Mit der Macht der Brause

Der EHC Red Bull München trifft in den DEL-Finals auf die Grizzlys Wolfsburg
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Der EHC Red Bull München nimmt in den Finals gegen die Grizzlys Wolfsburg (Spiel 1 jetzt im LIVETICKER) die erste Meisterschaft der Klub-Geschichte ins Visier. Der anfängliche Größenwahn war nicht von Erfolg gekrönt, im dritten Jahr seit dem Einstieg des Brauseherstellers läuft es aber. Die Gründe: Das Gespür von Coach Don Jackson, ein exzellenter Kader und das liebe Geld. Trotzdem bleibt die große Eishockey-Euphorie aus.

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Mittelmaß. Dieses eine Wort genügt, um Dietrich Mateschitz mit den Augen rollen zu lassen. Wo der Red-Bull-Boss ist, da ist oben. Ganz oben, um genau zu sein. Mittelmaß? Dafür fehlt "Didi" das Verständnis.

Der 72-Jährige scheffelte mit seinem Brausegetränk ein Vermögen von angeblich neun Milliarden Euro. Sein Team wurde in der Formel 1 mit Sebastian Vettel im Cockpit vier Mal Weltmeister, mit Leipzig spielt wahrscheinlich bald ein Konzern-Klub in der Fußball-Bundesliga.

Als Red Bull nach einem Probejahr 2013 den EHC München endgültig als alleiniger Gesellschafter übernahm, seither heißt der Klub EHC Red Bull München, war es deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die DEL von den Österreichern dominiert würde.

Der höchste Etat der Liga

Nun ist es soweit: Das Team vom Oberwiesenfeld sicherte sich die Hauptrunden-Meisterschaft, setzte sich im Playoff-Viertelfinale und Halbfinale souverän mit jeweils 4-1 gegen die Straubing Tigers beziehungsweise die Kölner Haie durch. In den Finals sind die Münchner gegen die Grizzlys Wolfsburg ebenfalls klarer Favorit.

Dabei steht eigentlich nicht München, sondern Red Bull im DEL-Finale. Ohne die angeblich 12,5 Mateschitz-Millionen, was selbstredend den höchsten Etat der Liga bedeutet, würde es in der bayerischen Landeshauptstadt nicht nur keine Finals, sondern überhaupt kein DEL-Eishockey geben.

Nach Bayern, EV, Hedos, ESC, Maddogs und Barons war 2012 nämlich auch der EHC kurz davor, aus dem Stadtbild zu verschwinden. Der Verein machte Millionenverluste, galt bei den Fans als unsexy, die Lizenz sollte nach Schwenningen verscherbelt werden. "Damals war es nicht fünf nach zwölf, es war eher schon halb eins", sagte Manager Christian Winkler im Gespräch mit SPOX.

Red Bull wurde zum Retter. In der DEL ist ein Gesellschafter nichts Außergewöhnliches. Die Hamburg Freezers und die Eisbären Berlin hängen am Tropf einer Investorengruppe, Nürnberg trägt den Namen eines Schmuckherstellers im Vereinsnamen. Tradition können sich nicht viele leisten. Das wissen die Fans, weshalb Hasstiraden wie im Fußball in der Regel nicht vorkommen.

Pages Traum von der Weltmacht

Natürlich krempelten die Bullen vieles um. Die altehrwürdige Olympia-Eishalle wurde mit einem siebenstelligen Betrag renoviert. Der Geruch von Schweiß, Bratwurst und Bier verschwand aus dem 48 Jahre alten Gebilde, zeitgemäße Technik, ein anständiger VIP-Raum und professionellem Sport entsprechende Kabinen erhielten Einzug.

Sportlich verlief der Neuanfang allerdings nicht nach Plan. 2013 wurde Pierre Page auf Mateschitz' Befehl als Trainer vom Schwesterverein EC Red Bull Salzburg nach München beordert. Der cholerisch veranlagte Kanadier mit dem Hang zum Größenwahn versprach die Meisterschaft, wollte den Klub zur "Weltmacht" machen und gleichzeitig den "Eishockey-Messi" finden.

Stattdessen spielte die alles andere als harmonische EHC-Mannschaft vogelwildes Offensiv-Eishockey mit einer fahrlässig vernachlässigten Defensive, wurde Siebter und scheiterte in den Pre-Playoffs an den Iserlohn Roosters.

Page, der sein Vorhaben in München gerne mit John F. Kennedys Mond-Mission verglich, wurde von Red Bull auf den neugeschaffenen Posten des Global Sports Director Hockey hinwegbefördert. "Wo immer ich war, sind gute Dinge passiert, und wann immer ich gegangen bin, sind die Dinge gut geblieben oder noch besser geworden, weil ich den Weg geebnet habe. So wird es auch in München sein", sagte Page zum Abschied in seiner ihm eigenen Art.

Mit Jackson kommt der Erfolg

Über die Gründe darf gestritten werden, grundsätzlich lag Page aber mit seiner Prophezeiung nicht ganz falsch. Erneut bestimmte Mateschitz den Trainer. Diesmal fiel die Wahl des Milliardärs auf Don Jackson, der wie sein Vorgänger aus Salzburg an die Isar kam, allerdings mit seiner ruhigen und bodenständigen Art genau das Gegenteil von Page verkörpert.

"Das Ziel ist es, möglichst jedes Spiel und dann auch die Meisterschaft zu gewinnen. Aber der Weg dahin ist lang. Wir müssen in jedem einzelnen Spiel voll da sein. Schaffen wir das nicht, werden wir auch nicht erfolgreich sein", sagte Jackson bei seinem Amtsantritt im SPOX-Interview.

Jackson, als Spieler an der Seite des legendären Wayne Gretzky zwei Mal Stanley-Cup-Champion mit den Edmonton Oilers, hatte die Eisbären Berlin als Trainer in sechs Jahren zu fünf Meisterschaften geführt. Und er war auch prompt in München erfolgreich - allerdings nur bis zu den Playoffs.

Nach dem zweiten Platz in der Hauptrunde der Saison 2014/2015 scheiterten die Bayern im Viertelfinale sang- und klanglos mit 0-4. Gegner war ausgerechnet der diesjährige Finals-Konkurrent Wolfsburg.

Radikaler Umbruch mit Augenmaß

Es folgte ein personeller Umbruch, der zwar radikal war (15 Spieler gingen, 15 kamen), aber mit Augenmaß durchgeführt wurde. Mit dem Einsatz des reichlich vorhandenen Geldes wurde um DEL-Rekordtorschütze und Kapitän Michael Wolf herum ein schlagkräftiges Team aufgebaut.

Da wären beispielsweise David Leggio und Danny aus den Birken, die von den Portland Pirates aus der AHL beziehungsweise aus Köln geholt wurden. Die beiden bilden das beste Torhüter-Duo der Liga, Leggio weist in den bisherigen Playoffs eine Fangquote von 94 Prozent auf.

Die im Sommer neu verpflichteten Keith Aucoin (HC Ambri-Piotta, Schweiz) und Jason Jaffray (St. John's IceCaps, AHL) sowie die seit 2014 in München spielenden Wolf, Mads Christensen und das 20-jährige Super-Talent Dominik Kahun haben alle mehr als 30 Scorerpunkte gesammelt.

"Haben eine Musketier-Mentalität"

In den bisherigen Playoffs gehören zudem der NHL erfahrene Steve Pinizzotto (10 Scorerpunkte) und Jerome Samson (9) zu den absoluten Leistungsträgern. Neben der Offensivstärke ist es Jackson vor allem gelungen, dem Team zu einer defensiven Stabilität zu verhelfen.

"Wir sind ein zusammen geschweißtes Team und haben eine Musketier-Mentalität", sagt Jackson, der einfach die richtige Mischung im Kader zu haben scheint.

Lediglich das Überzahlspiel ist mit einer Erfolgsquote von 17,2 Prozent in der Hauptrunde und 16,2 Prozent in den Playoffs lausig.

Viel Erfolg, wenig Zuschauer

Obwohl die Saison bislang nicht hätte wesentlich besser laufen können, hält sich das Interesse der Fans in Grenzen. Mit einem Schnitt von 4.600 Fans in der regulären Saison liegt der Klub im hinteren Mittelfeld der DEL-Zuschauertabelle. In den Playoffs pilgern bislang durchschnittlich 5.700 Menschen in die Olympia-Eishalle, was Rang sechs bedeutet.

Der FC Bayern überstrahlt alles. Dazu kommt 1860 München, die Löwen liegen gerade den "echten" Münchnern am Herzen. Und selbst zu den Bayern-Basketballern gehen durchschnittlich gut 1.000 Menschen mehr als zum Eishockey.

Auch deshalb will der EHC Red Bull München seine zwar renovierte, aber vergleichsweise immer noch komfortbefreite Halle mit nur 6.100 Plätzen (4.600 Stehplätze) verlassen. Die Macher aus Salzburg streben einen Neubau an.

Auf dem Olympiagelände soll eine neue Arena, die 10.000 Zuschauer fasst, entstehen. Der Plan sah vor, dass neben den Eishockey-Profis die FCB-Basketballer als Mieter einziehen. Doch die erteilten Red Bull einen Korb. Vorerst, muss man sagen. Der große Basketball-Förderer Uli Hoeneß lässt sich noch nicht so ganz in die Karten schauen.

Auf den Spuren der Barons

Bis es soweit ist, muss Zählbares her. Interesse wird im erfolgsverwöhnten München am besten mit Titeln geweckt. Es wäre der erste Meister-Titel im Eishockey für die Stadt seit jenem der Barons im Jahr 2000.

"Der EHC Red Bull München wird Meister, weil wir genau dafür trainieren", ist der US-Amerikaner Jackson vom großen Wurf überzeugt.

Für Red Bull geht es um die erste deutsche Meisterschaft in einer Mannschaftssportart. Damit wäre der Konzern auch im Eishockey da angekommen, wo Mateschitz sich wohl fühlt. Ganz oben.

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