Sturm gegen Hurrikan

Carolin Blüchel
31. Oktober 200817:26
SPOXImago
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Am Samstag kommt es in Oberhausen zum WM-Fight im Mittelgewicht zwischen Titelverteidiger Felix Sturm und Herausforderer Sebastian Sylvester. Ein Kampf zweier Boxer, die wohl niemals Freunde werden.

Die Giftpfeile flogen schon, da war der Kampf zwischen Mittelgewichts-Weltmeister Felix Sturm und Sebastian Sylvester noch Lichtjahre entfernt. Sturm sei arrogant und würde sich vor einem Schlagabtausch mit dem Hurrikan drücken, waren da noch die freundlichsten Worte seitens Sylvesters Wiking-Boxteam.

Hinzu kommt, dass sich die Berliner mit fast kleinkindlicher Hartnäckigkeit weigern, den Weltmeister bei seinem deutschen Namen Felix Sturm zu nennen. Stattdessen beharren sie auf Adnan Catic, dem Geburtsnamen des Weltmeisters.

Jetzt, da der als "Hass-Duell" propagierte Kampf seine Fortsetzung nun endlich im Ring findet, gibt sich der Herausforderer plötzlich ungewohnt kleinlaut. "Ich achte und respektiere Adnan schon seit seiner Amateurzeit", sagte Sylvester zu SPOX.

Viel mehr war ihm allerdings nicht zu entlocken. Die Nervosität scheint groß, schließlich ist es auch der erste WM-Kampf des 28-Jährigen. Selbst die Parole, er würde Sturm im Stile eines Hurrikans "jagen, rammen und versenken" wirkt eher auswendig gelernt als tatsächlich verinnerlicht.

Angst vor dem Terrell-Syndrom?

Warum nur diese plötzliche Zurückhaltung? Vielleicht spukt Sylvester ja der Name Ernie Terrell im Kopf herum. Jener Terrell bestand 1967 darauf, seinen Gegner Muhammad Ali stur Cassius Clay zu nennen. Die Folge: Ali war so verärgert, dass er trotz drückender Überlegenheit den Kampf über die volle Distanz ausdehnte, um Terrell die Prügel seines Lebens zu verpassen.

Darauf angesprochen will Sylvester jedoch keine Paralellitäten erkennen. "Wenn Adnan auch wie Ali seinen Glauben geändert, gegen sein Geburtsland demonstriert und eine andere Religion angenommen hat, erst dann ist es einen Vergleich wert."

Was Felix Sturm selbst über den Namensstreit denkt, und ob sich bei seinem Gegner langsam die Angst breitmacht, verriet der Weltmeister im Gespräch mit SPOX.

SPOX: Ihr Gegner Sebastian Sylvester ist bekannt für seine große Klappe. Doch je näher der Kampf rückt, desto zurückhaltender wird er. Hat er die Hosen voll?

Felix Sturm: Das wollen wir doch nicht hoffen. Die Zuschauer sollen einen Super-Kampf erleben, aber ohne irgendeine Geruchs-Belästigung.

SPOX: Es wird viel vom "Hass-Duell" gesprochen. Warum können Sie beide sich eigentlich nicht leiden?

Sturm: Von meiner Seite ist da null Hass. Den Mond stört es doch auch nicht, wenn der Hund ihn anbellt, oder? Sylvester ist die Nr. 1 der Herausforderer. Also stelle ich mich ihm.

SPOX: Stört es Sie gar nicht, dass er Sie partout nicht Felix Sturm nennen will, sondern weiter auf Adnan Catic besteht?

Sturm: Mein Vater nennt mich so, viele meine Freunde auch. Also, wo ist das Problem? Beim Lager von Sylvester habe ich bloß immer diesen fatalen Eindruck, dass man etwas Politisches ausdrücken möchte. Etwas, dass man auf manchen Fußballplätzen im Osten Deutschlands hört.

SPOX: Was hört man da?

Sturm: Nach dem Motto: Hey, du Ausländer, geh nach Hause.

SPOX: Es steckt also doch einige Brisanz in dem Duell. Was wird am Samstag passieren, wenn der Sturm auf den Hurrikan trifft?

Sturm: Im Lexikon steht, Hurrikane erhalten ihre Energie aus warmem Wasser. Treffen sie auf Land, wie in Oberhausen, verlieren sie meist viel Kraft. Und Hurrikane sind in der Vorwärtsbewegung ziemlich langsam, sie rotieren nur sehr schnell.

SPOX: Das klingt ja alles sehr optimistisch. Fast ein bisschen zu sehr. Besteht da nicht die Gefahr, Sylvester zu unterschätzen?

Sturm: Ich habe einmal in meiner Karriere einen Gegner unterschätzt, damals als ich gegen Javier Castillejo verloren habe. Das passiert mir nie wieder. Und ich sage es gerne noch mal: Sylvester ist die Nr. 1 der Herausforderer. Allein dafür verdient er jeden Respekt.

SPOX: Sie haben bereits ihren K.o. gegen Castillejo angesprochen. Eben jenen Spanier hat Sylvester selbst zu Boden geschickt. Hat das irgendetwas zu sagen?

Sturm: Nein, Quer-Vergleiche haben im Sport keine Bedeutung. Samuel Peter hatte Wladimir Klitschko 2005 dreimal am Boden. Und jetzt? Jetzt hat er gegen Vitali den lebenden Sandsack gegeben. Im Sport zählt nur das Hier und Jetzt.

SPOX: Für Sylvester ist es die erste WM-Chance, Sie sind dagegen schon ein alter Hase. Könnte die Erfahrung den Ausschlag geben?

Sturm: Eher weniger. Es wird um boxerische Klasse gehen, um Herz, um Intelligenz. Wer davon das meiste in die Waagschale wirft, gewinnt.

SPOX: Was, glauben Sie, wie Sylvester den Kampf angehen wird?

Sturm: Darüber mache ich mir weniger Gedanken. Ich habe meinen Plan und nach diesem werde ich boxen.

SPOX: Muss man sich mit seiner taktischen Ausrichtung nicht am Gegner orientieren?

Sturm: Doch schon. Es ist schon wichtig zu wissen, wer da vor einem steht. Schließlich musst du einen Tiger anders bekämpfen als einen Elefanten.

SPOX: Nach Ihrem letzten Kampf gegen Randy Griffin sagte Sylvester, es sei Ihre große Schwäche, nicht nachzusetzen, wenn Sie einmal getroffen haben. Was sagen Sie dazu?

Sturm: Wenn es soweit ist, dass ich mir von Sebastian Sylvester Ratschläge für das Boxen holen muss, fange ich mit Billard an.