Am 3. Spieltag der Premier League treffen Phil Taylor und Raymond van Barneveld zum 78. Mal aufeinander (live auf DAZN). Wenn sich die beiden Darts-Legenden am Oche duellieren, bekommt jeder Darts-Fan Gänsehaut - es könnte aber der letzte Showdown in der mitreißendsten Rivalität in der Geschichte des Darts sein. SPOX schwelgt in Erinnerungen und wirft einen Blick auf fünf große Duelle zwischen Taylor und Barney.
Rivalitäten hauchen dem Sport Leben ein. Tennis-Fans etwa hielt es bei den schier endlosen Abnutzungskämpfe zwischen Rafael Nadal und Roger Federer nicht mehr auf den Stühlen, die deutsche Fußball-Welt starrt derzeit gebannt auf die Bildschirme, wenn der BVB die Bayern fordert.
Beinahe jede Sportart hat ihre eigenen epischen Rivalitäten - so auch Darts: Phil Taylor gegen Raymond van Barneveld. Der eine krönte sich geschmeidige 16 Mal zum Weltmeister, der andere löste in den Niederlanden einen Darts-Boom aus. Jeder für sich hat eine Ausnahmestellung, zusammen haben sie großen Anteil daran, dass Darts ein Spektakel für Millionen Zuschauer wurde.
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Passenderweise bedient sich Barney in der obersten Kategorie, wenn er sein Verhältnis zu Taylor für Darts-Neulinge erklärt. "El Clasico" sei die geeignete Beschreibung, angelehnt an die Machtkämpfe zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid.
Zwar zieht auch The Power gerne Fußball-Vergleiche, sieht die Duelle mit dem niederländischen Widersacher aber eher auf einer Wellenlänge mit "Manchester United gegen Bayern München". Vom Fußball losgelöst fühlt er sich an "Tyson gegen Muhammad Ali" erinnert.
Ihren Ursprung hatte die Geschichte der beiden Kontrahenten bereits 1990, als Taylor im Rahmen des WDF Europe Cup Singles Winners das erste Match der beiden Dauergegner für sich entschied. Insgesamt trafen sich die beiden unglaubliche 77 Mal auf der Bühne, wobei das Pendel ganz klar Richtung Taylor ausschlägt: 56 Mal zwang er Barney in die Knie, der seinerseits 17 Mal jubelte. Vier Mal endeten die Paarungen remis. Dabei konnten beide lange Zeit nur bestaunen, wie der jeweils andere seinen Verband in Grund und Boden dominierte, ehe der ehemalige Postbote Barney 2006 endlich zur PDC wechselte. Sein erklärtes Ziel: Seriensieger Taylor entmachten.
Barney rüttelte am Thron Taylors, stürzte den Rekordweltmeister bei der WM 2007 sogar, ehe Taylor Revanche nahm und van Barneveld in die Schranken verwies. Nach Taylors angekündigtem Karriereende könnten am Donnerstag die Fans in Leeds Zeuge des letzten Duells der beiden werden. Keine Aufzählung von nackten Zahlen kann je das Feuer zwischen den beiden Rivalen ausreichend beschreiben, vielmehr lebt die Paarung von Emotionen, Kampf und Ehrgeiz. SPOX blickt auf fünf große Duelle zwischen den beiden Legenden.
23. März 2006: Das erste Aufeinandetreffen bei der PDC
Rechtzeitig zur Premier-League-Saison 2006 entschied sich Barney, seine Pfeile künftig unter dem Logo der PDC aufs Brett zu zirkeln. Und am fünften Spieltag kam es zur mit Spannung erwarteten Konfrontation mit The Power.
Doch Barney hatte den Fans bereits in seinem ersten Match Spektakel geboten und schmetterte Peter Manley kurzerhand seinen ersten TV-Neundarter um die Ohren. Hübsch!
Und auch im Highlight-Match des Abends präsentierte sich RvB in ansprechender Verfassung und nahm durchschnittlich 100,69 Punkte von der Uhr. Aber Taylor hielt ebenfalls mit einem Topwert dagegen und knöpfte sich pro Aufnahme 100,88 Punkte vor. Ausgeglichener geht es kaum. Dementsprechend beackerten sich die beiden Kontrahenten über die komplette Distanz, ohne einen Sieger zu küren - am Ende hatten beide sieben Legs auf der Habenseite.
Damit verteidigten sie zwar ihre Unschlagbar-Serie der laufenden Saison, allerdings mussten beide auch erstmals mit einer Punkteteilung leben. Wer ist denn nun der Beste der Welt? Antwort vertagt.
1. Januar 2007: Das beste Match aller Zeiten
Es gibt Abende, an denen alles zusammen passt. So auch am 1. Januar 2007. Austragungsort? Die altehrwürdige Circus Tavern. Zum allerletzten Mal wird ein großes Darts-Ereignis in Purfleet ausgetragen. Anlass? WM-Finale. Protagonisten? Taylor und van Barneveld. Es war angerichtet.
Doch das, was die beiden Legenden an diesem Abend auf der Bühne abfackelten, pulverisierte die perfekten Rahmenbedingungen förmlich. Aber alles der Reihe nach...
Taylor sorgte gleich zu Beginn für klare Verhältnisse und galoppierte mit 3:0 Richtung WM-Titel. "Bei 0:3 hatte ich geglaubt, nicht einen Durchgang gewinnen zu können", gestand Barney nach der Partie. Doch er biss sich zurück, spielte sich förmlich in einen Rauschzustand und warf The Power solide 21 180er ins Gesicht.
Wie reagierte The Power? Er stemmte sich im Stile eines Champions gegen die Niederlage und blieb in den entscheidenden Szenen cool. Das Darts-Match mutierte zu einem Spektakel. Die Legenden produzierten einen Average jenseits der magischen 100er Grenze und weder Barney noch Taylor konnten sich in der Schlussphase vom Gegner absetzen - 6:6 in Sätzen, 5:5 in Legs. Sudden Death.
Und für alle Fans, die sich nicht sicher waren, wo sie das Match auf einer Skala zwischen weltklasse, brillant und legendär ansiedeln sollten, hatten die beiden Akteure noch ein Zuckerl über. Den Decider.
Barney schnappte sich den Anwurf, doch der Niederländer sah das Leg nach einer geizigen 100 direkt von einem Maximum attackiert. Barney konterte kurzerhand ebenfalls mit einer maximalen Aufnahme. Unfassbar!
Das saß. Taylor schickte seine Aufnahme ins Nirvana, sammelte dünne 40 Punkte und öffnete die Tür für Barneys Herzenstraum. Doch auch Barney ließ Federn und Taylor bekam die Chance auf ein High-Finish. Ohne Erfolg.
Barney machte es besser und setzte sich mit seinem insgesamt sechsten Matchdarts die lang ersehnte Krone auf. Nach drei Stunden epischem Darts. "Das Finale gegen Taylor war das beste Spiel meiner Karriere", frohlockte Barney im Gespräch mit SPOX. Für van Barneveld war es nicht nur die Erfüllung der Mission, Taylor zu bezwingen, sondern auch die Eintrittskarte in den exklusiven Klub der PDC-Weltmeister. Insgesamt kamen lediglich sieben Profis in den Genuss dieses Tickets. Und das im besten Match aller Zeiten.
4. Januar 2009: Taylor nimmt Revanche
Was für eine Majestätsbeleidigung! Nachdem Taylor von 1995 bis 2006 mit einer ordentlichen Portion Selbstverständlichkeit und Dominanz übers Parkett spazierte und elf von zwölf möglichen WM-Titeln einheimste, ging The Power 2007 und 2008 leer aus. Erstmals in der PDC-Geschichte kassierte die Konkurrenz zwei WM-Trophäen in Serie (Barney und Part). Skandal!
Das ließ der Rekordweltmeister natürlich nicht auf sich sitzen. Bei der WM 2009 meldete sich Taylor nach seiner "Durststrecke" eindrucksvoll zurück. 7:1 stutzte The Power Barney zurecht und stellte dabei mit einem Fabelaverage von 110,94 einen neuen Rekord auf. Bis heute konnte niemand in einem WM-Finale pro Aufnahme mehr Punkte scoren. Es gibt eben nur einen Phil Taylor.
"Ich habe diese Trophäe bisher zwei Mal gewonnen und jetzt gehört sie mir und die PDC muss eine neue kaufen", scherzte Taylor nach seiner Machtdemonstration. "Ich habe jede PDC-Trophäe und wenn man sie vergleicht, stellt man fest: Die Trophäen werden immer größer."
Der Sport wird populärer, die Pokale werden pompöser, die Schecks werden fetter. Während Dennies Priestley 1994 für seinen Sieg bei der Premieren-WM der WDC (später in PDC umbenannt) schmale 16.000 Pfund einstrich, wurde Taylor 2009 für seinen 14. WM-Titel mit 125.000 Pfund entlohnt. Zum Vergleich: 2017 flossen 350.000 Dollar in das Portemonnaie von Champion Michael van Gerwen.
30. Dezember 2012: Eklat im WM-Halbfinale!
Selten stiegen Taylor und van Barneveld die Emotionen zu Kopf, an diesem Tag lief das Fass aber über. Nach einem (wieder mal) spannungsgeladenen Fight behielt Taylor die Oberhand und sein Jubel ließ keine Zweifel: Das war nicht irgendein Sieg für The Power. Gewinnerfaust Richtung Publikum, erleichterter Jubelschrei zu seinen Anhängern. Auf dem Weg zum Abklatschen mit den PDC-Verantwortlichen dreht sich Taylor um und streckte die Faust Richtung Barney.
Dieser starrte wie ein begossener Pudel auf seine Pfeile und regte sich nicht. Als The Power die Glückwünsche der Offiziellen entgegengenommen hatte, folgte das obligatorische Abklatschen zwischen den beiden Kontrahenten. Während der Gewinner schnellstmöglich wieder feiern wollte, hielt van Barneveld ihn fest und zog ihn zurück.
Der Versuch, den Briten in die Arme zu schließen scheiterte ebenso, wie eine Versöhnung auf der Bühne. Taylor befreite sich wuchtig aus dem Griff, erntete dafür einen kleinen Schubser, was wiederum in einem Wortgefecht mündete. Sichtlich gereizt packte Taylor seine Darts ein und stampfte von der Bühne. Um Schlimmeres zu verhindern, sah sich ein Security-Mitarbeiter genötigt, einzugreifen.
Doch wie konnte es soweit kommen? Van Barneveld erwischte einen Kaltstart, der eisiger kaum hätte sein können. Taylor sagte Danke und schnappte sich die komfortable Führung (5:1). Aber was nach einem lockeren Weiterkommen für den Rekordweltmeister aussah, avancierte zu einem spannenden Krimi. Barney wachte auf und sackte Satz um Satz ein - plötzlich war die Führung auf einen mickrigen Satz geschmolzen. Das Publikum im ausverkauften Alexandra Palace quittierte die Aufholjagd mit seiner Gunst. "Barny Army", hallte es durch die Halle.
Aber die Hypothek war für den heute 49-Jährigen einfach zu groß. Taylor trotzte dem Höhenflug seines Rivalen und zog mit einem 6:4-Erfolg doch noch ins Finale ein. Der Rest ist Geschichte.
Immerhin zeigte Taylor später Reute. Er habe sich fürchterlich verhalten und könne sich nur entschuldigen: "Ich fühle mich schrecklich, so etwas wird niemals wieder passieren."
30. Dezember 2016: Das letzte Aufeinandertreffen
Vor dem WM-Viertelfinale 2017, das gleichzeitig das 77. und bislang letzte Duell der beiden Legenden markierte, prophezeite Taylor gegenüber Sport1 großes Tennis. "Es wird ein Klassiker. Das ist wie Holland - Deutschland im WM-Finale. Im Darts wird's nicht größer."
Allerdings konnten Taylor und van Barneveld beim fünften WM-Aufeinandertreffen (es war Barneys zweiter Sieg) den Vorschusslorbeeren nicht gerecht werden. Während sich die Fans ein Highscoring-Festival erhofften, präsentierten die Legenden deutlich zweistellige Averages und Doppel-Quoten klar unter 50 Prozent.
Immerhin sorgte der Niederländer für ein paar Highlights, in dem er dank zweier High-Finishes mit 3:1 davon zog. Danach warf Barney allerdings reihenweise Backsteine an das Brett und konnte Taylors Aufholjagd aus nächster Nähe bestaunen. Barney war unzufrieden und winkte nur noch ab.
Aber auch Taylor bekam keine Konstanz in seine Aufnahmen und verfehlte am laufenden Band Triple-Felder, was wiederum Barney auf den Plan brachte. Am Ende triumphierte der vierfache Weltmeister mit 5:3 über dem 16-maligen Weltmeister.
Nach dem Match hatte Barney noch einen Seitenhieb im Köcher. So ließ van Barneveld den Engländer auf der Dartsscheibe unterschreiben - normalerweise ein Ritual von Taylor. "Ich hatte nicht vor, das zu machen. Aber warum eigentlich nicht?", erklärte der Niederländer bei Sport1 und fügte an: "Er macht das schließlich immer. Jetzt kriegt er es mal zurück."
Taylor selbst ließ sich nicht hinter dem Ofen herlocken und gab vorerst keine Interviews. Sofort brodelte die Gerüchteküche. Hört er auf? War das das letzte (WM-)Match von The Power? Nein!
Der Engländer, der jahrzehntelang das Feld überragte, ließ die Darts-Fans zappeln, ehe er verkündete: Das war es noch nicht! Taylor wird seine Karriere 2017 wie angekündigt auf Sparflamme ausklingen lassen, ehe er bei der WM auf der größtmöglichen Bühne seinen letzten Pfeil als Profi wirft - wie es sich für eine Legende gehört. Vielleicht trifft er dann ja ein letztes Mal auf seinen Lieblingsrivalen.