15 Punkte. So groß ist der Rückstand, den Sebastian Vettel vor dem alles entscheidenden letzten Saisonrennen in Abu Dhabi am kommenden Wochenende hat. Das ist die beste Nachricht aus deutscher Sicht nach Vettels souveränem Sieg in Sao Paulo.
Red Bull jubelt dank des zweiten Platzes von Mark Webber nicht nur über den Doppelsieg, sondern auch über den vorzeitigen Gewinn der Konstrukteurs-WM. Nur Webber wird nicht ganz glücklich sein, denn sein Team hat wie versprochen auf Teamtaktik verzichtet. Damit liegt Webber vor dem Finale acht Punkte hinter WM-Leader Fernando Alonso.
Vettel eröffnet Jagd auf Alonso
"Heute Abend wird die ein oder andere Flasche geköpft. Richtig so", sagte Vettel und strahlte über das ganze Gesicht: "Ich bin sehr stolz auf mein Team und auf mich selbst. Das war ein fantastischer Tag und die richtige Antwort auf den Motorplatzer in Korea." In Abu Dhabi will er nun den großen Angriff auf den Titel starten und doch noch jüngster Weltmeister aller Zeiten werden: "Den Konstrukteurs-Titel ein Rennen vor dem Ende sicher zu haben, ist fantastisch. Jetzt kämpfen wir um den Fahrertitel. Wir müssen die Leistung wiederholen und gewinnen. Dann schauen wir, was Fernando macht."
Der Spanier fuhr mit Platz drei das optimale Ergebnis nach Hause. Red Bull war für ihn außer Reichweite. Lewis Hamilton hat sich als Vierter praktisch aus dem Titelrennen verabschiedet, aber mit 24 Zählern Rückstand noch eine rechnerische Chance. Jenson Button wurde nach starker Aufholjagd Fünfter, ist seinen Titel aber definitiv los.
"Heute war Red Bull nicht zu schlagen, aber ich bin sehr zufrieden", sagte Alonso. "Die WM ist wieder völlig offen, in der Formel 1 kann immer alles passieren. Aber Platz zwei würde reichen, das ist eine gute Situation."
Hülkenberg auf Platz acht durchgereicht
Die Plätze sechs und sieben in einem actionreichen Rennen gingen an das Mercedes-Duo Nico Rosberg und Michael Schumacher.
Für Polesetter Nico Hülkenberg reichte es nach der Sensation vom Samstag letztlich zu Rang acht. In den ersten Runden wehrte er sich tapfer gegen die überlegenen WM-Kandidaten. Er wurde aber sukzessive durchgereicht. "Es waren wichtige Punkte für das Team", resümierte Hülkenberg.
Die übrigen Deutschen landeten auf den Plätzen zwölf (Sutil), 17 (Heidfeld) und 20 (Glock).
Schlüsselszenen des Rennens:
Start: Sehr guter Start von Vettel! Er kommt neben Hülkenberg und geht in Führung. In Kurve drei kommt Hülkenberg zu weit raus und muss auch Webber passieren lassen. Doppelführung Red Bull.
Runde 3: Alonso hängt im Heck von Hamilton und bremst sich vorbei. Damit der WM-Leader auf Platz vier.
Runde 7: Rundenlang hängt Alonso hinter Hülkenberg fest und verliert eine Menge Zeit auf beide Red Bull. Doch in Runde sieben kommt er besser aus dem Senna-S heraus und quetscht sich mutig vorbei. Jetzt kann er frei fahren. Hülkenberg ist gegen die WM-Kandidaten chancenlos. Hinter ihm bildet sich ein Stau.
Runde 25: Vettel kommt eine Runde vor Webber zum Boxenstopp. Alles geht glatt, keine Teamorder von Red Bull - wie versprochen. Vettel führt weiterhin. Alonso dahinter nach seinem Stopp komfortabel auf drei vor beiden McLaren. Button ist durch seinen frühen Reifenwechsel weit nach vorne gekommen.
Runde 52: Heftiger Unfall von Liuzzi im Senna-S! Er knallt in die Reifenstapel und steht ganz blöd auf der Piste. Das Safety-Car kommt raus, damit sind alle Abstände dahin.
Runde 56: Restart: Vettel nutzt aus, dass hinter ihm zwei Überrundete sind, und setzt sich locker ab. Alonso hat Probleme, denn Hamilton und Button hinter ihm haben sich neue Reifen geholt und können jetzt Druck machen.
Ziel: Es tut sich nichts mehr. Vettel gewinnt das Rennen souverän vor Webber. Damit ist Red Bull Konstrukteurs-Weltmeister. Alonso betreibt als Dritter perfekte Schadensbegrenzung und führt die WM weiter an.
Mann des Rennens:
Jenson Button: Seit diesem Rennen ist Button offiziell Ex-Weltmeister, aber er hat sich mit wehenden Fahnen aus dem Rennen verabschiedet. Seine Entscheidung, früh die Reifen zu wechseln, war goldrichtig. Danach war er wie im Vorjahr, als er an selber Stelle den Titel holte, sehr angriffslustig unterwegs. Erst war er gegen Massa bei der Boxenausfahrt sehr konsequent, dann ist er kompromisslos an Sutil und Kobayashi vorbeigegangen. Zusammen mit dem ebenfalls starken Rosberg ist er am weitesten nach vorne gekommen.
Flop des Rennens:
Felipe Massa: Der Brasilianer war bei seinem Heimspiel vom Pech verfolgt. Erst der Fehler von Ferrari beim Boxenstopp mit dem losen Reifen, dann noch die Scharmützel mit Buemi. So erfolgreich er in den vergangenen Jahren mit drei Poles und zwei Siegen in Sao Paulo war, so schlecht lief es diesmal. Alonso helfen konnte er sowieso nicht - musste er aber auch gar nicht.
Szene des Rennens:
Runde 52, Unfall von Liuzzi: Der Unfall an sich war nicht das Spannende, aber die Konstellation, die sich daraus ergeben hat. Nach der Safety-Car-Phase ging es im engen Feld auf der engen Strecke turbulent zu. Toll, so viele Zweikämpfe auf so engem Raum zu sehen. Ein Sinnbild für ein Rennen mit viel Action.
Lehren des Rennens:
Der Weltmeister wird erst in Abu Dhabi gekürt und er kann auch noch Sebastian Vettel heißen. Red Bull hat sein Versprechen wahr gemacht und auf Teamtaktik verzichtet. Schlecht für Webber natürlich, aber gut für die Spannung.
Alonso hat nach wie vor die besten Karten im Titelrennen, nachdem er eine extrem besonnene Vorstellung abgeliefert hat. Ganz cool hat er das Maximum herausgeholt.
Aber: Red Bull war in Brasilien überlegen und sollte somit auch in einer Woche das schnellste Auto haben - Doppelsieg nicht unwahrscheinlich. Der würde Webber zum Titel reichen, Vettel nicht. Alonso ist sicher durch, wenn er mindestens Zweiter wird.
McLaren ist raus aus dem Titelrennen. Theoretische Chancen hat Hamilton zwar noch, aber praktisch ist da nichts mehr zu machen. Button hat sich auch rechnerisch von der Titelverteidigung verabschiedet.
Hülkenberg hatte nach der Pole-Position sein Pulver verschossen. Er war im Rennen mit seinem Auto vor allem auf den weichen Reifen wehrlos. Platz acht am Ende ist okay, aber er hatte sicher auf mehr gehofft.