Warum Cesc? Barca hat doch Thiago Alcantara

Von Thomas Gaber
Thiago Alcantara vom FC Barcelona war der beste Spieler des Audi Cups 2011
© Getty

Der FC Barcelona holte sich seinen ersten Titel der neuen Saison dank eines Spielers, der in Zukunft für viel Furore sorgen könnte - auch im besten Mittelfeld der Welt. Auch beim FC Bayern tut sich was auf der Spielmacherposition. Außerdem: Kevin-Prince Boateng als etwas anderer Zehner.

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Thiago Alcantara: der neue Xavi, nur torgefährlicher

Seit Jahren versucht der FC Barcelona, Cesc Fabregas nach Katalonien zurückzuholen. In diesem Sommer wurden die Bemühungen mal wieder intensiviert. Dabei herrscht im Barca-Mittelfeld akut keinerlei Bedarf. Busquets, Iniesta, Xavi, Mascherano, Keita, Afellay - kaum eine Mannschaft ist in Europa im zentralen Mannschaftsteil derart gut besetzt wie der Champions-League-Sieger.

In der Rückrunde der letzten Saison kam ein weiterer Spieler hinzu, der beim Audi Cup in München nachhaltig bewies, dass da der nächste Star aus der Barca-Talentschmiede heranwächst: Thiago Alcantara.

Der 20-Jährige hat mit seiner Größe von 1,72 Meter und dem relativ schmächtigen Körper nicht nur die gleiche Physiognomie wie Iniesta und Xavi, er passt seinen Stil auch dem der beiden Superhirne an: stets in Bewegung, immer anspielbar, kurze Kontakte. Von seinen 90 Pässen im Audi-Cup-Finale gegen die Bayern spielte Thiago als Xavi-Ersatz im Mittelfeld nur einen langen Ball.

Selbst die Fähigkeit, mehrere Spielzüge im Voraus gedanklich durchzugehen, hat Alcantara schon verinnerlicht. Wann immer sich Soriano aus dem Sturmzentrum fallen ließ und Holger Badstuber oder Jerome Boateng aus der Viererkette zog, war Thiago schon auf dem vertikalen Weg Richtung Tor, um in die entstandene Lücke zu stoßen.

Beeindruckend ist Thiagos Effizienz im Abschluss: alle drei Torschüsse beim Audi Cup waren erfolgreich. Hier hat Thiago vielleicht sogar einen Vorteil gegenüber Xavi, der weltbester Stratege ist, aber wenig torgefährlich.

Thiago hatte im Finale 108 Ballkontakte, die zweitmeisten nach Keita (112). Interessant: Bis zu seiner Auswechslung in der 61. Minute spielte Iniesta fast doppelt so oft Thiago an als umgekehrt. Vom Ball ist Thiago kaum zu trennen, auch nicht mit unfairen Mitteln. Gegen die Bayern bestritt er 23 Zweikämpfe - und wurde nur einmal gefoult.

Toni Kroos: Effektiv - in (fast) jeder Hinsicht

Die kommende Saison ist vielleicht die letzte Chance für Toni Kroos, sich endlich beim FC Bayern durchzusetzen. Mit Jupp Heynckes hat er seinen Förderer aus Leverkusen wieder und den Trainer in der Vorbereitung offenbar auch überzeugt.

Unmittelbar vor Saisonstart ist Kroos Kandidat Nummer 1 für die Zehnerposition. "Es wäre schön, wenn das tatsächlich so wäre. Ich habe in der Vorbereitung oft auf der Zehn gespielt und Spaß dran", sagte Kroos zu SPOX.

Im Vergleich mit den anderen Spielmachern des Audi Cups schnitt Kroos überdurchschnittlich gut ab und erreichte in mehreren Kategorien Spitzenwerte: meiste Torschüsse (5), meiste Torschussvorlagen (5), beste Passquote (93 Prozent - wie Joao Paulo/Internacional), am meisten zurückgelegte Kilometer in einem Spiel über 90 Minuten (10,69 km). Zudem erzielte er ein sehenswertes Tor gegen Milan und war der Spielmacher, der die meisten Fouls auf sich zog (5).

Heynckes' Variante, in Riberys Abwesenheit Müller für Kroos zu "opfern" und auf links zu ziehen, erwies sich als vielversprechend: beide bereiteten gegen Milan zusammen zwölf Torschüsse vor.

Allerdings muss Kroos seinen krankhaften Mangel an körperlicher Robustheit abstellen. Er verlor 57 Prozent seiner Zweikämpfe.

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Kevin-Prince Boateng: der etwas andere Zehner

Seit Wochen wird in italienischen Medien über den mysteriösen Mister X spekuliert, der Milans Spielgestalter im 4-3-1-2 werden soll. Angeblich ganz oben auf der Liste: der Brasilianer Ganso vom FC Santos.

Trainer Massimiliano Allegri drängt nicht auf einen Transfer. In Kevin-Prince Boateng sieht der Milan-Coach den geeigneten Mann hinter den Spitzen. Boateng, der auch in der Dreier-Mittelfeldreihe rechts spielen kann, bringt seine eigenen Qualitäten als Zehner ein. Er ist nicht der klassische Spielgestalter, sondern lebt von seiner enormen Laufbereitschaft und Zweikampfstärke.

Gegen den FC Bayern gewann er 67 Prozent seiner direkten Duelle - ein exzellenter Wert als Zehner. In 62 Minuten spulte er zudem fast acht Kilometer ab und zog neun Sprints an.

Darunter leidet allerdings die Bindung zu den Angreifern. Boatengs Bilanz gegen Bayern: 0 Tore, 0 Torvorlagen, 0 Torschüsse, 0 Torschussvorlagen. Von seinen 28 Pässen spielte Boateng nur sieben zu einem der Stürmer.

Als Spielmacher gegen Barca: Malochen!

Boateng wäre mit seiner aggressiven Spielweise vermutlich der richtige Zehner gewesen gegen den FC Barcelona. Zum Duell mit dem Champions-League-Sieger kam der AC Milan jedoch nicht.

Wenn der Gegner Barca heißt, müssen alle Mittelfeldspieler in erster Linie verteidigen. Je mehr Spieler hinter dem Ball sind, desto eher kann das Pass- und Positionsspiel der Katalanen unterbunden werden.

Die Statistik liefert eindeutige Zahlen, dass der Spielmacher weniger Einfluss auf die Mitgestaltung der eigenen Angriffe hat, wenn es gegen Barca geht.

Andres D'Alessandro von Internacional de Porto Alegre hatte gegen Barca im Halbfinale 48 Ballkontakte und spielte 35 Pässe in 83 Minuten. Sein Ersatz im Spiel um Platz drei gegen Milan, Joao Paulo, kam auf 55 Ballkontakte und 36 Pässe in 67 Minuten.

Bei den Bayern das gleiche Bild. Kroos gegen Milan: 79 Ballkontakte, 62 Pässe in 90 Minuten, David Alaba gegen Barca: 33 Ballkontakte, 19 Pässe in 67 Minuten.

Wie wenig eine Mannschaft gegen Barcelona selbst die Initiative ergreifen kann, beweist die Anzahl der Pässe aller Spieler. Spielten die Bayern gegen Milan noch 506 Pässe, davon 465 zum Mitspieler (Quote 91,9 Prozent), waren es im Finale nur 327, davon 263 erfolgreich (80,4 Prozent).

Zum Vergleich: Barca kam im Finale auf 697 Pässe (622 erfolgreich, 89,2 Prozent) - mehr als doppelt so viel wie der FC Bayern. Auch bei den Ballkontakten war der Unterschied groß: Barca 844, Bayern 500.

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