Das ist der Hammer! Deutschland hat Russland zum Auftakt der WM in der Slowakei mit 2:0 besiegt und damit Eishockey-Geschichte geschrieben. Es war der erste Sieg der Truppe von Uwe Krupp seit dem 4:2 bei Olympia 1994 in Lillehammer und der erste Sieg bei einer WM überhaupt.
Goalie Dennis Endras blieb als erster deutscher Torhüter aller Zeiten gegen Russland ohne Gegentor und war nach seinem Shutout Held und auch offiziell bester Mann des Spiels.
Aber der Sieg ging nicht nur auf seine Kappe. Das deutsche Team spielte gegen lust- und planlos wirkende Russen von Anfang an mutig nach vorne und kämpfte in der Abwehr aufopferungsvoll.
Somit war der Sieg keineswegs glücklich, sondern auch anhand der Spielanteile durchaus verdient. Die Tore für das deutsche Team erzielten Thomas Greilinger nach sehenswertem Solo und Patrick Reimer bei einem Konter kurz vor Spielende.
LIVE-TICKER: Der Sieg des DEB-Teams gegen Russland zum Nachlesen
Historische Einordnung:
Es war der erste deutsche WM-Sieg gegen Russland, im 38. Versuch, aber der Sieg wird noch unfassbarer, wenn man sich die Länderspiel-Bilanz des DEB gegen Russland insgesamt vor Augen führt.
Die Bilanz gegen Russland vor dem Eishockey-Wahnsinn von Bratislava: 3 Siege, 4 Remis, 87 Niederlagen! Torverhältnis: 159:653.
Es gab vorher eben nur diesen einen einzigen Pflichtspiel-Erfolg bei den Olympischen Spielen in Lillehammer. Beim 4:2 am 18. Februar 1994 zeigte der heutige Teammanager Klaus Merk im Tor eine Weltklasseleistung, Bernd Truntschka erzielte zwei Tore, Sportdirektor Franz Reindl stand als Co-Trainer von Ludek Bukac an der Bande.
Die beiden weiteren Siege kamen bei Freundschaftsspielen zustande, am 28. März 1987 (5:2) und 10. April 1993 (6:4). Kurios: Beide Spiele fanden in Kaufbeuren statt. Ansonsten gab es eine Niederlage nach der anderen, viele davon waren heftig. 21 Mal verlor das DEB-Team zweistellig. Die höchste Pleite kassierte Deutschland am 14. März 1972 in Garmisch-Partenkirchen mit 0:17. Die letzte zweistellige Klatsche gab es am 7. Dezember 1990 bei einem Turnier in der Schweiz mit 0:10.
Reaktionen:
Uwe Krupp (Bundestrainer): "Heute ist alles für uns gelaufen. Aber wir haben ein gutes Spiel gespielt, waren voll konzentriert und gut eingestellt. Die Spieler hatten die richtige Mischung aus Aggressivität und Disziplin. Die Defensive stand gut und wir haben uns dazu noch einige Chancen erspielt. Dennis Endras war natürlich wieder ein riesiger Rückhalt für uns. Aber Kompliment an die ganze Mannschaft, das musst du gegen Russland erst einmal so über die Zeit bringen. Unser Ziel ist weiterhin die Zwischenrunde und wir haben heute einen riesigen Schritt in diese Richtung gemacht. Trotzdem haben wir noch viel Arbeit vor uns."
... über Dennis Endras: "Als Torhüter braucht man besondere Fähigkeiten, nicht nur sportliche. Man muss auch mentale Stärke besitzen. Das zeichnet Dennis aus."
Dennis Endras (DEB-Goalie): "Wir haben brutal gute erste zwei Drittel gespielt und waren 40 Minuten lang die bessere Mannschaft. Im letzten Drittel wurde es natürlich noch einmal eng, aber zum Glück hat Patrick Reimer das Ding am Ende eiskalt rein gemacht. Wir haben im Team einfach nur Spaß pur und sind seit der Heim-WM 2010 ein richtig eingeschworener Haufen. Das spiegelt sich auf dem Eis wider. Nach diesem historischen Sieg wird auf jeden Fall ein wenig gefeiert."
... über den Teamgeist: "Es macht unheimlich Spaß mit diesen Jungs. Egal ob beim Essen oder auf dem Eis. Und wir haben eine breite Brust, wir haben gesehen, was möglich ist."
Andre Rankel (Deutschland): "Das gibt uns für das Turnier eine Menge Selbstvertrauen. Wir haben heute Geschichte geschrieben. Aber jetzt müssen wir uns schon auf die nächsten Spiele konzentrieren."
Vyacheslav Bykov (Trainer Russland): "Sie haben viel besser gespielt als wir. Wir hatten zwar unsere Torchancen, konnten diese aber nicht nutzen."
Maxim Afinogenov (Russland): "Das war nur ein Spiel. Solche Dinge passieren. Wir müssen uns jetzt wieder sammeln und versuchen, das nächste Spiel zu gewinnen."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Spiel: Die deutsche Mannschaft startet mit Robert Dietrich und Justin Krueger in der Abwehr. Die erste Sturmreihe bilden Andre Rankel, Kai Hospelt und Michael Wolf. Im Tor steht natürlich Dennis Endras. Die Russen beginnen mit Yevgeni Nabokov im Tor, Ilya Nikulin und Nikolai Belov in der Abwehr sowie Alexei Kaigorodov, Ilya Kovalchuk und Alexei Morozov im Sturm.
4.: Dicke Chance für die Russen. KHL-Topscorer Radulov visiert die linke obere Ecke an und Endras pariert mit Ellbogen, Schulter und Brust.
15.: Tolle Kombination der DEB-Auswahl über Wolf und Hospelt. Rankel schießt von der blauen Linie, doch Nabokov hält die Scheibe in Brusthöhe fest. Es ist sicher ein Rezept, Nabokov zu beschäftigen. Nach seiner Suspendierung bei den Islanders ist er seit Dezember ohne Ligaeinsätze.
18.: Unfassbar, was der Nabokov da alles fallen lässt. Wolf schießt nicht gerade zwingend von halbrechts, Nabokov lässt fallen und Rankel kriegt die Chance. Im zweiten Versuch hat der russische Goalie dann die Scheibe aber sicher.
25.: TOR FÜR DEUTSCHLAND. Greilinger besorgt die Führung. Gerade haben die Russen angefangen, einen etwas bissigeren Eindruck zu machen. Vor allem die zweite Reihe um Radulov sorgte für Gefahr. Dann kommt Greilinger daher, kurvt quer durchs russische Drittel und zieht aus vollem Lauf aus dem Handgelenk ab. So gut war der Schuss gar nicht mal, doch Nabokov lässt ihn durch die Schoner rutschen. Der Assist kam von Braun.
39.: Break der deutschen Mannschaft über Ullmann, der Rankel findet. Der Berliner verzieht allerdings. Das wär's gewesen. Ein Unterzahltor.
47.: Es wird immer enger, weil die deutschen die neutrale Zone nicht mehr so kontrollieren können wie noch in den ersten beiden Dritteln. Der 20-jährige Tarasenko versucht Endras mit dem Bauern-Trick zu überlisten, geht schief.
54.: STRAFE GEGEN DEUTSCHLAND. Reimer muss runter wegen Haltens. Das war doch eher... gar nichts.
57.: Die Strafzeit ist rum. Deutschland ist wieder vollzählig. Die Sensation nimmt immer mehr Gestalt an.
58.: TOR FÜR DEUTSCHLAND. Reimer besorgt die Entscheidung! Das ist ja alles nicht zu fassen. Hördler gewinnt den Puck im eigenen Drittel durch einen Monstercheck. Reimer macht sich auf die Reise, legt sich die Scheibe auf die Rückhand und lupft sie Nabokov links oben ins Eck.
Der Star des Spiels: Dennis Endras. Der WM-Held von 2010 ist schon wieder im Fokus. Ab Ende des zweiten Drittels lief Endras zu Hochform auf, als die Deutschen vom zunehmenden Druck der Russen immer weiter ins eigene Drittel gedrängt wurden. Zuvor hatte er jede Menge Hilfe von seinen Verteidigern, die sich aufopferungsvoll in jeden Schuss geworfen haben. Aber beim ersten Sieg gegen die Russen seit 17 Jahren einen Shutout zu schaffen und damit den knappen Sieg zu sichern, muss Endras zum Star des Spiels machen.
Der Flop des Spiels: Yevgeni Nabokov. Der russische Goalie hat seit Dezember kein ernsthaftes Spiel mehr gemacht, weil er in der NHL nicht mehr zum Einsatz kam. Trotzdem hat Russlands Coach Vyacheslav Bykov auf seine Erfahrung gesetzt und ihn als Nummer eins ins Tor gestellt. Das hat sich gerächt. Nabokov war die fehlende Spielpraxis deutlich anzumerken. Er wirkte unsicher, ließ viele Schüsse unkontrolliert prallen und der Schuss von Greilinger rutschte ihm durch die Hosenträger. Er hat zwar auch einige gute Reflexe gezeigt und damit sein Können aufblitzen lassen, aber so stellt man sich trotzdem keinen großen Rückhalt vor. Den hatten die Deutschen stattdessen in Dennis Endras.
Analyse: Das deutsche Team hat gegen die Russen perfekt verteidigt. Nicht nur, dass sie die Stars schon im Mitteldrittel so früh störten, dass denen die Lust am Kombinationsspiel sehr schnell verging, sie blockten auch Schüsse wie die Weltmeister. Immer wieder warfen sich die Verteidiger in die Schüsse und machten damit Goalie Endras das Leben so leicht wie möglich.
Im Angriff überzeugte vor allem die erste Reihe, die in den ersten beiden Dritteln für die meisten Chancen der Deutschen verantwortlich war. Andre Rankel und Michael Wolf feuerten allein im ersten Drittel sechs von zwölf Schüssen aufs russische Tor ab.
Die Russen haben in den ersten beiden Dritteln maßlos enttäuscht. Wenn überhaupt etwas ging, dann über die zweite Reihe mit Danis Zaripov, Sergei Zinoviev und Alexander Radulov. Insbesondere Radulov stach aus dem russischen Team heraus und war immer gefährlich.
Superstar Ilya Kovalchuk war insgesamt eine große Enttäuschung. Erst im letzten Drittel, in dem die technisch überlegenen Russen Deutschland immer weiter einschnürten, punktete er mit sehenswerten Einzelaktionen. Das typisch russische Kombinationsspiel kam aber bis zuletzt nicht zustande.
Der Spielplan der Eishockey-WM in der Slowakei