Der WM-Sieg gegen Deontay Wilder hebt Tyson Fury endgültig auf eine Stufe mit seinen legendären Vorgängern. Wie aber geht es für den "Gypsy King" weiter? Und was wird aus dem "Bronze Bomber"? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welches Standing hat Tyson Fury im Schwergewichtsboxen?
Es gibt Dinge an Tyson Fury, die man in aller Schärfe verurteilen muss, auch wenn er sich dafür öffentlich längst entschuldigt hat. Denken wir nur an seine rassistischen, homophoben und frauenfeindlichen Äußerungen vor ein paar Jahren zurück.
Auf die sportlichen Leistungen heruntergebrochen, fällt das Fazit über den "Gypsy King" allerdings ebenso eindeutig aus - nur eben positiv: Der 33-jährige Engländer ist der größte Schwergewichtsboxer seiner Zeit.
Letzte Zweifel daran wischte Fury mit dem dritten Kampf gegen Deontay Wilder am Sonntagmorgen auf eindrucksvollste Art und Weise beiseite. In einem der besten und härtesten Boxkämpfe seit Jahren setzte sich der 2,06-Meter-Riese aus Manchester durch - und bewies dabei unglaubliche Comeback-Qualitäten.
Fury ging gegen Wilder, der für viele Experten der beste Puncher der Schwergewichts-Geschichte ist, in der vierten Runde gleich zweimal zu Boden. "In der Regel steht niemand auf, der von Wilder niedergeschlagen wurde. Aber Fury ist die Ausnahme von allen Regeln", schrieb ESPN. Fury stand auf, dominierte seinen Herausforderer aus den USA in der Folgezeit mit einer absoluten Weltklasse-Leistung und knockte ihn in der elften Runde aus.
"Ich bin der Beste der Welt, Wilder ist der Zweitbeste", sagte Fury nach dem Fight in der Wüste vor den Toren Las Vegas' und liegt damit richtig. Diesen zweitbesten Schwergewichts-Boxer hat Fury nach seinem TKO-Sieg gegen den "Bronze Bomber" im Februar 2020 nun bereits zum zweiten Mal frühzeitig geschlagen.
gettySieg gegen Wladimir Klitschko (einstimmig nach Punkten), zwei Siege und ein Unentschieden gegen Wilder, in 32 Kämpfen ungeschlagen - Fury ist ohne jede Diskussion aktuell DER Dominator des Schwergewichtsboxens. Auch Anthony Joshua und Alexander Usyk, gegen die Fury bisher nicht geboxt hat, sind schwächer einzuschätzen.
Was Fury zusätzlich zu einem besonderen Champion macht, ist die Vergangenheit. Nach seinem Sieg gegen Klitschko 2015 fiel der "Gypsy King" in ein tiefes Loch. Psychische Erkrankungen, darunter Depressionen, aus denen Selbstmordabsichten entstanden, Alkohol, weitere Drogen, das volle Programm. Fury galt als am Ende, ehe er zweieinhalb Jahre später in den Ring zurückkehrte und Geschichte schrieb.
Das alles führt dazu, dass Fury zumindest auf sportlicher Ebene nun im gleichen Atemzug mit seinen großen Vorgängern zu nennen ist. Klitschko, Lennox Lewis, Evander Holyfield, Mike Tyson, George Foreman, Muhammad Ali & Co.
Wie geht es für Tyson Fury weiter?
"Rausgehen, einige Drinks genehmigen, eine Zeit lang nicht an Boxen denken und einfach genießen", antwortete Fury nach dem Kampf gegen Wilder auf seine näheren Zukunftspläne angesprochen.
Sportlich kann es für den WBC-Champion eigentlich nur ein Ziel geben: Ein Vereinigungskampf, um sich auch noch die WM-Gürtel der Verbände WBA, WBO und IBF zu sichern.
Die hält nach seinem überraschenden Sieg gegen den Engländer Anthony Joshua derzeit der Ukrainer Alexander Usyk. Wie allerdings das Management beider Boxer mitteilte, wird es zunächst zu einem Rückkampf zwischen Usyk und AJ kommen. Dieser soll im Februar oder März 2022 in Kiew oder auf englischem Boden über die Bühne gehen.
Deshalb muss sich Fury vorerst gedulden und aller Voraussicht nach vor einem potenziellen Vereinigungskampf gegen Joshua oder Usyk einmal zur Pflichtverteidigung antreten. Ende Oktober ermitteln der Brite Dillian Whyte und der Schwede Otto Wallin den möglichen Herausforderer.
Ein Kampf gegen Joshua in England wäre nach wie vor die ultimative Krönung, aber Fury wird es nehmen, wie es kommt. Dass er vor absolut keinem Boxer auch nur Respekt hat, stellte er bereits klar: "Wilder, Joshua, Usyk. Sie sind alle Penner. Im Vergleich zu mir sind sie ein Nichts."
Wie gehts für Deontay Wilder weiter?
Wilder, der von 2015 bis 2020 WBC-Champion war, ist bereits 35 Jahre alt. Nach seinen zwei Niederlagen gegen Fury nach zuvor 43 ungeschlagenen Kämpfen müsste sich der US-Amerikaner erstmal weit hinten anstellen, ehe er wieder eine Chance auf einen Titel-Fight bekommt.
Dass der "Bronze Bomber" in den kommenden Tagen sein Karriereende verkünden wird, ist also durchaus im Bereich des Möglichen. "Er wurde fair und anständig geschlagen und das war es dann für Wilder. Ich wäre überrascht, wenn er jemals wieder boxen würde", meinte Fury auf Wilders Zukunft angesprochen.
Wilders Ex-Promoter Lou DiBella sieht es ähnlich: "Ich glaube nicht, dass man sich von zwei so brutalen Niederlagen erholen kann. Aber ich möchte trotzdem niemals ein negatives Wort über Deontay hören. Er hat gezeigt, dass er ein großer Kämpfer ist und hat einfach gegen einen Mann verloren, der der bessere Boxer ist."
Wilder selbst, der nach dem Kampf zu Untersuchungen ins Krankenhaus gebracht wurde, wollte sich noch nicht zu seiner Zukunft äußern. Im Gegensatz zu seinen Ausreden bei der ersten Pleite gegen Fury (Kostüm zu schwer und Gewichte in Furys Handschuhen), erkannte er seine Niederlage aber diesmal an.
"Ich habe mein Bestes gegeben, aber es war nicht gut genug", sagte Wilder: "Ich bin mir nicht sicher, was passiert ist. Fury ist gekommen, um sich auf mich zu stürzen und zu versuchen, mich zu vermöbeln. Und das ist ihm gelungen."