Am 12. September startet die neue Saison (Fr., 19.30 Uhr im LIVE-TICKER). Im SPOX-Interview spricht DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke über das Standing des deutschen Eishockeys, die Champions Hockey League und das leidige Thema Auf- und Abstieg. Außerdem: California-Lifestyle und "Blood and Beer".
SPOX: Herr Tripcke, bevor wir über die DEL sprechen: Sie haben nach Ihrem Jura-Studium in Bochum ein Jahr auch in San Diego studiert. Haben Sie den California-Lifestyle genossen?
Gernot Tripcke: (lacht) Absolut, es war eine super Zeit, die ich mir nicht hätte besser vorstellen können. Die University of San Diego ist aber eine der Top-Unis der USA für Juristen geworden, auch wenn damals viele dachten, man würde doch eh nur surfen gehen.
SPOX: Und? Waren Sie nicht?
Tripcke: (lacht) Doch, na klar! Ich war aber auch beim Eishockey, wobei man da in San Diego jetzt nicht unbedingt hingeht.
SPOX: Wo geht man denn in San Diego zum Eishockey?
Tripcke: Ich ging zu den San Diego Gulls. Früher waren die einmal über Ecken das Farmteam der L.A. Kings und haben zu der Zeit, als ich da war, in der West Coast Hockey League gespielt. Es war lustig. Ganz kleine Roster, Salary-Cap auf Taschengeld-Niveau und hübsche Mädels, die am Strand Flyer verteilt haben. Das Maskottchen war eine blutende Möwe mit einem Eishockey-Helm, deshalb hieß das Motto auch: "Blood and Beer." 5 Dollar Eintritt, 5 Dollar ein Pitcher Bier. Sergejs Naumovs, der ehemalige lettische Nationaltorwart, spielte damals auch für die Gulls. Die haben übrigens mehrmals den Cup gewonnen.
spoxSPOX: Wie sind Sie überhaupt zum Eishockey gekommen?
Tripcke: Ich bin im Düsseldorfer Raum aufgewachsen, die Ratinger Löwen waren mein Team. Ich habe aber nie organisiert selbst gespielt, ich war immer nur Fan. In San Diego hatte ich dann die Chance, Sports und Entertainment Law zu studieren, das hat mir sehr geholfen. Mitte der 90er Jahre gab es in Deutschland nur einen Sportjuristen: Götz Eilers beim DFB, das war's. Die Ligen wurden damals noch nicht so professionell geführt, ehemalige Spieler fungierten meist als Geschäftsführer. Zur DEL bin ich dann 1997 mehr durch Zufall gekommen. Ich war zu dem Zeitpunkt bei RWE tätig, als ich mich für die Stelle des Ligenleiters beworben habe. Sportrechtliche Vorkenntnisse wurden gefordert, also habe ich es einfach mal versucht. Mein Glück war, dass die DEL jemanden suchte, der völlig neutral und ohne Stallgeruch war. Normal brauchst du Vitamin B und musst lange selbst gespielt haben, aber in dem Fall war es genau andersherum. Es ging darum, jemanden von außen zu holen. Schließlich hatte der Ligenleiter unangenehme Aufgaben zu erledigen, wie das Sperren von Spielern, er war eine Art Staatsanwalt. So bin ich dazu gekommen und mit der Zeit in den Job reingewachsen.
SPOX: Inzwischen sind Sie seit 14 Jahren DEL-Geschäftsführer und kämpfen mit den Kollegen aus der BBL und HBL um den Nummer-2-Status hinter König Fußball. Wo steht Eishockey Ihrer Meinung nach aktuell im Ranking?
Tripcke: Wir kämpfen eigentlich gar nicht gegeneinander, wir arbeiten viel mehr zusammen, auch mit den Kollegen aus dem Fußball. Es gibt durchaus einen Know-How-Transfer zwischen allen Profiligen, weshalb wir uns in der Initiative Profisport Deutschland (IPD) vereint haben. Ich denke außerdem auch, dass es gar nicht so viele Überschneidungen und so auch keinen Kannibalisierungseffekt gibt, wenn wir uns die Eishockey-Landkarte genauer anschauen. Aber wenn Sie schon fragen: Wenn ich mir mal die Eckdaten vor Augen führe wie den Umsatz pro Klub, die Zuschauerzahlen, die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die Lizenzerträge der Media-Rechte, dann sind wir sicherlich die Nummer zwei nach dem Fußball. Das stellt uns aber nicht zufrieden. Wir wären auch gerne die Nummer vier, aber dann mit doppelt so viel Umsatz und Reichweite.
SPOX: Wie sind Sie mit der Entwicklung der DEL in den vergangenen Jahren zufrieden?
Tripcke: Ich bin sehr zufrieden. Eishockey wurde noch nie so großartig im Free TV präsentiert wie im Moment. Da brauchen wir uns vor keiner Liga der Welt zu verstecken, auch vor der NHL nicht. Was "ServusTV" macht, ist wirklich vom Feinsten. Dazu haben wir es geschafft, von allen Spielen Highlights zu produzieren, sodass auch die Nachverwertung stark gestiegen ist. Natürlich kommen wir niemals am Fußball vorbei, aber es ist schade, wenn uns auch die 3. Liga vorgezogen wird. Oder die Frauen-Bundesliga. Als Begründung wird dann gesagt, es würde ein öffentliches Interesse daran geben, aber dann sind da 300 Zuschauer im Stadion. Wie kann es daran ein öffentliches Interesse geben? Bei uns kommen aber im Durchschnitt über 6000 oder sogar über 18.000 in der Spitze! Uns fehlt die Eishockey-Berichterstattung über die Nationalmannschaft bei der WM im Öffentlich-Rechtlichen als Grundrauschen. Fragen Sie mal den Mann auf der Straße, wo denn Erich Kühnhackl und Udo Kießling gespielt haben. Die meisten sagen: für Deutschland. Weil die Eishockey-WM früher eben im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen lief.
SPOX: Womit wir beim Problem sind, dass eine Sportart nur durch eine erfolgreiche Nationalmannschaft einen wirklichen Push bekommen kann. Aktuell dümpelt das DEB-Team aber wieder vor sich hin. Der 14. Platz bei der letzten WM hat dem Eishockey nicht geholfen. Waren Sie enttäuscht?
Tripcke: Wir sind als Liga naturgemäß nicht glücklich mit einem 14. Rang, aber wir müssen auch den Realitäten ins Auge schauen. Abgesehen von den Top-6 ist das Feld sehr eng zusammen. Zwischen der Nummer 7 und der Nummer 20 der Welt ist der Unterschied nicht so wahnsinnig groß, da kann jeder jeden schlagen und es kommt stark darauf an, was für eine Mannschaft gerade zur Verfügung steht. 2010 hatten wir den Heimvorteil und spielten fast in Bestbesetzung, bei der letzten WM fehlten viele erfahrene DEL-Spieler und außer Philipp Grubauer war auch kein NHL-Spieler dabei. Die Mannschaft mit den vielen jungen Spielern wie Grubauer, Leon Draisaitl und Tobias Rieder hat sich ordentlich verkauft, sie war auch nicht so weit vom Viertelfinale weg, wie der 14. Platz vermuten lässt. Bitter ist es vor allem deshalb, weil es jetzt schon wieder sehr schwer wird, sich direkt für Olympia 2018 zu qualifizieren. Aber so ist es nun mal. In absehbarer Zeit wird Deutschland bei einer Eishockey-WM nicht zu einem Favoriten aufsteigen. Und wenn wir ehrlich sind, zählt in Deutschland alles andere relativ wenig. Selbst wenn wir es schaffen, uns durch tolle Arbeit regelmäßig für das Viertelfinale zu qualifizieren, können wir uns davon als Liga nicht viel kaufen.
SPOX: Was dem deutschen Eishockey sicher gut tun könnte, ist ein neuer NHL-Star. Mit Leon Draisaitl könnte es ein neues Gesicht geben, das die Sportart auch prägen kann.
Tripcke: Leon Draisaitl ist super für das deutsche Eishockey. Es ist zwar immer ein lachendes und ein weinendes Auge dabei, weil die Jungs, je besser sie sind, dann naturgemäß weniger in der DEL und der Nationalmannschaft spielen, aber in erster Linie schafft es Aufmerksamkeit für die Sportart. Das ist das Wichtigste. Ich bin mir sicher, dass Leon relativ schnell auch eine tragende Rolle bei den Edmonton Oilers spielen kann, das Potenzial dazu hat er.
Seite 1: Tripcke über California-Lifestyle und das deutsche Standing
Seite 2: Tripcke über das Winter Game, die CHL und Auf- und Abstieg
SPOX: Wie in der NHL gibt es in der DEL seit letzter Saison auch ein Winter Game. Nach der Premiere in Nürnberg kommt es diesmal zum Derby in Düsseldorf: DEG vs. Haie. Mit 54.500 Zuschauern wird dann wohl auch ein neuer Zuschauerrekord auf europäischer Ebene aufgestellt. Welche Bedeutung hat das Winter Game?
Tripcke: Es ist eine super Geschichte, es muss aber auch etwas Besonders bleiben. Zur Massenware sollten wir es nicht machen. Zum Glück geht das aber allein schon aus infrastrukturellen Gründen kaum, weil man so ein Spiel ja nicht auf jedem Parkplatz machen kann. Von den möglichen Stadien und dem relativ milden Wetter im deutschen Winter sind wir limitiert. Nürnberg war schon ein toller Event, von Düsseldorf erhoffe ich mir jetzt noch mehr, weil das rheinische Derby mit seiner ganzen Rivalität einfach ein noch emotionaleres Spiel werden sollte. Aber das DEL Winter Game muss mehr als ein Spiel sein, wir wollen ein Happening kreieren, das in der ganzen Stadt schon im Vorfeld überall zu spüren ist.
SPOX: Gibt es neben dem Winter Game weitere Innovationen, die geplant sind? Die Playoffs ab dem Viertelfinale durchgehend im Best-of-seven-Modus zu spielen, war ein voller Erfolg.
Tripcke: Was Best-of-seven angeht, haben wir nach der verpassten Olympia-Quali und der dadurch frei gewordenen Zeit aus der Not eine Tugend gemacht. Am Anfang waren einige skeptisch, gerade die Teams, die nicht so weit kommen und über mehr Dienstag-Spieltage geklagt haben, aber mittlerweile hat jeder gesehen, dass es angenommen wird. Wir werden es auch beibehalten, müssen aber noch mal schauen, sollten wir uns für Olympia 2018 qualifizieren. Dann könnte es terminlich kritisch werden, zumal vor Südkorea sicher auch eine längere Vorbereitungszeit nötig wäre. Ansonsten gehen wir jede technische Innovation mit, die das Spiel attraktiver macht. Ob das jetzt Hybrid-Icing oder vergrößerte Endzonen sind. Ein ganz zentraler Punkt ist auch die Einführung der Champions Hockey League.
SPOX: Auf den ersten Blick wirkt die CHL wie Ihre Vorgänger vogelwild. 11 Gruppen, insgesamt 44 Mannschaften, eine sehr komplexe Zusammenstellung - was erhoffen Sie sich von dem Wettbewerb?
Tripcke: Es geht darum, dem Eishockey eine nationale Bedeutung zu geben. Wir sind lokal sehr gut aufgestellt, die Nationalmannschaft beschränkt sich auf zwei Wochen WM und Testspiele, wir wollen durch eine CHL die nationale Komponente erhöhen, ein deutsches Feeling erzeugen. Wenn ein deutsches Team im Europapokal gegen ein finnisches spielt, ist es keine regionale, sondern eine nationale Meldung. Wir wissen, dass es jetzt nicht sofort ein Bombenerfolg werden wird, aber es kann sich zu einer richtig coolen Sache entwickeln. In anderen Ländern wie der Schweiz oder Schweden wurde die CHL schon im Voraus sehr gut angenommen.
SPOX: Aber was unterscheidet die CHL von früheren Versuchen in diese Richtung, die als Flop endeten?
Tripcke: Es ist alles anders. Früher war es so, dass mit Hilfe eines Investors einfach etwas aus dem Boden gestampft wurde, mit viel Preisgeld im Hintergrund. Aber es wurden sich im Vorfeld keine Gedanken gemacht, die Ligen wurden nicht eingebunden, z.B. was die Spieltermine angeht. Es wurde ein Schinken rausgehängt, den die Klubs dankend angenommen haben. Aber diese Vorgehensweise hat alles total versaut, alle waren Gäste, es herrschte eine Söldner-Mentalität. Jetzt wurde sich jahrelang hingesetzt und etwas entwickelt. Die Klubs und die Ligen bestimmen gemeinsam, wie die Sache zu laufen hat. Und das Preisgeld ist das, was erwirtschaftet wird. Es ist nicht mehr so, dass es davon abhängt, ob ein "Partner" es gerade lustig findet und nächstes Jahr vielleicht nicht mehr. Auch bei der Terminierung war man akribisch. In Deutschland ist es wichtig, nicht mit der Fußball-Champions-League zu kollidieren, in Finnland sieht das aber schon wieder anders aus. Insgesamt haben wir in nur eineinhalb Jahren Vorbereitung seit der Grundidee schon sehr viel erreicht.
SPOX: Zum Abschluss noch ein Thema, das Sie bestimmt nervt: Auf- und Abstieg in der DEL. Grundvoraussetzung, um darüber nachzudenken, wäre ja, dass es ernsthafte Bewerber gibt. Wie sehen Sie das Thema denn im Moment?
Tripcke: Richtig, es gibt seit Jahren keine ernsthaften Bewerber. In der Zusammenarbeit mit der DEL 2 muss es aber unser Ziel sein, mittelfristig vier bis sechs wirtschaftlich solide aufgestellte Standorte zu haben, die in der DEL ernsthaft mitspielen könnten und nicht nur sportliches Kanonenfutter wären. Zugleich sollte ein Klub, der dann absteigt, dort ein Heim finden, in dem er sich berappeln und wieder hochkommen kann. Wenn wir dahin kommen, wäre es schön, momentan ist es aber noch nicht der Fall. Man muss verstehen, dass es im Eishockey schwieriger ist als im Fußball, wo ein Zweitligist 50 oder 60 Prozent seines Etats jedes Jahr dank der TV-Gelder sicher hat und mitspielen kann. Die Eishockey-Klubs fangen bei null an. Wir reden zwar über ganz andere Summen, fünf oder sechs Millionen in der DEL, zwei Millionen in Liga 2, aber die meisten knapsen schon, um zwei Millionen zusammenzubekommen. Es wird ein längerfristiger Prozess, mit der 2. Liga zusammen Spieler und Standorte auszubilden. Das Schlimmste wäre, wenn wir uns lächerlich machen und eine Relegation spielen, in der Spiele 10:0 ausgehen oder vorher klar ist, dass ein Team gar nicht hoch will.
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Der Spielplan der neuen DEL-Saison