11.748 Zuschauer waren Minuskulisse für ein WM-Spiel des deutschen Teams - mit Abstand. Die Wenigen, die gekommen waren, mussten früh zu Rufen wie "Kämpfen, Deutschland, kämpfen" greifen, denn nur rund 20 Stunden nach dem emotionalen Kraftakt gegen Russland fehlte dem DEB-Team gegen Weißrussland die Power. Lange sah es sogar nach einer Niederlage aus, doch Marcel Müller rettete das Team kurz vor Schluss mit dem 1:1 in die Overtime. Doch dort rannten zu euphorische Deutsche in einen Konter und wurden für das viel zu hohe Risiko eiskalt bestraft. Immerhin gab es einen Punkt.
"Wir können am Ende noch froh sein, wenigstens den einen Punkt geholt zu haben. Aber insgesamt haben wir eher zwei verloren als einen gewonnen. Wir dürfen deshalb aber auf keinen Fall den Kopf hängen lassen", sagte Robert Dietrich, der zum besten deutschen Spieler gewählt wurde.
Deutschland in der Overtime viel zu euphorisch
Er stand auch nicht auf dem Eis, als 14 Sekunden vor Ende der Overtime ein Fehler von Constantin Braun dazu führte, dass drei Weißrussen allein auf DEB-Goalie Dennis Endras zuliefen und das 2:1 erzielten. "Es kann schon sein, dass wir in der Overtime nach dem Ausgleich ein bisschen zu euphorisch waren und alle nach vorne gerannt sind", gab Felix Schütz im Gespräch mit SPOX zu. Zur generellen Leistung des Teams sagte er: "Wir haben im ersten Drittel gemerkt, dass die Beine und der Kopf nicht voll da waren."
So ist die Revanche für das 3:5 bei den Olympischen Spielen in Vancouver misslungen, ein großer Schritt in Richtung Viertelfinale wurde zudem verpasst. Verloren ist aber noch nichts. Deutschland muss nun am Dienstag das Endspiel gegen die Slowakei gewinnen.
Das DEB-Team war am Sonntagabend weder mental noch physisch in der Lage, an die Leistungen der bisherigen WM anzuknüpfen. Es zeigte zwar gute Moral, aber insgesamt die schwächste Leistung des Turniers.
Krupp: "Hatten nicht so viel Energie wie normal"
Bundestrainer Uwe Krupp nahm sein Team aber in Schutz: "Den Umständen entsprechend haben wir ein ganz gutes Spiel gespielt. Die Mannschaft hat hart gefightet, an der Moral gibt es absolut nichts auszusetzen. Unser größtes Manko war, dass wir nicht so viel Energie hatten wie normal. Und für das Spiel, das wir spielen, brauchst du eine Menge Energie."
Krupps Fazit: "Das Positive an der Niederlage ist, dass wir dank des einen Punkts das Erreichen des Viertelfinals in den eigenen Händen haben."
SPOX fasst die Lehren der Partie zusammen.
Erstes Drittel: Aufwachen! Das möchte man dem DEB-Team zurufen. Nach dem emotionalen Hoch gegen Russland sind die Spieler 20 Stunden später gegen Weißrussland in Gedanken nicht auf dem Eis. Besonders in der Defense hapert es gewaltig. Die Weißrussen werden weder an der blauen Linie noch im eigenen Drittel energisch attackiert und können den Puck fast ungehindert hin und her spielen. Das 0:1 durch Michalew nach nicht einmal sieben Minuten ist die logische Folge. Und es ist symptomatisch. Tschupris hat auf außen zu viel Platz und kann abziehen, bei Michalew steht auch keiner, sodass der keine Probleme hat, den Abpraller von Endras zu versenken. Danach zeigt das DEB-Team zwar offensiv so etwas wie eine Reaktion, aber die wenigen Chancen bleiben ungenutzt. Die Verteidigung bleibt das ganze Drittel hindurch zu passiv. Das schlechteste Drittel der bisherigen WM der Deutschen. Sei es wegen mangelnder Konzentration oder mangelnder Kraft. Der Rückstand geht in Ordnung, zumal Deutschland sich auch noch zu viele Strafzeiten leistet.
Zweites Drittel: Es geht genauso schlecht weiter, wie es im ersten Drittel aufgehört hat. Die Verteidigung reagiert in Unterzahl zu langsam, Ugarow bekommt den Puck vor dem leeren deutschen Tor, verfehlt aber zu Glück. Nach ungefähr der Hälfte des Spiels wird Deutschland im Spiel nach vorne etwas mutiger. Aber sicher nicht so, wie sich Uwe Krupp das vorstellt. Anstatt geradlinigem Spiel versuchen Schütz, Braun und Ullmann mit Alleingängen zum Erfolg zu kommen. Das eröffnet zwar ein paar Chancen und zeigt den Willen, die Partie doch noch zu drehen, von der mannschaftlichen Stärke, die das DEB-Team bisher bei dieser WM ausgezeichnet hat, ist aber nichts zu sehen. Trotzdem gibt es fast noch den Ausgleich, als Müller in der 40. Minuten nach Zuspiel von Wolf ganz frei vor Weißrusslands Goalie Mesin steht. Doch er vergibt diese Großchance.
Drittes Drittel: Man merkt den Deutschen in den ersten Minuten des Drittels an, dass ihnen die Zeit davonläuft. Aus dem eigenen Drittel werden fahrige Pässe nach vorne gespielt, die von den Weißrussen problemlos abgefangen werden können. Die Gäste fühlen sich in der Defensive sicher und starten brandgefährliche Konter. Sie sind dem 2:0 in dieser Phase näher als die Deutschen dem Ausgleich. In den letzten Minuten versuchen es die Deutschen noch einmal mit allen Mitteln, die ihnen an diesem Tag zur Verfügung stehen. Mangelnde Moral kann man ihnen nicht vorwerfen, aber es bleibt meistens bei Einzelaktionen, deren Erfolg immer wieder vom immer stärker werdenden Goalie Mesin zunichte gemacht werden. Doch dann machen sie es doch noch! Sie zwingen den Puck 53 Sekunden vor Schluss zum 1:1 ins Tor. Marcel Müller zieht nach Pass von Felski aus der Halbdistanz ab, Mesin ist die Sicht versperrt - und es klingelt!
Overtime: Deutschland ist jetzt klar am Drücker, der Rückenwind nach dem späten Ausgleich ist offensichtlich. Besonders die Felski-Reihe dreht richtig auf, aber scheitert immer wieder am mittlerweile überragenden Mesin. Doch dann der saudumme Gegentreffer! Unfassbare Szene 14 Sekunden vor Schluss. Deutschland will den Siegtreffer mit aller Macht erzwingen, wirft in der Euphorie alles nach vorne und wird für das viel zu hohe Risiko gnadenlos bestraft. Krasser Fehlpass, drei Weißrussen laufen allein auf Endras zu. Grabowski passt rüber zu Kaljudschnij und der muss nur noch einschießen - Niederlage! Dass Ehrhoff sich in den Angriff einschalten wollte, ist okay und richtig, aber dass Braun auch noch tief ging, hätte nicht passieren dürfen. Aber genau an solchen Aktionen zeigt sich eben die mangelnde Erfahrung und Cleverness.
Star des Spiels: Andrej Mesin. Es lohnt sich eigentlich nicht, bei so einem schwachen Spiel irgendeinen Mann hervorzuheben. Die Wahl fällt auf den weißrussischen Goalie, weil er bis kurz vor Schluss bei den wenigen gefährlichen Angriffen der Deutschen ausgezeichnet reagiert hat und seiner Abwehr die Sicherheit gegeben hat, die sie das ganze Spiel über ausstrahlte. Am Gegentor konnte er nichts machen, weil Marcel Goc ihm die Sicht genommen hat. Am Ende stand Mesin bei 33 Saves.
Lehren des Spiels: Vielleicht musste ein so schlechtes Spiel des deutschen Teams in so einem langen Turnier irgendwann einmal kommen. Die Partie gegen Finnland in der Vorrunde war schon nicht gut, aber vor allem taktisch. Gegen Weißrussland hatte man zum ersten Mal das Gefühl, dass es mental und körperlich bei den Deutschen nicht reicht. Zumal Weißrussland bei allem Respekt kein ganz so großes Kaliber war wie die Finnen.
Dank Müllers Last-Minute-Tor gab es zwischenzeitlich noch mal Hoffnung. Die Moral der Jungs hat gestimmt, das hat man trotz der an diesem Tag extrem begrenzten Mittel gemerkt. Das ist am Ende aber nur mit einem Punkt belohnt worden.Insgesamt hat sich Uwe Krupps Haltung bestätigt, dass Deutschland nur erfolgreich sein kann, wenn man in jeder Partie am Limit agiert. Egal ob gegen Russland oder Weißrussland. Geistige Frische, Entschlossenheit und Aggressivität sind die Basis für deutsche Siege im Eishockey. Von allem gab es an diesem Tag zu wenig.
Eine Begründung dafür ist schnell gefunden. 20 Stunden Pause nach einem so kraftraubenden Spiel wie gegen die Russen sind auch für ein junges und fittes Team wie Deutschland zu wenig. Auch wenn das im Vorfeld niemand laut aussprechen wollte. Nur Moral allein reicht eben nicht.