helden Tom und Jerry. "Ich habe gesehen, wie Chavez und Paez von den Menschen umringt wurden. Ich habe meinem Vater gesagt, dass ich Boxer werde und eines Tages berühmt sein möchte."
Fünf Jahre WBO-Weltmeister
Mit seinem Wunsch rennt er beim Vater offene Türen ein. Nur einen Tipp gibt ihm sein Dad: "Wenn du in dieser Branche bist, tu es nicht fürs Geld. Mach es, weil du Weltmeister werden willst." Ein Rat, den sich Margarito zu Herzen nimmt.
Er fängt an zu trainieren, absolviert einen Kampf nach dem anderen. Und doch geht es ihm nicht schnell genug: Mit 15 Jahren und nach nur 21 Amateurkämpfen, von denen er 18 gewinnt, wechselt er ins Profigeschäft.
Von den ersten zwölf Kämpfen verliert Margarito drei, gewinnt danach aber 16 Fights in Folge. Diese Siegesserie qualifiziert ihn für seinen ersten Titelkampf: Gegen Daniel Santos geht es um den Gürtel der WBO im Weltergewicht. Doch schon in der ersten Runde kollidieren beide Boxer mit ihren Köpfen, können nicht weiterkämpfen. Der Fight wird abgebrochen.
Im nächsten Kampf hat Margarito erneut die Chance auf den Titel, diesmal gegen Antonio Diaz. Er siegt - und ist endlich Weltmeister. Erst fünf Jahre später verliert er den Gürtel an Paul Williams.
Entzug der Box-Lizenz
Aber Margarito gibt nicht auf, ihn treibt der Wunsch an, wieder Weltmeister zu werden. Und tatsächlich: 2008 knöpft er Kermit Cintron den IBF-Titel durch einen K.o.-Sieg in der sechsten Runde ab, verweigert aber eine Pflichtverteidigung und steigt stattdessen gegen den WBA-Weltmeister Miguel Cotto in den Ring. Der Boxer aus Puerto Rico ist noch ungeschlagen und geht als haushoher Favorit in den Kampf.
Der Fight beginnt wie erwartet: Margarito gibt eine Runde nach der anderen ab, die Nervosität in seiner Ecke steigt ins Unendliche. Doch dann fängt sich der Mexikaner - und beginnt, Cotto mit präzisen Schlägen einzudecken. In der elften Runde geht der Weltmeister zweimal zu Boden und sein Team wirft das Handtuch.
Margarito ist wieder zurück in der Weltspitze, allerdings liegt der Tiefpunkt seiner Karriere noch vor ihm. Im Januar 2009 unterliegt er überraschend Shane Mosley.
Doch der Verlust des Weltmeister-Titels ist nicht alles - in seinen Handschuhen wird Pulver gefunden: Ein Gemisch aus Sulfur und Kalzium, das in Verbindung mit Sauerstoff zu einer gipsartigen Substanz wird und deutlich härtere Schläge ermöglicht. Margarito wird für ein Jahr gesperrt, muss Spott einstecken und ertragen, dass seine bisherigen Siege in Zweifel gezogen werden.
Margarito: "Es ist der Kampf meines Lebens"
Der Kampf gegen Pacquiao ist seine Chance zur Rehabilitation, die Gelegenheit zur Wiedergutmachung und die Möglichkeit, erneut Weltmeister zu werden. Ein Sieg über den Filipino würde Margarito mit einem Schlag rehabilitieren, ihn in die Weltspitze zurückkatapultieren.
Doch Pacquiao ist nicht irgendwer: Weltmeister-Titel in sieben Gewichtsklassen, im unabhängigen Pound-for-Pound-Ranking von "boxrec" auf Platz zwei, mit einer Kampfbilanz von 51-3-2 hat er eine der besten Statistiken der heutigen Zeit. Und: Er ist neben seinem Dasein als Boxer auch noch Regierungschef der philippinischen Provinz Sarangani. Ein Perfektionist.
Aber Margarito hat sich gewissenhaft auf den Kampf vorbereitet, will mehr sein als nur ein Ersatz für Floyd Mayweather Jr., dem ursprünglichen Gegner des Pacman.
"Das ist der Kampf meines Lebens und für Manny wird es eine harte Nacht. Ich werde nicht aufgeben wie Oscar de la Hoya. Manny plant besser mal ein Rematch ein", so der Mexikaner. "Ich habe hart trainiert. Jeden Morgen laufe ich, abwechselnd durch den Park, am Strand oder in den Bergen." Sein Coach Robert Garcia bestätigt: "Er läuft wirklich non-stop. Margarito ist in einer sehr guten Verfassung. Er ist genau da, wo wir ihn haben wollten."
Sorgenfalten beim Pacquiao-Coach
Im Gegensatz zu Manny Pacquiao. Coach Freddie Roach hat zum ersten Mal Sorgenfalten auf der Stirn: "Das ist das schlimmste Trainingscamp in seiner ganzen Karriere." Schuld sind Pacmans politische Ambitionen: "Er hat Probleme mit den Füßen, weil er ständig schicke Schuhe tragen muss." Aber es ist nicht nur das.
"Ich weiß, dass er sich nicht auf den Kampf konzentriert. Er denkt an viele andere Sachen. Wenn es nach diesem Fight keine weiteren Herausforderungen mehr für ihn gibt, könnte es sein letzter Kampf gewesen sein. Er liebt die Politik und er könnte mit dem Boxen fertig sein", befürchtet Roach.
Kindheitstraum als Quelle für seine Motivation
Promoter Bob Arum sieht das entspannter: "Diese vielen Sachen hätten viele Fighter abgelenkt, aber nicht Pacquiao. Er hat Multitasking-Fähigkeiten, die ich noch bei keinem anderen Boxer gesehen habe. Ich habe gesehen, wie er nach einem ganzen Tag voller Meetings noch zum Training gegangen ist."
Pacquiao ist seit fünf Jahren ungeschlagen, hat namhafte Gegner wie Cotto, Ricky Hatton und de la Hoya in den Ringstaub geschickt - und wird sich seine Bilanz durch Margarito nicht verwässern lassen.
Der Mexikaner aber hat neben der Sorge um seinen Ruf noch eine ganz andere Quelle für seine Motivation: "Alle Kinder haben Träume - das ist aber auch alles, was sie haben. Die Möglichkeit, ihre Träume wahr werden zu lassen, haben nur ganz wenige." Fast hätte er sich dieser Möglichkeit selbst beraubt. Noch einmal soll ihm das nicht passieren.
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