Uwe Krupp steht bei der WM in der Slowakei zum letzten Mal als Bundestrainer hinter der Bande. Wenige Tage vor dem deutschen Auftaktspiel gegen Russland (Fr., 16 Uhr im LIVE-TICKER) spricht der 45-Jährige im SPOX-Interview über Probleme von Helden, das Traumziel NHL und ein mögliches Comeback beim DEB.
SPOX: Herr Krupp, am Freitag beginnt die Eishockey-WM für Deutschland mit dem Spiel gegen Russland. Es ist Ihre letzte WM als Bundestrainer. Ein besonderes Gefühl?
Uwe Krupp: Um ehrlich zu sein: Ich habe überhaupt keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Tatsache, dass es meine letzte WM ist, ist nicht von Belang. Meine Konzentration liegt darauf, die Mannschaft so gut wie nur möglich vorzubereiten. Wir wollen uns wie immer gut verkaufen und das deutsche Eishockey gut vertreten. Das ist eine große Aufgabe und eine große Verantwortung, die wir haben. Für alles andere ist kein Platz in meinem Kopf. Eine Bilanz meiner Zeit beim DEB kann man dann gerne nach der WM ziehen.
SPOX: Realistisch betrachtet wird der vierte Platz bei der Heim-WM im vergangenen Jahr nicht mehr zu übertreffen sein. Wie viel bedeutet Ihnen dieser vierte Platz, auch im Vergleich mit einem Stanley-Cup-Triumph?
Krupp: Sie fragen mich nach der Wertigkeit von Erfolgen. Ich muss sagen, dass ich da vom Grundsatz her eine ganz andere Sichtweise habe als die Öffentlichkeit. Das betrifft auch den Stanley Cup.
SPOX: Inwiefern?
Krupp: Lassen Sie es mich mal so erklären: Ich bin stolz darauf, dass ich 17 Jahre in der NHL gespielt habe. Ich bin stolz drauf, dass ich zweimal den Stanley Cup gewonnen habe und ein paar Mal ins All-Star-Team berufen wurde. Auf all das bin ich stolz. Aber ich bin nicht stolz auf einen besonderen Stanley-Cup-Triumph. In meinen Augen ist Erfolg nur das Endresultat von guter Arbeit. Wenn man gut arbeitet, stellt sich der Erfolg automatisch irgendwann ein. Ich bin stolz auf meine Karriere insgesamt. Darauf, dass ich gut gearbeitet habe und ein guter Profi war.
SPOX: Es ist also dann letztlich nicht mehr so wichtig, ob ein vierter oder siebter Rang dabei herauskommt?
Krupp: Na ja, ich bin schon stolz auf den vierten Platz, aber das Ergebnis war im Endeffekt nur die Konsequenz unserer Arbeit und es gehört auch ein bisschen Glück dazu. Ich bin stolz auf die Arbeit, die ich als Bundestrainer geleistet habe. Dass wir gute Konzepte installiert haben und unsere Linie behalten haben. Dass wir es geschafft haben, unsere Top-Talente kontinuierlich in die Nationalmannschaft zu integrieren. Wir haben einen größeren Spielerpool als vorher. Aber nicht, weil wir plötzlich mehr Spieler zur Auswahl haben, sondern weil wir mit den Talenten, die wir haben, gut gearbeitet haben und sie Schritt für Schritt an das internationale Spielniveau herangeführt haben. Die WM war ganz wichtig für das deutsche Eishockey, aber für die Wertigkeit meiner Arbeit war der vierte Rang nicht so entscheidend.
SPOX: Fakt ist, dass dieser vierte Rang jetzt über der Nationalmannschaft schwebt. Die WM war ein Segen, kann Sie aber auch ein Fluch sein, weil man so ein Resultat im Grunde nie mehr wiederholen kann...
Krupp: Wir haben mit der Nationalmannschaft die Aufgabe, eine Sportart wie Eishockey, die um die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit kämpft, in die positiven Schlagzeilen zu bringen und Identifikation herzustellen. Und genau aus diesem Grund war die Heim-WM so wichtig. Sie war gut für das deutsche Eishockey - nicht regional gut, sondern national gut. Was jetzt im Nachhinein mit diesem Erfolg in der Öffentlichkeit gemacht wird und welche potenzielle Erwartungshaltung damit einhergeht? Damit kann ich mich beim besten Willen nicht befassen. Man ist normalerweise immer gut beraten, sich um Dinge zu kümmern, die man auch wirklich beeinflussen kann.
SPOX: Stellt sich nicht vielmehr grundsätzlich die Frage, welchen Stellenwert eine Eishockey-WM hat? Es gibt doch eigentlich keine andere Sportart, die eine WM ohne so viele Top-Spieler austrägt.
Krupp: Es ist sicher richtig, dass es im Eishockey nur einen wirklichen Gradmesser gibt und das sind die Olympischen Spiele. Olympia ist mit nichts zu vergleichen, das Spielniveau ist eine völlig andere Welt. Das muss man ganz klar sagen. Aber wir spielen in jedem Jahr eine WM, bei der Weltranglisten-Punkte verteilt werden. Und diese Weltrangliste kalkuliert sich aus den Resultaten der letzten fünf Jahre. Da spiegelt sich die Arbeit, die in Deutschland geleistet wird, und die Wertigkeit unserer Sportart, objektiv wider. Insofern hat jede WM natürlich schon einen sehr hohen Stellenwert für uns.
SPOX: In dieser Weltrangliste steht Deutschland auf Rang neun. In der Gruppe geht es gegen Russland (1.), Gastgeber Slowakei (8.) und Slowenien (19.). Und zwar in dieser Reihenfolge. Liegt der ganze Fokus auf dem Must-Win-Game gegen die Slowenen?
Krupp: Unser Fokus liegt, genau wie in den letzten Jahren auch, darauf, dass wir genügend Punkte holen, um in die Zwischenrunde einzuziehen. Dafür wollen wir uns qualifizieren, das ist das Ziel. Ob wir die nötigen Punkte gegen Russland, die Slowakei oder Slowenien holen, spielt keine Rolle. Eine Mannschaft muss hinter uns sein, das ist alles.
SPOX: Aber Slowenien ist nun mal der Gegner, der im Normalfall geschlagen werden muss. Gerade da deren Superstar Anze Kopitar nicht dabei ist. Oder ist auch die Slowakei eventuell angreifbar?
Krupp: Ich schätze die Slowaken als sehr stark ein. Wenn sie mit dem Druck im eigenen Land umgehen und sie eine Euphorie entfachen können, sehe ich sie ganz vorne. Für mich kann die Slowakei ein Gold-Kandidat sein. Und ich warne davor, die Slowenen zu unterschätzen. Slowenien ist ein kleines Land, das im Sport generell überraschend gut ist. Das ist eine Sportler-Nation, die immer wieder gute Spieler hervorbringt. Vom Level sind sie mit Österreich oder Frankreich vergleichbar, gegen die wir auch schon in der Vergangenheit verloren haben. Dieses Spiel ist weit vom Selbstläufer entfernt. Darüber sollte sich jeder im Klaren sein.
Teil II: Krupp über Probleme von Helden, eine NHL-Zukunft und ein Comeback beim DEB
SPOX: Wenn Andre Rankel so trifft, wie in den DEL-Playoffs, können sich die Slowenen warm anziehen. Werden die Meister-Eisbären noch mal eine neue Energie ins Team bringen? Sie sind mit vielen positiven Gefühlen zur Mannschaft gestoßen.
Krupp: Positive Gefühle sind immer gut, aber hier beginnt ein neuer Abschnitt der Saison. Hier muss auch erst wieder gespielt und Leistung gezeigt werden. Und das ist keine leichte Aufgabe. Wir reden hier von Jungs, die acht Monate lang Eishockey gespielt haben und gerade die Emotionen einer Final-Serie durchlebt haben. Und jetzt sollen genau diese Spieler, die gerade noch als Helden gefeiert wurden, innerhalb von nur einer Woche wieder emotional bereit sein, das wichtigste Spiel des Jahres zu bestreiten? Ein Spiel, von dem der Ruf des deutschen Eishockeys abhängt? Ich habe sehr viel Respekt vor der Arbeit der Spieler, aber ich halte das für unheimlich schwierig. Die Erfahrung hat uns auch gezeigt, dass uns Spieler, die mental und körperlich müde sind, unabhängig von ihrem Namen bei einem WM-Turnier nicht weiterbringen.
SPOX: Aber Rankel trifft, wie er will.
Krupp: Und hoffentlich trifft er genauso für die Nationalmannschaft bei der WM. Nichts wäre uns lieber. Ich bin überzeugt davon, dass er den beschriebenen Schritt machen kann, sonst hätten wir ihn und die anderen Finalisten nicht nominiert. Wir wollen ja auch nicht ohne einen Andre Rankel zur WM fahren. Aber es ist keine leichte Aufgabe. In Berlin harmoniert er hervorragend mit Stefan Ustorf und T.J. Mulock, mit denen er die ganze Saison trainiert und spielt. Bei uns spielt er jetzt in einer Reihe mit Kai Hospelt und Michael Wolf - sehr gute Spieler, aber darauf muss man sich innerhalb von drei Tagen auch erst einmal einstellen. Man darf einfach nicht zu viel erwarten, aber die Jungs sind ehrgeizig und werden kämpfen bis zum Umfallen.
SPOX: Jetzt haben wir viel über jemanden gesprochen, der vorne die Tore schießen soll. Aber Hauptgrund für deutsche Erfolge ist immer die Defensive mit einem überragenden Torwart. Dennis Endras war als WM-MVP so was wie der Poster-Boy für den vierten Rang. Zur neuen Saison wechselt er endgültig nach Nordamerika. Was trauen Sie ihm zu?
Krupp: Dennis hat eine Karriere daraus gemacht, Leute Lügen zu strafen, die ihm gesagt haben, dass er dies oder jenes nicht schaffen würde. Diesen Leuten zeigt er immer wieder, dass sie falsch liegen. Diese Charaktereigenschaft hat er - und das ist eigentlich die beste Qualität, die man nur haben kann. Du wirst ja immer Menschen haben, die Dir bestimmte Dinge nicht zutrauen. Er wird sich an einige Umstände gewöhnen müssen, wenn er nach Nordamerika geht, aber er hat definitiv das Zeug, sich in der NHL durchzusetzen und ich drücke ihm die Daumen.
SPOX: Wenn man sich anschaut, wie sich beispielsweise ein Tom Kühnhackl entwickelt, oder welche beachtlichen Ergebnisse die U18 bei der WM eingefahren hat, dann kann man die Hoffnung haben, dass Deutschland in den nächsten Jahren so einige neue NHL-Spieler bekommen wird.
Krupp: Es stimmt, dass einige Jungs nachkommen. Aber bei anderen Nationen auch. Wir müssen uns im internationalen Vergleich sehen und dann sehe ich zum Beispiel, dass Dänemark genauso viele NHL-Spieler hat wie wir. Oder ich sehe, dass Österreich mit Thomas Vanek und Michael Grabner zwei absolute Superstars hat. Es ist gut, dass wir Jungs haben, die gedraftet werden und sich gut entwickeln, aber wenn wir den Abstand zu den Nationen vor uns verringern wollen, müssen wir noch einiges tun. Die anderen Nationen machen auch Fortschritte. Wir müssen da mindestens mitziehen und noch besser arbeiten, wenn wir nach vorne kommen wollen.
SPOX: Ihre Arbeit beim DEB ist nach der WM abgeschlossen. Die nächsten Schritte muss also Ihr Nachfolger einleiten. Sind Sie bei der Suche involviert?
Krupp: Am Anfang war ich in die Gespräche eingebunden, da haben wir einige Kandidaten diskutiert. Aber jetzt nicht mehr. Ralph Krueger ist ein guter Freund von mir und wäre sicherlich ein geeigneter Kandidat gewesen, aber er hat ja abgesagt. Es interessiert mich natürlich, wie es weitergeht, weil ich dem DEB weiter verbunden bleibe und möchte, dass es dem deutschen Eishockey gut geht. Man wird sehen, wie es genau läuft. Ich weiß, dass es ganz gut geklappt hat, wie wir gearbeitet haben, aber ein neuer Trainer wird sicher seine eigenen Vorstellungen haben und vielleicht dort ansetzen, wo wir aufgehört haben, und mit neuen Ideen das deutsche Eishockey noch besser machen.
SPOX: Ralph Krueger hat im SPOX-Interview sehr begeistert von seiner NHL-Erfahrung gesprochen. Wäre ein Assistenz-Trainer-Job in der NHL auch etwas für Ihre weitere Lebensplanung?
Krupp: Die NHL ist für jeden Spieler der Höhepunkt. Das Gleiche gilt auch für jeden Trainer. Sollte das Timing stimmen, wäre ein ähnliches Angebot, wie es Ralph in Edmonton bekommen hat, für jeden Trainer sehr verlockend.
SPOX: Zunächst wird Ihre Aufgabe nach der WM aber heißen, die Kölner Haie wieder nach vorne zu bringen. Wie genau kann man sich Ihre Rolle vorstellen? Trainer und Manager in Personalunion? Werden Sie der Felix Magath der Haie?
Krupp: Nein, meine Hauptaufgabe wird meine Tätigkeit als Headcoach sein. Ich werde hinter der Bande stehen und nicht als Manager fungieren. Es ist nur so, dass ich ein Mitspracherecht bei Spielertransfers haben werde.
SPOX: Und wenn Sie in fünf Jahren mit den Haien Meister geworden sind, kein passendes NHL-Angebot im Briefkasten liegt und der DEB wieder einen Coach sucht, dann werden Sie noch einmal Bundestrainer. Vorstellbar?
Krupp: Vielleicht. Wer weiß? Wenn das Umfeld stimmt und die Arbeitsbedingungen für die Nationalmannschaft Sinn ergeben. Die Eishockey-Nationalmannschaft ist das wichtigste Team für unseren Sport in Deutschland. Wenn man sich dazu entschließt, das zu erkennen, dann kann man noch mehr bewegen als das, wozu wir in den letzten sechs Jahren in der Lage waren. Es ist und war eine tolle Zeit für mich. Wir arbeiten nach wie vor sehr gut zusammen, warum sollte ich ausschließen, dass man in Zukunft noch einmal zusammenarbeiten kann?
Der Spielplan der Eishockey-WM in der Slowakei