Dieser Freitag sollte der Tag sein, an dem der Silberpfeil aus dem Schatten tritt und in Richtung Spitze der Formel-1-Hackordnung schnellt. Und er hat es getan. Allen Unkenrufen zum Trotz.
Erst am Donnerstag hatte Michael Schumacher noch vorsichtig gesagt: "Uns ist klar, dass Red Bull sehr stark und das Team ist, das es zu schlagen gilt. In dieser Position sind wir im Moment noch nicht."
Neuer Mercedes mit klarer Wochenbestzeit
24 Stunden später ist die Skepsis der Zuversicht gewichen, denn Mercedes hat zum ersten Mal seine Karten auf den Tisch gelegt. Über Nacht kamen die letzten neuen Teile des großen Updates ans Auto. In erster Linie ein neuer Heckflügel und einige Leitbleche. Der neue Auspuff und der Unterboden waren schon am Vortag eingebaut.
Die Folge: Eine überragende Wochenbestzeit von 1:21,268 Minuten. Sechs Zehntel schneller als die Bestzeit von Favorit Red Bull und immerhin 3,5 Zehntel schneller als Fernando Alonso im Ferrari. "Diese Zeit von Michael muss man erstmal fahren", zeigte sich Sebastian Vettel - diesmal nur Achter - beeindruckt. "Alle waren überrascht. Die haben einen echten Zahn zugelegt, klettern in der Favoritenliste."
Rosberg untermauert Bestzeit mit Rang drei
Schumachers Zeit scheint, anders als die Bestzeiten in Jerez und beim ersten Barcelona-Test, einem echten Vergleich mit den Besten standzuhalten. Zwar war das Auto sicher ziemlich leicht, denn Schumacher kam nach nur einer schnellen Runde wieder an die Box.
Aber Schumacher fuhr seine Zeit mit der Reifenmischung "soft", während Alonso auf der schnelleren Mischung "supersoft" besagte 3,5 Zehntel langsamer war. Es wäre also noch ein wenig mehr gegangen, zumal der Mercedes auch noch ohne den neuen Frontflügel unterwegs war. Bei dem haperte es an der Feinabstimmung.
Gute Nachrichten für Mercedes, die sich auch noch über die drittbeste Rundenzeit von Nico Rosberg freuen konnten. Schumachers Teamkollege durfte die letzte Teststunde des Tages absolvieren, da für seinen letzten Einsatz am Samstag Dauerregen vorhergesagt ist.
Brawn und Haug sprühen vor Optimismus
Die Tatsache, dass er ohne große Eingewöhnungszeit nur eine halbe Sekunde langsamer war als Schumacher, und die Konstanz in den Rundenzeiten - die Bestzeit war kein "One-Hit-Wonder" - machten den sonst so vorsichtigen Verantwortlichen Mut.
Angesprochen auf Schumachers Aussage, in Melbourne noch nicht auf Augenhöhe mit Red Bull zu sein, sagte Teamchef Ross Brawn dem Fachmagazin "auto, motor und sport": "Ich hoffe, wir können Michaels Einschätzung widerlegen." "Bild" zitiert ihn mit den Worten: "Es ist nicht unmöglich, Red Bull zu schlagen. Die Lage wird sich umkehren. Red Bull wird stolpern."
Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug ergänzte: "Wir wollen jetzt nicht übermütig werden, denn Michaels Zeiten müssen erst einmal in Dauerläufen bestätigt werden. Aber vielleicht muss man den Favoritenkreis erweitern. Alles, was die Simulationen versprochen haben, ist auf der Rennstrecke angekommen. Unsere Strategie, die Testphase mit einem Basisträger zu beginnen, war richtig."
Red Bull und Ferrari bleiben favorisiert
Bei allem Optimismus bleiben Testfahrten natürlich Testfahrten und sind entsprechend schwer zu bewerten. Dass Mercedes einen riesigen Schritt nach vorne gemacht hat, ist unstrittig, aber die Frage bleibt, wie viel Red Bull und Ferrari noch in der Hinterhand haben.
Ist Mercedes wirklich schon auf Augenhöhe mit den beiden Top-Favoriten für den Saisonstart? So weit wird sich sicher niemand aus dem Fenster lehnen, aber Platz drei könnte fürs Erste in silberner Hand sein.
Denn bei Red Bull ist auf jeden Fall noch einiges an Potenzial vorhanden. Vettel fuhr seine Wochenbestzeit am Mittwoch wie Schumacher mit der Reifenmischung "soft", war aber auf Long-Runs deutlich konstanter. Schumachers Zeit konnte er nicht mehr kontern, weil Red Bull keine frischen weichen Reifen mehr hatte.
Alonso unterstrich am Freitag mit der zweitbesten Zeit nicht nur den Speed des ebenfalls runderneuerten Ferrari, er bestach mit 141 Runden auch durch Zuverlässigkeit und Konstanz. Seine Rennsimulation war beeindruckend.
Größtes Sorgenkind: McLaren
Hinter den drei Teams, die in Barcelona den stärksten Eindruck hinterließen, zeichnet sich ein unglaublich enges Mittelfeld ab. Lotus-Renault, Williams, Sauber und Toro Rosso glänzten immer mal wieder mit starken Auftritten.
Größtes Sorgenkind ist McLaren. Jenson Button hat ebenso wie Lewis Hamilton den Kampf um Siege bei den ersten Rennen schon mehr oder weniger abgeschrieben. Am Freitag wurde er nach mäßigen 57 Runden lediglich Vorletzter. Wenn es ganz dumm läuft, schafft McLaren in Melbourne nicht einmal die Top Ten.
Auch bei Force India läuft es nicht. Die Rundenzeiten, die Adrian Sutil und Paul di Resta fahren, reichen nicht gegen die starke Konkurrenz.
HRT ohne jede Testerfahrung nach Melbourne
Von den Hinterbänklern des vergangenen Jahres machte Lotus einen sehr guten Eindruck. Heikki Kovalainen offenbarte mit 138 absolvierten Runden eine beeindruckende Zuverlässigkeit.
HRT präsentierte am Freitag zwar endlich das neue Auto, brachte es aber nicht auf die Strecke. Damit ist der Stand der Testkilometer wie im vergangenen Jahr bei null. Da Lotus und Virgin gute Tests hatten, sind die Vorzeichen für die Spanier verheerend.
Die Testzeiten von Tag 4 im Überblick:
Platz | Fahrer | Team | Zeit | Runden |
1. | Michael Schumacher | Mercedes | 1:21,268 | 67 |
2. | Fernando Alonso | Ferrari | + 0,346 | 141 |
3. | Nico Rosberg | Mercedes | + 0,520 | 22 |
4. | Nick Heidfeld | Lotus-Renault | + 0,805 | 67 |
5. | Rubens Barrichello | Williams | + 0,965 | 89 |
6. | Kamui Kobayashi | Sauber | + 1,047 | 98 |
7. | Jaime Alguersuari | Toro Rosso | + 1,407 | 72 |
8. | Sebastian Vettel | Red Bull | + 1,665 | 64 |
9. | Heikki Kovalainen | Lotus | + 2,169 | 138 |
10. | Paul di Resta | Force India | + 2,385 | 42 |
11. | Adrian Sutil | Force India | + 2,653 | 26 |
12. | Pastor Maldonado | Williams | + 2,840 | 11 |
13. | Jenson Button | McLaren | + 4,569 | 57 |
14. | Jerome d'Ambrosio | Virgin | + 6,107 | 46 |