SPOX: Deutschland im Viertelfinale der Heim-WM. Ein toller Erfolg, aber für Sie als Organisator kam der wahre Knackpunkt schon früher. Wie groß war der Stein, der Ihnen vom Herzen gefallen ist, als die Mannschaft die Zwischenrunde erreicht hatte?
Franz Reindl: Das war schon ein emotionaler Moment, als die Qualifikation feststand. Schließlich baut man sich selbst einen riesigen Druck auf. Das hat das Glanzlicht auf die WM gebracht und war an sich schon ein riesiger Erfolg. Dass es jetzt auch noch das Viertelfinale geworden ist, ist sensationell. Wir haben aber von vornherein nicht mit dem Erfolg der deutschen Mannschaft kalkuliert. Es wäre fatal, wenn man das als Organisator tun würde.
SPOX: Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der WM?
Reindl: Rundum zufrieden. Vor allem deshalb, weil die Teams zufrieden sind. Die Spieler fühlen sich wohl und bringen deshalb auch gute Leistungen auf dem Eis. Dazu ist der Zuschauerzuspruch mit allein 300.000 Besuchern in der Vorrunde gewaltig. Mittlerweile stehen wir bei fast 450.000 Besuchern und haben damit das Ergebnis der letzten Heim-WM 2001 bereits übertroffen. Das i-Tüpfelchen ist die Leistung der deutschen Mannschaft.
SPOX: Hatten Sie nie Angst, dass die Stimmung kippt, wenn Deutschland in die Abstiegsrunde muss?
Reindl: Nein. Wir haben uns schon bei der Bewerbung auf das Ausland fokussiert. Und das hat sich bezahlt gemacht. Es sind wahnsinnig viele Finnen, Dänen und Russen da, auch andere Nationen sind gut vertreten. Diese Strategie ist voll aufgegangen.
SPOX: Wie gefällt es denn den anderen Nationen hier in Deutschland bei der WM?
Reindl: Unser Feedback ist durchweg positiv. Das ist schon verblüffend, denn normalerweise ist es schon gut, wenn man gar nichts hört. Wir hören auch noch Lob und Dank für die großartige Betreuung. Das ist ein Verdienst unserer zahlreichen Volunteers. Genauigkeit und perfekte Organisation wird zwar von uns Deutschen erwartet. Aber dass es dann so herzlich zugeht, ist nicht normal.
SPOX: Nicht ganz normal war das Weltrekord-Spiel auf Schalke. Wie und wo haben Sie das erlebt?
Reindl: Ich habe es zwar live gesehen, aber nicht auf den Rängen. Der Druck war an dem Tag so groß, dass die Tatsache, dass alles geklappt hat und die Zuschauer wirklich alle gekommen sind, einfach überwältigend war. Das war der emotionalste Moment in meiner sportlichen Laufbahn.
SPOX: Hatten Sie Angst, dass das junge deutsche Team unter dem Druck zerbrechen würde?
Reindl: Wir Offiziellen haben immer versucht, in öffentlichen Statements klarzumachen, dass das das größte Ereignis des Jahrhunderts im Eishockey ist. Weltrekord im eigenen Land, was willst du mehr? Lass uns rausgehen und Geschichte schreiben! Das hat die Mannschaft dann auch umgesetzt. Sie hat sich vom Publikum beflügeln lassen und besser gespielt, als ich es mir vorstellen konnte.
SPOX: Welche Spieler bei einer WM auf dem Eis zu sehen sind, ist trotzdem immer Glückssache. Gerade bei den Russen haben Ihnen die NHL-Playoffs mit dem frühen Ausscheiden von Alexander Owetschkin, Ilja Kowaltschuk oder Jewgeni Malkin in die Karten gespielt.
Reindl: Ich habe immer gesagt, dass ich mir sicher bin, dass die Nationen hier in Bestbesetzung antreten. Die WM ist ja kein isoliertes Event, wo man sagt: "Okay, dann bin ich halt mal nur Elfter." Die WM hat Einfluss auf die Weltrangliste, auf die Olympia-Qualifikation für Sotschi, auf den World Cup of Hockey. Diesen ganzen Wust, der hinter so einer WM steckt, sieht man nicht. Für die Teams ist aber klar, dass es enorm wichtig ist, gut bei einer WM abzuschneiden.
SPOX: Mit einem Owetschkin auf Kölner Eis konnten aber auch Sie im Vorfeld kaum rechnen.
Reindl: Nein, aber das ist doch sensationell! Er und ein Malkin oder ein Datsyuk. Aber auch andere Nationen wie die Schweden oder die Tschechen mit Jaromir Jagr haben Top-Leute dabei. Ebenso wie die Kanadier mit ihren Jungstars. Es ist toll, dass die Nationen nicht nur mit großen Mannschaften aufwarten sondern auch mit großen Namen.
SPOX: Bis auf die US-Amerikaner...
Reindl: Ich finde die Strategie, mit ganz jungen NHL-Spielern hier anzureisen, gar nicht so falsch. Aber ich denke, die Jungs haben das internationale Niveau hier etwas unterschätzt. Dann verlierst du das erste Spiel gegen Deutschland und wachst erst einmal auf. Plötzlich hast du die Dänen vor der Nase.
SPOX: Generell ist der Turnierverlauf größtenteils sehr kurios gewesen. Oder wie erklären Sie sich, dass Norwegen Tschechien und die Schweiz schlägt oder Dänemark nach 14 Minuten 6:0 gegen die Slowakei führt?
Reindl: Diese Außenseiter-Revolution war schon unerwartet. Es gibt immer mal eine Nation, die bei einer WM überrascht, aber dass es so viele sind - auch Deutschland - das war nicht vorherzusehen.
SPOX: Ist die Weltspitze im Eishockey enger zusammengerückt?
Reindl: Es ist in der Tat eng. Ich finde es toll, dass die kleineren Nationen auch den Ehrgeiz an den Tag legen, jeden schlagen zu wollen. Das ist etwas Neues. Du brauchst bei so einer WM Mannschaften, die auf der großen Eisfläche kompakt ihre Leistung bringen. Das machen die Dänen, das machen die Deutschen. Da können die anderen auf dem Eis haben, wen sie wollen: Wenn Deutschland oder Dänemark so spielen, wie sie es tun, können sie an einem guten Tag jeden besiegen.
SPOX: Wie bewerten Sie den Geist, den Bundestrainer Uwe Krupp der Mannschaft eingeimpft hat?
Reindl: Krupp hat einen Fünfjahres-Plan gehabt, der Mannschaft seine Idee vom Eishockey beizubringen. Jetzt sind die fünf Jahre vorbei, und was ich sehe, ist top. Das Team ist jung, dynamisch, stark. Ich bin positiv überrascht, wie er das hinbekommen hat. Es ist toll, was er bewegt hat. Besonders nach Vancouver. Die Leistung bei Olympia war zwar okay, aber es kam nichts Zählbares dabei heraus. Da machen sich natürlich Zweifel breit. Nicht bei mir oder Uwe Krupp, aber in der Öffentlichkeit.
SPOX: Ein klares Plädoyer für eine Vertragsverlängerung mit dem Bundestrainer nach der WM.
Reindl: Wir haben vor der WM gesagt, dass wir uns nach der WM zusammensetzen, und daran hat sich nichts geändert.
SPOX: Wünschen Sie sich, dass er bleibt?
Reindl: Wir hätten uns auf jeden Fall nach der WM zu Gesprächen getroffen, auch wenn es schlecht gelaufen wäre. Diesen Weg behalten wir bei, ohne Wasserstandsmeldungen abzugeben.
SPOX: Wie sieht es mit Ihrer Zukunft beim DEB aus? Fällt man nach dieser WM nicht in ein Loch?
Reindl: Ich bin inklusive der Bewerbung seit sieben Jahren mit dieser WM beschäftigt. Sollte es jetzt - wonach es aussieht - sportlich und auch finanziell gut ausgehen, fällt ein riesiger Ballast von mir ab. Dieses Projekt bedeutet mir sehr viel. Danach muss ich ernsthaft überlegen, was ich mache. Mein Vertrag mit dem DEB läuft noch bis 2011, dann bin ich 20 Jahre dabei. Ich weiß nicht, ob ich weitermache.
SPOX: Gäbe es denn noch Ziele, die Sie reizen?
Reindl: Es gibt noch Projekte wie die Olympischen Spiele 2018 oder die Neustrukturierung des deutschen Eishockeys. Unser Vier-Säulen-Modell aus DEB, DEL, zweiter Liga und Oberliga funktioniert nicht. Wenn wir mit dem Potenzial, das in Deutschland vorhanden ist, einmal eine große Eishockey-Nation werden wollen, dann müssen wir nach so einer WM endlich mal aufwachen. Wir müssen eine Vision entwickeln und zusehen, dass wir die auch erreichen.
SPOX: Also sehen Sie sich doch noch in der Gestaltungspflicht.
Reindl: Eher in der Pflicht aufzurütteln, zu sagen, wie es sein soll und wie man dorthin kommt. Ob wir dann gemeinsam diesen Weg gehen, weiß ich nicht. Und auch die Frage, ob ich dann noch im deutschen Eishockey tätig bin, muss ich zu diesem Zeitpunkt offen lassen. Ich weiß es einfach nicht.
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