Dominik Kahun hat in der bayerischen Landeshauptstadt eine beachtliche Entwicklung durchlaufen. Ein Abschied ist kein Thema mehr, stattdessen soll der Titel mit dem EHC Red Bull München erst der Anfang gewesen sein. Der 21-jährige Nationalspieler erklärt vor dem Spiel in Straubing, warum beim Meister trotz der starken Form die Alarmglocken schrillen und welche Rolle Red Bull spielt. Zudem spricht der Stürmer über Heimweh während seiner Zeit in Kanada sowie Nächte mit einem Eishockey-Helm.
SPOX: Herr Kahun, der Saisonstart verlief zwar nicht perfekt, dennoch stehen nach vier Spielen drei Siege auf dem Konto des EHC Red Bull München. Wie ist das Gefühl, als Titelverteidiger der Gejagte zu sein?
Dominik Kahun: Es ist anders. Natürlich ist alles nun etwas schwerer für uns, jeder will schließlich den Meister schlagen. Als bestes Beispiel kann wohl Mannheim dienen, nachdem das Team in der vorletzten Saison den Titel feiern konnte. Wir sind allerdings auf alle Herausforderungen vorbereitet.
SPOX: München wirkte in den letzten DEL-Playoffs erschreckend dominant, im Sommer gab es weitere Verstärkungen im Kader. Nach der Niederlage bei den Kölner Haien zum Auftakt der neuen Saison folgten zudem klare Siege gegen Wolfsburg, Berlin und im Derby gegen Augsburg. Wer soll den EHC in einer Serie über mehrere Spiele überhaupt stoppen?
Kahun: Was man nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass die anderen Mannschaften sich verbessert haben. Köln hat sehr gute Spieler geholt, Mannheim ist sowieso ein harter Konkurrent. Ich denke, es wird immer ausgeglichener. Fest steht, dass uns viele Teams jagen werden.
SPOX: Auch bei den Fans stehen Duelle gegen München ganz oben auf der Liste. Einer der Gründe ist die Tatsache, dass Red Bull polarisiert. Im Fußball ernten RB-Spieler jede Menge Hass. Im Eishockey wird Tradition ebenfalls groß geschrieben. Nimmt man die Anfeindungen deshalb besonders wahr?
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Kahun: Wissen Sie, wir Spieler achten da gar nicht so wirklich drauf. Das ist eher eine Sache der Fans und der Medien. Wir gehen einfach auf das Eis, wollen Spaß haben und Spiele gewinnen.
SPOX: Stört es Sie als Spieler und Teil einer Mannschaft nicht, dass viele die Entwicklung der letzten Jahre sowie den Titel vor allem den vorhandenen finanziellen Mitteln zuschreiben?
Kahun: Solche Aussagen interessieren mich nicht. Für mich ist es entscheidend, dass ich auf dem Eis mein Bestes gebe und mit der Mannschaft Titel feiern kann. Was andere Leute sagen, ist mir egal.
SPOX: Geld allein gewinnt also keine Titel?
Kahun: Nein. Klar, man benötigt die richtigen Spieler, vor allem aber die richtige Chemie. Man sieht das auch bei vielen anderen Teams und zwar nicht nur in Deutschland, sondern ebenso in anderen Ligen Europas. Es gewinnen immer wieder Teams, die nicht so viel Geld zur Verfügung haben wie die Konkurrenz. Erfolg liegt nicht am Geld, er liegt an der Mannschaft.
SPOX: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang Coach Don Jackson?
Kahun: Er ist ein sehr erfahrener Trainer. Das merkt man in allen Belangen. Er hat nicht umsonst so viele Titel gewonnen und kann eine Mannschaft vor allem perfekt zusammensetzen.
SPOX: In den ersten Wochen der Mission Titelverteidigung fehlen mit Steve Pinizzotto und Richie Regehr zwei absolute Leistungsträger. Dazu kommen sieben Auswärtsspielen an den ersten neun Spieltagen. Ist solch ein Härtetest direkt zum Auftakt ein Vor- oder Nachteil?
Kahun: Das Programm hat es in sich, aber wir sind Ausfälle gewohnt. Wir hatten es in den letzten zwei Jahren immer wieder, dass Spieler gefehlt haben. Wir haben aber einen sehr starken Kader. Wenn es Ausfälle gibt, haben wir also genug andere Spieler, die das ausgleichen können. Außerdem haben wir dann natürlich auch irgendwann mehr Heimspiele. (lacht)
SPOX: Sind eventuelle Rückschläge am Anfang einer Saison kein Problem?
Kahun: Es gehört dazu, dass man manchmal oben ist und manchmal unten. Das macht ein starkes Team aber aus. Als wir letztes Jahr mal nicht so gut gespielt haben, ging es schließlich wieder bergauf. Nach Weihnachten hatten wir eine super Serie, an deren Ende die Meisterschaft stand. Natürlich würden wir lieber eine ganze Saison über gut spielen, aber Niederlagen gehören dazu.
SPOX: Auf welche Duelle freuen Sie sich über die Spielzeit hinweg besonders?
Kahun: Ich freue mich in erster Linie, dass es endlich wieder auf dem Eis zur Sache geht. Außerdem gibt es nicht nur ein Highlight, sondern viele. Derbys gegen Augsburg zum Beispiel, die machen immer Spaß und natürlich Duelle mit Mannschaften wie Mannheim.
SPOX: In Mannheim haben Sie vier Jahre lang bei den Jungadlern für Furore gesorgt, standen zuvor bereits als kleines Kind auf dem Eis. Woher kommt Ihre Liebe zum Eishockey?
Kahun: Also bei mir in der Familie hat zwar niemand aktiv gespielt, ich bin allerdings in Tschechien geboren. Dort ist es etwa so wie in Deutschland mit dem Fußball. Meine Eltern haben mich sofort auf das Eis geschickt. Und was soll ich sagen? Es hat mir von der ersten Minute an riesengroßen Spaß gemacht.
SPOX: Ist es richtig, dass Sie dermaßen verrückt nach dem Sport waren, dass Sie als Kind Ihren Eishockey-Helm selbst im Bett nicht absetzen wollten?
Kahun: (lacht) Ich habe in der Tat einen Helm zum Geburtstag bekommen, den wollte ich gar nicht mehr absetzen. Also bin ich damit sogar ins Bett gegangen und habe so geschlafen.
SPOX: Ihr Weg führte Sie dann als 17-Jähriger aus Mannheim nach Kanada in die OHL zu den Sudbury Wolves. Eine großer Schritt und eine mutige Entscheidung in diesem Alter. Gab es keine Zweifel?
Kahun: Das war natürlich schon ein gewaltiger Schritt. Ich war zwar auch schon von meiner Familie entfernt, als ich für die Jungadler gespielt habe. Allerdings ist Kanada eine ganz andere Entfernung. Nach Mannheim konnten meine Eltern schnell fahren, das war dann nicht mehr möglich.
SPOX: Gab es deshalb Momente, an denen Sie am liebsten alles hingeworfen hätten?
Kahun: Ich hatte gerade am Anfang viel Heimweh, vor allem wenn es nicht optimal lief. Da fehlte dann jemand, mit dem man in aller Ruhe vielleicht mal das eine oder andere besprechen hätte können. Mit der Zeit wurde es allerdings immer besser und besser. Im Endeffekt habe ich mich daran gewöhnt und die Erfahrungen in Kanada waren sehr wertvoll.
SPOX: Sie sind zweifelsohne mit einem großen Talent gesegnet. Es gibt allerdings viele junge Spieler, auf die diese Beschreibung passt. Was macht den Unterschied aus?
Kahun: Das stimmt. Es gibt wirklich sehr viele Spieler, die Talent haben. Teilweise sogar sehr großes. Im Endeffekt gilt jedoch, dass harte Arbeit immer das Talent schlägt. Deshalb muss man jeden Tag aufs Neue hart an sich arbeiten, sonst ist irgendwann Endstation.
SPOX: Ehrgeiz ist also sehr wichtiger Faktor. In München wäre deshalb aber fast vorzeitig Schluss gewesen. Coach Jackson wollte Sie offenbar langsam an die Liga heranführen, Sie wollten mehr. Sogar ein Wechsel stand im Raum. War es rückblickend nicht viel wert, dass Sie sich trotz der Probleme durchsetzen konnten?
Kahun: Auf jeden Fall. Ich habe nach der schwierigen Phase vor allem im letzten Jahr mit sehr viel Eiszeit ein sehr großes Vertrauen entgegengebracht bekommen und denke, dass ich dieses mit Leistungen zurückzahlen konnte. An diesem Punkt will ich unbedingt anknüpfen.
SPOX: Wie sieht es mit Ihrem Standing innerhalb der Truppe aus?
Kahun: Natürlich hat sich in dieser Beziehung etwas verändert. Durch meine Eiszeit und allem, was damit einhergeht. Meine Rolle ist größer als noch vor einem Jahr. Entscheidend ist aber, dass ich es einfach genieße, hier zu sein und in diesem Team spielen zu können.
SPOX: Es läuft allerdings nicht nur im Verein sehr gut, sondern auch in der deutschen Nationalmannschaft. Zuletzt gelang die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2018.
Kahun: Wir sind sehr froh, dass wir die Qualifikation geschafft haben. Und für mich ist es natürlich toll, ein Teil davon zu sein. Außerdem ist es doch der Traum eines jeden Kindes, das mit dem Sport anfängt, eines Tages bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Aber auch für das gesamte deutsche Eishockey war es ein sehr wichtiger Schritt. Im Fokus steht für mich aktuell aber ganz klar München.
SPOX: Und dort sammeln Sie nach dem Training noch immer fleißig Pucks ein.
Kahun: Das wird wohl noch eine Zeit lang so bleiben. (lacht) Schließlich bin ich noch immer einer der ganz jungen Spieler. Und es ist, wie es ist: Die Jüngsten müssen die Scheiben einsammeln.
Dominik Kahun im Steckbrief