"Kann mit Hass nichts anfangen"

Michael Graßl
15. März 201613:53
Andre Rankel (r.) wurde mit den Eisbären Berlin sieben Mal Deutscher Meistergetty
Werbung
Werbung

Er ist siebenfacher Deutscher Meister, der Kapitän und mittlerweile das Urgestein der Eisbären Berlin: Andre Rankel. Der gebürtige Berliner spricht über die anstehenden Playoffs (Di., 19.30 Uhr im LIVETICKER), das Schiedsrichterproblem der DEL und Aufschwung dank Marco Sturm. Außerdem Thema: Facebook, der Traum von der NHL und warum Moritz Müllers Live-Ausraster richtig war.

SPOX: Herr Rankel, wir wissen, dass Sie viele Interviews vor den Playoffs führen müssen, oft dieselben Fragen gestellt bekommen und ein Thema dabei immer wieder aufgegriffen wird...

Andre Rankel: Jetzt bin ich gespannt.

SPOX: Sie sind mittlerweile das Urgestein der Eisbären Berlin.

Rankel: Das stimmt, das höre ich wirklich öfter. (lacht)

SPOX: Sie haben Ihr ganzes Eishockeyleben in Berlin verbracht. Hatten Sie denn nie den Wunsch, mal etwas anderes zu sehen oder den Gedanken, vielleicht etwas verpasst zu haben?

Rankel: Das kann ich ganz klar mit Nein beantworten. Berlin ist meine Heimatstadt, meine Frau kommt ebenfalls aus Berlin und meine Kinder sind hier geboren. Außerdem ist die Eisbären-Organisation sehr professionell und erfolgreich waren wir, von den letzten beiden Jahren einmal abgesehen, auch immer. Deshalb hatte ich in Berlin stets alles was ich brauchte. Privat und sportlich.

SPOX: Aber Hand aufs Herz: Jeder Eishockeyspieler träumt doch, einmal in der NHL zu spielen. Würden Sie bei einem solchen Angebot nicht doch ins Grübeln kommen?

Rankel: Doch, das schon. Die NHL ist noch mal eine andere Hausnummer. Wenn es ein reizvolles Angebot von außerhalb Deutschlands geben würde, dann wäre es vermessen, es von vornherein abzulehnen. Aber ich lebe lieber im Hier und Jetzt und in die Zukunft schauen, das ist nicht mein Ding.

SPOX: Momentan dürften Sie auch Wichtigeres zu tun haben, denn die Playoffs stehen vor der Türe. Sie hatten zwischen dem Hauptrundenabschluss und dem Playoff-Start einige Tage frei. Wie haben Sie die Zeit genutzt?

Rankel: Für mich war es wichtig, erstmal so wenig wie möglich an Eishockey zu denken, einfach mal abzuschalten. Dazu haben wir zwei freie Tage bekommen. Aber natürlich steht viel Training auf dem Programm, insbesondere für das Über- und Unterzahlspiel. So viel Zeit bleibt dann gar nicht mehr übrig, um etwas Besonderes zu unternehmen.

Heatley-Interview: "NHL-Abschied nicht meine Entscheidung"

SPOX: Zeit genug aber, um sich um Ihre Facebook-Seite zu kümmern. Sie betreuen Ihre Fanseite selbst und sind dort sehr aktiv. Wie kam es dazu, das selbst in die Hand zu nehmen?

Rankel: Ich hatte schon länger überlegt, etwas in diese Richtung zu machen. Es geht darum, die Fans einfach näher an die Mannschaft heranzubringen. Wir sind viel unterwegs und können nicht mit jedem einzelnen sprechen. Facebook ist dafür eine gute Form der Kommunikation, mit der ich viele Fans gleichzeitig erreichen kann.

SPOX: Ihre Posts werden generell sehr positiv aufgenommen. Aber es bietet auch die Möglichkeit, direkt mit Kritik an Sie heranzutreten. Haben Sie auch Erfahrungen mit Beleidigung oder Ähnlichem machen müssen?

Rankel: Ich denke es ist normal, dass dich auch nicht so nette Nachrichten erreichen. Es gibt Leute, für die nach einer Niederlage die halbe Welt zusammenbricht. Nach einem Sieg bist du dafür gleich wieder der Beste. Beleidigung würde ich das aber nicht nennen. Außerdem erhalte ich zu fast 100 Prozent nur positive Rückmeldungen. Und es gibt noch einen wichtigen Punkt.

SPOX: Erklären Sie.

Rankel: Die Anonymität, oder teilweise Anonymität, des Internets ist sicherlich ein Risiko. Aber: Die Kritik, die einem dabei oft entgegengebracht wird, ich glaube nicht, dass sich jemand trauen würde, mir diese persönlich so ins Gesicht zu sagen. Deshalb sollte man sich das auch nicht zu sehr zu Herzen nehmen.

SPOX: Viel Anlass zur Kritik dürfte Ihre Saison und die der Eisbären auch nicht gegeben haben. Sie haben die Hauptrunde als Tabellenzweiter abgeschlossen, damit kann man in Berlin gut leben.

Rankel: Definitiv, wir sind zufrieden. Wir wollten uns direkt für die Playoffs qualifizieren, das haben wir geschafft. Es war wichtig zu zeigen, dass die Eisbären noch eine Spitzenmannschaft sind. Schön zu sehen, dass wir wieder da sind.

SPOX: Welchen Anteil daran hat Uwe Krupp? Er ist seit Dezember 2014 der Trainer der Eisbären, aber erst jetzt scheint es "Klick" zwischen ihm und der Mannschaft gemacht zu haben.

Rankel: Es ist für einen Trainer immer schwer, wenn man wie in seinem Fall mitten in einer Saison ein neues Team übernimmt. Die Möglichkeiten, noch richtunggebend auf die Mannschaft einzuwirken, sind im laufenden Spielbetrieb sehr gering. Deshalb war die Sommervorbereitung auf diese Saison enorm wichtig. Uwe ist unheimlich entschlossen und sehr geradlinig.

SPOX: Nicht nur bei den Eisbären ist eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Gleiches erleben wir dank Marco Sturm bei der Nationalmannschaft. Geht es wieder aufwärts mit dem deutschen Eishockey?

Rankel: Absolut. Man hat das Gefühl, dass irgendetwas passiert und endlich ein Stein ins Rollen gebracht wird. Es ist sehr wichtig, dass Marco Sturm jetzt unser Bundestrainer ist, er personifiziert den Aufbruch. Er verfolgt ein klares Konzept. Das stimmt mich optimistisch für die nächsten Jahre.

SPOX: Wie sieht dieses Konzept aus, das er vorgibt?

Rankel: Im Prinzip dreht sich alles um Einsatz und Disziplin. Er verlangt keine Wunderdinge von uns, aber wenn du auf das Eis gehst, dann musst du immer 100 Prozent geben. Ohne Disziplin geht es nun mal nicht, vor allem gegen vermeintlich bessere Nationen. Er lässt uns auch unseren Spaß machen, aber dafür muss anschließend das Eis brennen.

SPOX: Dennoch steht der Nationalmannschaft noch ein langer Weg bevor. Moritz Müller hat in einem emotionalen Interview nach einem Spiel in Iserlohn das Konzept der vielen eingedeutschten Kanadier bei den Roosters attackiert und Iserlohn als die kanadische 1C-Nationalmannschaft kritisiert. Sehen Sie darin ebenfalls eine Problematik für das deutsche Eishockey?

Rankel: Ich glaube nicht, dass die Probleme im deutschen Eishockey nur an dem Konzept in Iserlohn festgemacht werden können. Wir haben in Deutschland im Moment nicht so viele junge Spieler, die gut genug sind, um zum Beispiel mit den Deutsch-Kanadiern zu konkurrieren. Der Nachwuchs muss besser ausgebildet werden, erst dann können wir über die Streichung von Ausländerstellen reden. Es geht nur Schritt für Schritt. Und der erste Schritt ist von unserer Seite eben noch nicht gemacht.

SPOX: Moritz Müller sprach einen Tag danach davon, dass die Emotionen mit ihm durchgegangen seien. Können Sie seinen Ausbruch nachvollziehen?

Rankel: Ich kann Moritz verstehen. Eishockey ist ein sehr emotionales Spiel. Ich finde es gut, wenn Spieler nicht zu allem nur Ja und Amen sagen, sondern eine eigene Meinung haben und zu dieser stehen. Wir brauchen Typen, wie man so schön sagt.

SPOX: Einer dieser Typen war Sven Felski, eine Eisbären-Legende. Mittlerweile arbeitet er für das Fernsehen, hält sich dort aber noch vergleichsweise zurück mit Kritik. Ein Weg, den Sie sich nach der Karriere auch vorstellen könnten?

Rankel: Momentan eher nicht. Früher, wenn ich im Hof gespielt habe, habe ich meine eigenen Spiele kommentiert, da hat mir das Spaß gemacht. (lacht) Aber heute ist das ein echt schwerer Job. Du kennst die meisten Spieler ja noch persönlich und musst diese dann vor laufenden Kameras kritisieren. Das würde mir nicht leicht fallen. Genauso übrigens mit den Schiedsrichtern.

SPOX: Die Schiedsrichter erfahren diese Saison teils heftige Kritik. In den Playoffs stehen sie noch mehr im Rampenlicht, weil Überzahl und Unterzahl noch entscheidender sind. Gibt es in der DEL wirklich ein Schiedsrichterproblem?

Rankel: So weit würde ich nicht gehen. In manchen Stadien wird bei jeder Aktion von den Zuschauern gepfiffen und selbst als Spieler denkst dir, dass das kein Foul war. Das erhitzt die Gemüter und dann brauchen nur ein, zwei Situationen zusammenkommen und schon wird es schwer für die Unparteiischen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich möchte kein Schiedsrichter sein.

SPOX: Die Playoffs sind nicht nur von Fan- und Stimmungsseite in den Arenen eine andere Welt. Was macht sie für die Spieler so speziell im Gegensatz zur Hauptrunde?

Rankel: Es ist um ein Vielfaches intensiver. Vom Viertelfinale zum Finale sind es nur ein paar Wochen. Du kannst innerhalb von 14 Tagen sieben Mal gegen den gleichen Gegner spielen. Wo gibt es das schon?

SPOX: Jeden zweiten Tag gegen den gleichen Gegenspieler. Entwickelt sich dabei nicht irgendwann ein gewisser "Hass", wie manche Spielerkollegen behaupten?

Rankel: Ich mag das Wort "Hass" nicht, damit kann ich nichts anfangen. Ich habe vor jedem Spieler und jeder Mannschaft einen gewissen Respekt. Aber natürlich entwickelt sich mit der Zeit ein besonderer Ehrgeiz seinem Gegenspieler gegenüber.

SPOX: Sie treffen im Viertelfinale auf die Kölner Haie, die immerhin den amtierenden Meister aus Mannheim rausgeworfen haben. Wie schätzen Sie Ihre Chancen auf das Halbfinale ein?

Rankel: Sie sind ein sehr schwer zu bespielender Gegner. Durch ihren Sieg in den Pre-Playoffs kommen sie sicherlich mit einem Hoch zu uns. Dafür sind wir ausgeruhter. Ob diese Faktoren wirklich eine Rolle spielen, wird man erst nach der Serie sehen.

SPOX: Und dann an der Länge ihres Playoff-Bartes. Gibt es bei den Eisbären noch andere "Bräuche" für die Playoffs?

Rankel: Nein, im Grunde nicht. Sich die Schoner immer in der gleichen Reihenfolge anzuziehen ist aus meiner Sicht eher Routine als Aberglaube oder ein Brauch. Ganz ehrlich: Wenn es nicht klappt, dann klappt es eben nicht. Der Playoff-Bart muss natürlich trotzdem sein.

Alle Infos zu den DEL-Playoffs