Am Wochenende beginnt mit dem Großen Preis von Australien in Melbourne die neue Formel-1-Saison. Aufgrund von diversen Regeländerungen haben die Teams ihre Autos teils stark verändert. Ein Vergleich der neuen Boliden mit denen der Vorsaison.
Deutschland gegen Webber und Ferrari: Die Bilanz der Testfahrten
Red Bull
Der RB6 aus dem vergangenen Jahr war technisch so gut, dass auf den ersten Blick nicht allzu viel verändert werden musste, um nach den Testeindrücken wieder der Top-Favorit zu sein. Dabei hat Technikchef Adrian Newey durchaus kreativ auf die neuen Regeln - Verbot des F-Schachts und Doppel-Diffusors, verstellbarer Heckflügel und KERS - reagiert.
Am interessantesten ist das Heck. Newey hat es geschafft, die Seitenkästen in Richtung Heck so stark einzuziehen, dass sie noch vor der Hinterradaufhängung enden. Das hat zur Folge, dass Unterboden und Diffusor quasi völlig frei liegen und eine optimale Luftströmung gewährleisten. Zusätzlicher Kniff ist der Auspuff, der durch einen schmalen Schacht so nach hinten geführt wird, dass die Abgase seitlich in den Diffusor geblasen werden. Eine legale Variante des eigentlich 2011 verbotenen angeblasenen Diffusors.
Bei der Präsentation des Autos hatte die Motorabdeckung noch einen kleinen Ableger der 2010 üblichen Heckfinne. Der war bei den Tests verschwunden. Dafür experimentierte das Team mit zwei unterschiedlich großen Luftauslässen am hinteren Ende der Motorabdeckung. Die dort austretende Kühlluft soll möglichst viel Anpressdruck auf dem unteren Heckflügel-Element schaffen.
An der Front hat sich der Red Bull kaum verändert. Die 2010 noch markanten Höcker auf der Nase sind dezenter geworden. Dafür stehen die Streben, die den Frontflügel halten, etwas weiter auseinander, damit mehr Luft unter das Auto gelangen kann.
Fazit: Der RB7 ist gegenüber dem RB6 eine Evolution mit sehr effizienten neuen Ideen am Heck.
McLaren
Bei der Präsentation das spektakulärste Auto mit den deutlichsten Veränderungen zum Vorgänger. McLaren änderte das Konzept der Seitenkästen völlig. Die Kühleinlässe sind nach außen versetzt worden, um den Seitenkästen eine L-Form zu geben und so die Luft nah am Auto nach hinten zum Heckflügel führen zu können.
Ebenfalls im Vergleich zum Vorgänger völlig neu ist der zweite Lufteinlass hinter der normalen Airbox. Dort soll die Kühlluft für das Getriebe angesaugt werden, während durch die vordere Öffnung der Motor gekühlt wird. Es fehlt die Heckfinne, das Symbol des im Vorjahr effizientesten F-Schachts. Dessen Verbot trifft McLaren am härtesten.
Während die Front wenige Unterscheide zum Vorgänger aufweist - McLaren hat wie Red Bull die Nase nicht signifikant höher gezogen - gibt der Auspuff den Experten und offenbar auch dem Team Rätsel auf. McLaren hat zwei Varianten getestet. Bei beiden ist keine Austrittsöffnung in der Karosserie zu sehen. Bei der konventionellen blasen die Abgase nach hinten auf den Diffusor. Die andere scheint sehr viel weiter vorne auszutreten und die Luft unter das Auto zu blasen. Dadurch generiert der Diffusor mehr Anpressdruck. Aber wo genau der Auspuff austritt, konnte das Team bis zum Ende der Tests geheim halten.
Fazit: Das Auto ist spektakulär und hat den deutlich längsten Radstand im Feld. Es setzt zwar auf andere Tricks als der Vorgänger, aber McLaren bleibt seiner Experimentierfreude treu. Probleme bei den Tests waren die Zuverlässigkeit und die aufwändigen Umbauten am Auspuff. Es fehlen viele Testkilometer zur direkten Konkurrenz.
Ferrari
Dank F-Schacht-Verbot hat auch der neue Ferrari keine bis zum Heckflügel reichende Finne mehr auf der Motorabdeckung. Stattdessen prangt eine markante Abschlusskante hinter der Airbox.
Die größte Neuerung kam erst beim letzten Test in Barcelona, als Ferrari ein ähnlich schlankes Heck und eine ähnliche Auspuff-Lösung vorgestellt hat wie Red Bull. Das Prinzip des angeblasenen Diffusors ist das gleiche. Bei der Befestigung des Heckflügels setzt Ferrari im Gegensatz zu Red Bull auf eine senkrechte Mittelstrebe. Der Red-Bull-Flügel hängt an zwei Außenstreben.
Eine markante Veränderung am Ferrari ist noch die sehr hohe Nase - ein Trend in diesem Winter. Dazu sind die Streben, die den Frontflügel mit der Nase verbinden, so breit, dass sie fast einen Kanal für die Luft bilden.
Fazit: Der Ferrari hat sich nicht spektakulär verändert und kommt äußerlich konservativ daher. Aber die Zuverlässigkeit und zuletzt auch der Speed haben gepasst. Ein Auto, bei dem man nicht mit Ausfällen rechnen sollte.
Mercedes
Beginnen wir mit der ersten Version des Autos, die zu Testbeginn vorgestellt wurde. Ihre offensichtlichste Neuerung war neben der Lackierung eine extrem hohe und eigentümlich geschwungene Nase. Sie hat den einzigen Zweck, so viel Luft wie möglich unter das Auto zu bringen. Zweite Auffälligkeit: Mercedes hat sich von der zweigeteilten Airbox, die 2010 noch ein Markenzeichen der letzten Ausbaustufe des Autos war, verabschiedet.
Die auffälligen Neuerungen am Heck, die letztlich das Auto schnell gemacht haben, kamen wie bei Ferrari erst in der letzten Testwoche. Mercedes lässt den Auspuff als einziges Team auf halber Höhe der Seitenkästen austreten. Über ein Leitblech auf dem frei liegenden Unterboden werden die Abgase dann in den Diffusor geleitet. Vielleicht um einem Kühlungsproblem zu entgehen, setzt Mercedes auf zahlreiche Kiemen in der Motorabdeckung, aus denen die Hitze austreten kann.
Zu guter Letzt fällt auf, dass der Mercedes den kürzesten Radstand aller Autos hat. Teamchef Ross Brawn ist der Meinung, dadurch den im Vergleich zu 2010 gekappten Diffusor am effizientesten nutzen zu können. Die Zahlen sind aber schon frappierend: Der Mercedes ist fünf Zentimeter kürzer als der Ferrari, neun als der Red Bull und sage und schreibe 27 als der McLaren.
Fazit: Klein, aber oho. Der Silberpfeil hat sein Erscheinungsbild deutlich verändert und wirkt durchdachter und mutiger als der Vorgänger. Das liegt sicher vor allem an der deutlich längeren Entwicklungszeit.