"Fühle mich nicht ungerecht behandelt"

David Schmitt
26. März 201517:33
Maik Zirbes hat sich in Belgrad nach seinem Wechsel aus Bamberg schnell zurecht gefunden getty
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Maik Zirbes wechselte vor dieser Saison von den Brose Baskets Bamberg nach Belgrad zu Roter Stern. Oft musste sich der Nationalspieler Kritik gefallen lassen, hegt aber keinen Groll. Im SPOX-Interview spricht Zirbes zudem über die neue Kultur, seinen Trainingspartner Boban Marjanovic und die Chancen des DBB bei der EM im eigenen Land.

SPOX: Maik Zirbes, Sie sind nun rund ein halbes Jahr in Belgrad. Wie läuft es mit dem Serbisch? Auf Ihrem Facebook-Account klappt es ja schon recht gut.

Maik Zirbes: Ich bin fleißig am Lernen. Es ist nicht ganz so einfach, aber ich kann doch ordentlich kommunizieren und mich unterhalten. Ich kann mir zumindest meinen Kaffee und mein Brötchen bestellen. Bei größeren Dialogen hapert es allerdings noch.

SPOX: Nicht nur die Sprache, auch die Kultur in Serbien unterscheidet sich sicherlich komplett von Deutschland.

Zirbes: Ganz klar. Es fängt beim Essen an: Hier gibt's eben ganz andere Sachen und man isst sehr gesund. Aber es wird speziell auch viel Fleisch und Kartoffeln gegessen, zudem gibt es sehr viele Milchspeisen, angefangen bei Kajmak über Paflak und viel Jogurt. Weiter geht's mit dem Verhalten der Menschen, die alle sehr ehrlich zueinander sind. Wenn sie jemanden nicht leiden können, dann zeigen sie das hier auch klipp und klar. Aber natürlich gilt das auch umgekehrt: Man wird hier noch viel herzlicher behandelt, wenn man einen guten Eindruck abgibt. Und zuletzt ist natürlich auch der Basketball ganz anders als der in Deutschland.

SPOX: Inwieweit hat Sie der Wechsel denn als Spieler verändert?

Zirbes: In erster Linie habe ich noch mehr Erfahrung sammeln können. Zudem trainiere ich mit dem derzeit wohl besten Center Europas und darf mich in der Top-16-Runde der Euroleague zeigen. Das bringt mich natürlich alles weiter nach vorne.

SPOX: Sie sprechen Boban Marjanovic an. Ein solcher Trainingspartner kann ja nur hilfreich sein...

Zirbes: Absolut, ganz klar. Aufgrund seiner Größe kann ich gegen ihn nicht spielen wie gegen zwei Meter große Spieler. Allgemein kann man von ihm sehr viel lernen: Er ist zwar ein Riese, dennoch ist seine Fußarbeit wirklich hervorragend. Dazu kommen noch seine Bewegungen im Post-Spiel. Da kann ich mir wirklich immer wieder etwas abschauen und meine eigenen Abläufe anpassen. Das bringt mich schon extrem weiter.

SPOX: Was macht ihn abgesehen von seiner Größe so besonders?

Zirbes: Dass er ein wirklich lieber Kerl ist und keiner Fliege etwas zu Leide tun kann (lacht). Er ist wirklich ein riesengroßer, aber auch ganz, ganz herzlicher Mensch. Wir haben auch außerhalb der Halle viel miteinander zu tun und die Beziehung ist deshalb schon sehr gut.

SPOX: Großartiges Konkurrenzdenken gibt es also nicht? Immerhin fällt für sie angesichts von Marjanovic' starken Leistungen weniger Spielzeit ab.

Zirbes: Das stimmt natürlich schon, aber darüber mache ich mir weniger Gedanken. Ich konzentriere mich darauf, dass wir als Mannschaft die Spiele gewinnen und ich meine Rolle im Team bestmöglich erfülle. Darauf kommt es mir persönlich am meisten an. Alles andere ergibt sich dann von selbst.

Der unbekannte Gigant: Boban Marjanovic im Porträt

SPOX: Es ist also Geduld gefragt. Was gibt Ihnen die jugoslawisch-serbische Basketballschule konkret mit, was Sie zuvor vielleicht noch nicht gekannt haben?

Zirbes: Die Härte. Das spürt man an der Intensität und vor allem der Häufigkeit des Trainings. Die Trainingseinheiten sind hier einfach viel länger und dadurch noch härter als bei all meinen Stationen in Deutschland. Die Trainingsführung ist auch eine andere: Hier wird öfter mal lauter miteinander umgegangen.

SPOX: Man hat auch schon gehört, dass die Mannschaft direkt nach der Landung nach einem Auswärtsspiel in die Trainingshalle muss. Ist da was dran?

Zirbes: Absolut. Nach dem Spiel gegen Madrid kamen wir beispielsweise um 14 Uhr in Belgrad an. Unter den Trainern wurde dann abgemacht, dass wir entweder abends noch einmal trainieren oder eben am Morgen darauf. Wir bekamen dann trotzdem noch den Tag frei, was wirklich selten vorkommt (lacht).

SPOX: Nicht die Mentalität auf dem Court, auch die Emotion und Leidenschaft der Fans ist in Serbien eine ganz andere.

Zirbes: Richtig. So einen krassen Zusammenhalt unter den Fans und auch in der Mannschaft findet man selten. Das ist wirklich einzigartig. Was ist wirklich schön finde, ist, dass die Fans immer hinter einem stehen. Es gibt hier keine Erfolgsfans. Den Anhängern ist es einfach wichtig, dass man alles gibt auf dem Parkett.

SPOX: Hat man vor der Atmosphäre in der Arena andererseits nicht auch ein wenig Respekt?

Zirbes: Es ist immer Respekt dabei, aber die Euphorie nimmt ihn einem dann auch. Es ist wirklich immer sehr laut in der Halle, doch in Heimspielen weiß man, dass die Fans komplett hinter der Mannschaft stehen. Das pusht einen natürlich zusätzlich.

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Maik Zirbes im Steckbrief

SPOX: Die Kehrseite der Leidenschaft ist jedoch der Fanatismus. In dieser Saison wurde Roter-Stern-Fan Marko Ivkovic Jagoda in Istanbul erstochen. Wie nahe ging Ihnen diese Geschichte?

Zirbes: Natürlich sehr nahe. Genauso wie die Fans hinter uns stehen, stehen wir hinter ihnen. Die Mannschaft hat das zunächst nicht mitbekommen, da wir durch den Hintereingang in die Halle gebracht wurden. Uns wurde auch erstmal nichts gesagt, so dass wir das erst nach dem Spiel erfahren haben. Das hat es natürlich auch nicht besser gemacht und es ging der Mannschaft sehr nahe. So ein Ereignis darf absolut nicht vorkommen im Sport!

SPOX: Wie nimmt man es als Spieler grundsätzlich auf, wenn man von Gewaltszenen rund um die eigenen oder auch andere Spiele erfährt?

Zirbes: So etwas bekommt man in Deutschland nicht mit. Für mich ist es trotzdem eine Erfahrung, die ich hier machen kann: Dinge außerhalb des Feldes, soweit es geht, auszublenden. Man darf sich als Spieler auch keinerlei Angst anmerken lassen, sonst hat man ein Problem.

SPOX: Die Bamberger Fans zeigten im Eurocup nach der Tat ein Gedenk-Banner. Sie haben die Geste in den sozialen Medien gepostet. Spürt man da noch ein wenig die Verbindung zur alten Heimat?

Zirbes: Absolut, die fühle ich immer wieder. Die Anteilnahme kam aber natürlich nicht nur aus Bamberg, sondern aus allen Ländern und Vereinen. Trotzdem bin ich natürlich noch verbunden mit Bamberg.

SPOX: Was war schlussendlich ausschlaggebend für Ihren Wechsel?

Zirbes: In erster Linie, dass ich hier in Belgrad in der Euroleague spielen kann. Aber es spielte auch eine Rolle, dass mich der Balkan und speziell Serbien interessiert hat, da hier viele gute Trainer und Spieler hervorgebracht wurden und werden. Das war für mich ein Zeichen, dass die Art und Weise, wie hier mit einem gearbeitet wird, ziemlich einzigartig ist. Serbien ist ein relativ kleines Land, aber trotzdem schafft man es immer wieder, gute Spieler zu entwickeln. Und deshalb wollte ich mir einfach die Wurzeln des jugoslawischen Basketballs anschauen und all das miterleben. Serbien ist immerhin Vizeweltmeister, das sagt doch alles!

SPOX: Der Rebuild in Bamberg um Trainer Trinchieri hat keine Rolle gespielt?

Zirbes: Nein, überhaupt nicht. Für mich ging es darum, weiter in der Euroleague spielen zu können. Der Neuaufbau und der Trainer haben für mich gar keine Rolle gespielt.

SPOX: Während Ihrer Zeit in Bamberg wurden Sie des Öfteren kritisiert. Fühlten Sie sich ein wenig unfair behandelt?

Zirbes: Nein, das würde ich nicht sagen. Jeder darf sich eine Meinung über meine Leistung bilden. Ob dann einige Äußerungen wirklich fair und sachlich waren oder eben nicht, stelle ich jetzt einfach mal in Frage. Jedoch habe ich Bamberg sehr viel zu verdanken und habe es genossen, in Freak City spielen zu dürfen. SPOX

SPOX: Andererseits mussten Sie mitunter vielleicht mehr Kritik einstecken als manch anderer. Wie sehen Sie den Umgang mit Medien allgemein?

Zirbes: Ich habe hier in Serbien bislang sehr wenige Interviews führen müssen. Ansonsten läuft das alles genau wie in Deutschland und es kommen auch immer wieder dieselben Fragen. Ungerecht behandelt fühle ich mich aber nicht. Ich bin ein Mann und stehe zu dem, was ich sage. Ob die Leute es dann so auffassen, wie ich es wirklich meine, darauf habe ich dann keinen Einfluss. Der Umgang damit gehört für Sportler aber einfach dazu. Dennoch gibt es natürlich Dinge, die ich lieber mache. Ich bin einfach nicht der wortgewandteste Mensch (lacht).

SPOX: Im Sommer wird der Fokus der Medien allerdings noch deutlicher auf den Basketball gerichtet sein. Immerhin steht die EM-Vorrunde in Berlin an. Was sagen Sie zur Hammer-Gruppe?

Zirbes: Es sind wirklich sehr viele gute Mannschaften, die wir gezogen haben. Trotzdem können wir mit dem Team, den Trainern, der Organisation und natürlich dem Heimvorteil einiges erreichen. Wir müssen uns gegen keinen der Gegner verstecken und werden bis ans Limit gehen, um jedes Spiel zu gewinnen. Unser Ziel ist es natürlich, eine Runde weiterzukommen.

SPOX: Wie sehen Sie die Chancen, sollten Dirk Nowitzki und Dennis Schröder am Ende doch absagen?

Zirbes: Dann werden wir dennoch bis ans Limit gehen (lacht).

SPOX: Erhofft man sich gerade von Schröder nach den guten Leistungen in Atlanta vielleicht zu viel?

Zirbes: Ich bin kein Trainer. Deswegen bin ich nicht in der Funktion, mir darüber großartig Gedanken zu machen. Er hat dieses Jahr aber gezeigt, dass er uns auf jeden Fall weiterhelfen wird. Und nach dieser Saison wird er noch mal gereift sein.

SPOX: Apropos Trainer: Ihr ehemaliger Coach aus Bamberg, Chris Fleming, hat den Job als Bundestrainer übernommen. Stehen Sie in Kontakt zu ihm?

Zirbes: Ja, wir telefonieren relativ regelmäßig. Zu Besuch kam er bis jetzt zwar noch nicht, aber das will er jetzt auch bald mal tun. Der Kontakt ist auf jeden Fall vorhanden.

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