Zuletzt ist die Kritik an der mangelnden Förderung der jungen Spieler in den DEL-Klubs wieder neu entflammt. Stimmen Sie zu, dass die jungen deutschen Spieler sich gerade offensiv nicht genügend entwickeln können?
Söderholm: Ja, aber ein Spieler muss sich seine Eiszeit auch verdienen, egal ob jung oder alt. Es ist ein sehr komplexes Thema, das sich nicht in ein paar Sätzen beantworten lässt. Es geht schon damit los, dass wir uns nicht mit den 19- oder 20-Jährigen beschäftigen müssen, wir müssen viel früher anfangen und uns mit den Jungs beschäftigen, wenn sie 15, 16, 17 sind. Wir müssen sie in dieser Zeit so gut ausbilden, dass sie dann mit 19 oder 20 wirklich in der DEL soweit sind, dass die Trainer ihnen Eiszeit geben müssen.
Top-Talente gibt es immer wieder, das beste Beispiel ist aktuell der 17-jährige Mannheimer Moritz Seider, der im Draft wohl in der ersten Runde gezogen werden wird.
Söderholm: Wir müssen nicht darüber sprechen, dass Moritz Seider ein ganz großes Talent ist. Das Problem ist nicht Moritz Seider. Das Problem ist, was danach kommt. Oder nicht kommt. Das ist die größte Frage, die wir beantworten müssen. Die meisten Nationen bringen immer wieder Jungs raus, die richtig gut sind. Aber was ist mit der Masse an Talenten? Das ist der springende Punkt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Mikko Rantanen, der in Colorado jetzt ein absoluter Superstar ist und in der NHL-Scorerliste in den Top-10 liegt, hat mit 15, 16 Jahren in seiner Jugend-Mannschaft keine Rolle gespielt. Er war nicht gut genug. Zwei Jahre später hat er in Finnland in der ersten Liga gespielt. Wie viele solche Jungs können wir finden? Das ist eine entscheidende Frage.
Toni Söderholm über Leon Draisaitls WM-Teilnahme
Wenn Sie Ihre Philosophie beschreiben müssen, die Sie bei allen DEB-Teams installieren wollen: Was ist Ihnen wichtig?
Söderholm: An erster Stelle mal Geschwindigkeit, das ist wichtig. Ich glaube generell, dass deutsche Spieler sich in ihrer Mentalität sehr ähneln zu den finnischen. Sie arbeiten immer für die Mannschaft und setzen ihre ganze Stärke fürs Team ein. Es gibt nicht so viele egoistische Spieler, die nur ihr eigenes Ding machen, wie es vielleicht bei einigen Individualisten bei den Tschechen oder Russen der Fall ist. Für mich wäre es auch ein Anliegen, nicht nur Spieler zu entwickeln, sondern auch den Menschen in den Vordergrund zu stellen.
Sie sind auch für Ihren ausgeprägten Sinn für Humor bekannt. Wie wichtig ist es Ihnen, dass der Spaß nicht zu kurz kommt?
Söderholm: Ich bin jemand, der nicht 16 Stunden am Tag auf 180 sein kann, das geht nicht. Auch als Trainer solltest du zeigen, dass du Spaß daran hast, was du gerade machst. Und manchmal kannst du am besten über die Dinge lachen, die nicht so gut gelaufen sind.
Alles konzentriert sich in diesem Jahr natürlich auf die WM in der Slowakei. Wie groß ist die Hoffnung, dass Leon Draisaitl dabei sein wird?
Söderholm: Es ist ja völlig klar: Wenn Leon mir sagt, dass er die WM spielen will, sage ich: Wann kommst du? Leon wird von Edmonton bezahlt und soll sich im Moment ganz auf seinen Job dort konzentrieren, dann werden wir zu gegebener Zeit Gespräche führen und weiter sehen. Er muss fit und gesund sein. Er muss den Kopf frei haben, um uns helfen zu können. Wenn am Ende alle Details passen und er die WM spielt, wäre es top.
Was sagen Sie zu seiner nahezu außerirdischen Saison mit jetzt schon 42 Saisontoren?
Söderholm: Leon besitzt ein unglaubliches Talent. Er ist der Prototyp für einen modernen großen und athletischen Eishockeyspieler. Leon kann in jedem einzelnen Wechsel gefährlich sein und spielt in dieser Saison mit einem brutalen Selbstvertrauen. Er hat einen wahnsinnigen Lauf.
Toni Söderholm über Lieblingsspieler und finnischen Rock
Nikita Kucherov führt die NHL-Scorerliste an, Sidney Crosby spielt wie gewohnt eine atemberaubende Saison und wäre sowohl für die Hart- als auch für die Selke Trophy ein Kandidat. Wer ist Ihr Lieblingsspieler?
Söderholm: Mit Lieblingsspielern tue ich mich etwas schwer. Mir hat immer der Biss imponiert, mit dem Peter Forsberg gespielt hat. Oder auch Jungs wie Joe Sakic, Mark Messier und Steve Yzerman, die so großartige Leader waren und in allen Situationen auf dem Eis standen. Aber aktuell tue ich mich da schwer, einen zu nennen, ich schaue jetzt vor allem auf die deutschen Spieler. (lacht)
Was machen Sie denn, wenn Sie nicht Eishockey schauen?
Söderholm: Ich verbringe so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie. Wenn ich es schaffe, mache ich selbst noch so viel Sport wie möglich.
Sie sind mit Samu Haber, dem Frontmann der finnischen Rockband Sunrise Avenue befreundet. Wie wichtig ist Musik für Sie?
Söderholm: Seit 2002 war bei 99,5 Prozent aller meiner Spiele und Trainingseinheiten Musik dabei. Ich brauche die Musik. Samu kenne ich seit etwa zehn Jahren, er ist ein großer IFK-Fan, so haben wir uns kennengelernt. Er ist ein richtig bodenständiger und netter Typ.
Bevor die WM ansteht, werden Sie jetzt die DEL-Playoffs verfolgen.
Söderholm: Fragen Sie mich bitte bloß nicht nach meiner Prognose. (lacht)
Nein, München wird denke ich wie immer Meister, mich interessiert mehr, wie Sie generell die DEL-Saison einschätzen.
Söderholm: Ich würde sagen, dass das spielerische Niveau etwas besser geworden ist. Das Spiel ist auch ein Stück schneller geworden. Ich bin ein großer Fan der Champions Hockey League und bin davon überzeugt, dass die Spieler dort unglaublich viel lernen können. Wenn du auf starke Teams triffst, die du nicht kennst und die ein anderes Eishockey spielen, und aus deiner Komfortzone gezwungen wirst, macht dich das als Spieler einfach besser. Davon profitiert dann auch wieder die DEL.