"Spinnen auf einem Kebabspieß!"

Ole Frerks
24. September 201514:29
Deon Thompson wurde 2014 mit dem FC Bayern Basketball Meisterimago
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Nach einem wilden Jahr ist Deon Thompson zurück beim FC Bayern Basketball. Im Interview spricht der Big Man über seine Erfahrungen in China und das Phänomen Stephon Marbury - und sein Leben als Wandervogel des Basketballs.

SPOX: Deon, Sie waren bloß ein Jahr weg aus München. Es war allerdings ein ereignisreiches Jahr.

Deon Thompson: Das kann man so sagen! Erst war ich vier Monate lang in China, dann habe ich die Saison in Israel zu Ende gespielt und bin dort mit Hapoel Jerusalem Meister geworden. Und trotzdem blieb mir auch für Reisen viel Zeit. Ein sehr gutes Jahr!

SPOX: Fangen wir mit China an. Die CBA ist hier in erster Linie für ihre völlig verrückten Boxscores bekannt, Spieler Errick McCollum führte die Liga mit fast 40 Punkten im Schnitt an. Wie kommt denn das zustande? Was läuft dort anders als hier?

Thompson: Das Spiel ist tatsächlich ein ganz anderes als beispielsweise in der BBL. Es gibt dort viele lange Typen, aber sehr wenige davon sind wirklich athletisch. Pro Team sind nur zwei Ausländer erlaubt, trotzdem wollen die Teams ihren Fans ein Spektakel bieten. Also werden dann eben Spieler geholt, die in erster Linie scoren sollen. (lacht)

SPOX: Und das sind häufig Spieler von einem gewissen Schlag...

Thompson: Genau: Es sind in der Regel frühere NBA-Spieler oder solche, die kurz davor stehen. Letzte Saison beispielsweise waren Michael Beasley, Andray Blatche, Von Wafer oder Will Bynum dort aktiv.

SPOX: Warum gehen so viele von Ihnen ausgerechnet nach China?

Thompson: Ich würde lügen, wenn ich den finanziellen Part nicht erwähnen würde. Dieser Markt ist so riesig und so heiß auf guten Basketball, dass dort einfach enorme Möglichkeiten bestehen. Ich kann nur für mich sprechen, aber in meinem Fall war es finanziell sicherlich keine schlechte Entscheidung. Was aber definitiv auch eine Rolle spielt: Die Saison ist dort enorm kurz. Ich stand mit den Liaoning Dinosaurs in den Finals, trotzdem dauerte die Saison bloß gut vier Monate, Ende März war ich schon wieder frei.

SPOX: Die allermeisten Ligen laufen da noch...

Thompson: Genau. Ich ging nach Jerusalem, andere haben ihre Statistiken aus der Liga aber auch als Sprungbrett in die NBA genutzt: Beasley ging wieder nach Miami, mein Mitspieler Lester Hudson hat spät in der Saison einen Platz bei den Clippers gefunden. Kein Wunder, er hat im Schnitt am Triple Double gekratzt (31,2 Punkte, 7,7 Rebounds, 6,9 Assists pro Spiel, Anm. d. Red.). Diese Möglichkeit bestünde in den europäischen Ligen einfach nicht, ganz abgesehen vom Geld. Diese Mischung ist einfach reizvoll.

SPOX: Der prominenteste Spieler dort ist wohl Stephon Marbury, der schon seit 2011 in China spielt. Sie haben in den Finals gegen ihn gespielt und verloren - können Sie den Hype um seine Person dort beschreiben?

Thompson: Das ist schon Wahnsinn, wie populär er in China ist. Man sieht ihn andauernd auf Plakaten, Fernsehwerbung macht er auch. Und wenn er die Halle betritt, drehen die Leute durch.

SPOX: Und dabei war er in der NBA am Ende als Troublemaker bekannt...

Thompson: Das stimmt, aber in China gilt er als Winner und ist fast schon eine Art Volksheld. Ich meine, er hat in den letzten vier Jahren drei Meisterschaften gewonnen, das spricht ja für sich. Ich habe einen riesigen Respekt dafür, wie er sich in China sportlich und persönlich komplett neu erfunden hat. Ich habe aber mehr gescort als er (Thompson: 18,7 Punkte, Marbury: 18,3, Anm. d. Red.). (lacht)

SPOX: Angeblich will er dort ja nie wieder weg. Könnten Sie es sich ebenfalls vorstellen, sich so weit von der Heimat entfernt niederzulassen?

Thompson: Für ihn hat es sicher überragend funktioniert. Er hat seine Probleme der Jahre zuvor offensichtlich komplett hinter sich gelassen und fühlt sich in China ja pudelwohl. Was mich betrifft: Ich habe aktuell noch kein dringendes Bedürfnis, mich irgendwo niederzulassen. Ich bin ja ungebunden und unabhängig und froh, jetzt wieder in München zu sein. Ich könnte mir aber gut vorstellen, irgendwann noch einmal in China zu landen. Auch wenn dort schon einige verrückte Sachen ablaufen.

SPOX: Was meinen Sie zum Beispiel?

Thompson: Also, irgendwas Verrücktes ist dort eigentlich fast jeden Tag passiert. Aber ich meine im Speziellen das Essen. Mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich zum ersten Mal gesehen habe, wie dort jemand Hund gegessen hat. Oder Leute, die ganze Frösche essen! Oder das Verrückteste: Manche essen dort Spinnen auf einem Kebabspieß! Können Sie sich das vorstellen?

SPOX: Nicht wirklich.

Thompson: Tja, ich kriege das Bild seitdem nicht mehr aus dem Kopf. (lacht)

SPOX: Manche Bilder bleiben... Gab es danach in Israel ähnlich prägende Erfahrungen?

Thompson: Nicht in dieser Art. Die Zeit war aber trotzdem sehr speziell, auch wenn sie kurz war, weil ich ja erst ziemlich spät zum Team gestoßen bin. Dafür lief es dann immer intensiver: Wir sind mit Hapoel Meister geworden, was vorher eigentlich niemand erwartet hatte. Die Stimmung in der ganzen Stadt war elektrisch.

SPOX: Die klassische Cinderella-Story?

Thompson: Schon so ein bisschen. Es gibt den Verein seit 72 Jahren, eine Meisterschaft gab es für Hapoel vorher aber nie. Mit uns ist dann der Knoten geplatzt, nach und nach haben wir uns in den Playoffs in einen Rausch gespielt. Das war einer der Titel, der mir am meisten im Gedächtnis bleiben wird.

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SPOX: Dennoch sind Sie jetzt zurück in München. Beide Seiten hatten ja stets betont, dass Sie schon 2014 gerne verlängert hätten, trotzdem: Hätten Sie erwartet, dass es so schnell zur Rückkehr kommen würde?

Thompson: Nein, nicht wirklich. Ich meine, ich wollte ja nie wirklich weg. Wir kamen 2014 einfach nicht richtig zusammen. Trotzdem haben Marko Pesic und ich ständig Kontakt gehalten und es hat sich so angefühlt, als wäre ich noch Teil des Teams. Ich bin sehr froh, dass es jetzt schon geklappt hat; es fühlt sich ein bisschen an, als würde ich nach Hause kommen. Ich fühle mich gar nicht wie ein Neuzugang.

SPOX: Offiziell ist Bayern trotzdem ihr vierter Verein innerhalb von knapp 13 Monaten, seit ihrem College-Abgang steht mindestens einmal im Jahr ein Umzug an. Werden Sie dieses Nomadendasein nicht manchmal leid?

Thompson: Im Gegenteil. Ich mag diese Freiheit, ich lerne gerne neue Menschen, Länder und Kulturen kennen. Ich bin mittlerweile sehr anpassungsfähig und finde mich eigentlich überall ziemlich schnell gut zurecht. Ich bin an nichts gebunden. Ich habe deshalb auch jetzt wieder einen Einjahresvertrag unterschrieben. Das soll nicht heißen, dass ich danach definitiv wieder weg bin, aber man weiß eben nie, welche Möglichkeiten sich auftun. Als Sportler hat man nur einen begrenzten Zeitraum.

SPOX: Das größte Geld gibt es bekanntlich immer noch in der NBA. Sie waren diesen Sommer nicht in der Summer League aktiv, obwohl sie in den vier Jahren zuvor immer dort waren. Haben Sie den Traum aufgegeben?

Thompson: Nein, der lebt definitiv weiter. Ich glaube aber nicht, dass die Summer League die optimale Bühne für einen Spielertyp wie mich ist, der weniger für Stats spielt, sonst hätte es in den letzten Jahren vielleicht schon klappen können. Die Euroleague ist da sicherlich eher geeignet. Schauen wir einfach mal, was die Saison bringt.

SPOX: Machen wir. Was denken Sie denn: Ist diese Saison mal die Zeit reif, dass ein deutsches Team die Playoffs der Euroleague erreicht? Alba Berlin ist letzte Saison denkbar knapp gescheitert.

Thompson: Die Möglichkeit besteht auf jeden Fall. Wir sind heiß und meiner Meinung nach vom Potenzial her besser als in den letzten Jahren. Bamberg hat sich auch sehr verstärkt. Und wenn man dann mal die best-of-five-Serie im Viertelfinale erreicht, ist sowieso alles drin. Aber hey, wir sollten uns erstmal fürs Top16 qualifizieren, unsere Gruppe ist hart genug. (lacht)

SPOX: Und wie sieht es in der BBL aus? Bamberg hat fünf der letzten sechs Meisterschaften gewonnen, gibt sich aber dennoch mehr als Underdog. Verständlich für Sie?

Thompson: Sie haben sicher ihre Gründe. Ich persönlich sehe kein Team als Underdog an, das gerade Meister wurde und sein Team danach noch verstärkt hat. Aber das ist ohnehin nicht unsere Sache: Wir wollen auf jeden Fall Meister werden. Ob wir dabei von irgendwem als Favorit gesehen werden, spielt für mich eigentlich keine Rolle.

SPOX: In den Finals hatten die Bamberger gewisse athletische Vorteile - da sehen Sie sich wohl in der Pflicht?

Thompson: Klar. Es wird eine meiner Hauptaufgaben sein, unterm Korb meine Physis einzubringen, sowohl defensiv als auch offensiv. Dort kann ich meine Stärken zeigen. Es kann gut sein, dass dieser Aspekt in der letzten Saison ein wenig gefehlt hat. Ich bin aber ein Team-Player. Wenn Coach Pesic von mir verlangt, fünf Dreier pro Spiel zu nehmen, kann ich das auch gerne machen. (lacht)

SPOX: Wir gehen mal nicht davon aus. Wie gefällt Ihnen der Mix im Frontcourt? Einige Spieler kannten Sie ja schon, es gibt aber auch neue Gesichter, wie zum Beispiel Maxi Kleber.

Thompson: Maxi kann ich als Spieler bisher natürlich schwer einschätzen, weil er sich noch von seiner Verletzung erholt. Zuletzt habe ich gegen ihn gespielt, als ich bei Alba und er bei Würzburg war (2012, Anm. d. Red) - seitdem ist er sicher enorm gewachsen als Spieler. Persönlich finde ich ihn aber super: Trotz seiner Verletzung ist er total positiv drauf und sorgt bei uns regelmäßig für die Sprüche. Ich freue mich, so bald wie möglich mit ihm spielen zu können. Was die Gesamtsituation angeht, sind wir als Frontcourt einfach enorm vielfältig. Dusko Savanovic, John Bryant, Maxi, Andi Seiferth und ich, wir bringen alle ganz unterschiedliche Skills mit. Die Kombination stimmt und ich denke, wir können zusammen einiges erreichen.

SPOX: Das ist ja ohnehin Ihre Spezialität. Seit 2011 ist kein Jahr vergangen, in dem Sie nicht mindestens einen Titel geholt haben. Sind Sie verwöhnt?

Thompson: Mag sein. (grinst)

SPOX: Sticht denn ein Titel besonders heraus? Kommt irgendwas an das NCAA-Finale 2009 heran?

Thompson: Einige Titel stechen definitiv heraus, auf Vereinsebene würde ich da sofort die Meisterschaften mit Bayern und mit Hapoel nennen. Aber an 2009 kommt man nur schwer vorbei, um ehrlich zu sein. Vor 65.000 Leuten im Madison Square Garden spielen, den ganzen Wahnsinn der March Madness hinter sich lassen... man verdient am College ja kein Geld, es geht nur um den Namen auf der Brust und auf dem Rücken, deinen Stolz und die Brüderlichkeit, die dich mit deinen Teammates verbindet. Das kann man nicht toppen, dieser Titel war einzigartig. Ich will trotzdem noch mehr gewinnen! (lacht)

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Deon Thompson im Steckbrief