Lewis Hamiltons Arbeitstag in Montreal hatte mit Siegchancen begonnen und endete als Fremdenführer für Pop-Sternchen Rihanna durch die McLaren-Box. Egal, ob der Freund von Nicole Scherzinger deren Kollegin mag oder nicht: Er hatte sich das Ende dieses Tages sicher ganz anders vorgestellt.
Schon in der ersten Kurve des Rennens ging sein erstes Manöver in die Hose, als er beim Angriff auf Mark Webber in den Red Bull hineinrutschte und ihn umdrehte. Das kostete beide Piloten einige Plätze.
"Ich hatte ein bisschen Untersteuern, dann hat es gekracht", lautete der lapidare Kommentar von Hamilton. Webber bezeichnete dessen Aktion als "tollpatschig" und fügte hinzu: "Er hätte doch noch so viel Zeit gehabt. Aber er dachte wohl, die Zielflagge würde schon nach der dritten Kurve geschwenkt."
Button: "Was macht der denn da?"
Einige Runden später war Hamilton im bärenstarken McLaren schon wieder auf dem Vormarsch und griff seinen Teamkollegen Jenson Button auf der Zielgeraden innen an. Button fuhr schon relativ dicht an der Mauer entlang, Hamilton quetschte sich aber trotzdem noch links neben ihn. Button hatte Hamilton im toten Winkel und zog noch weiter nach links in Richtung Mauer. Zwangsläufig krachte es.
"Jenson kam schlechter aus der letzten Schikane als ich und ich setzte mich daneben. Danach konnte ich nichts mehr machen", rechtfertigte sich Hamilton. Button sagte in einer ersten Reaktion über Funk: "Was macht der denn da?" Er behauptete, Hamilton in der Gischt nicht gesehen zu haben.
Button und Hamilton einigen sich auf Rennunfall
Während Button sich nach dem Zwischenfall nur neue Reifen holte, war das Rennen für Hamilton beendet. Beim Anprall an die Boxenmauer ging eine Felge zu Bruch. Beide Fahrer sprachen sich nach dem Rennen aus und einigten sich, dass ihre Kollision ein unglücklicher Rennunfall war.
"Jenson hat das sicher nicht absichtlich verursacht. Er hat Lewis einfach nicht gesehen", sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. "Da kann es schnell passieren, dass die Fahrer irrational reagieren und ihren Teamkollegen beschimpfen. Aber bei uns ist der Teamgeist stark und die beiden Fahrer verstehen sich gut, um auch das überstehen zu können."
Lauda: "Hamilton hat das Beckham-Syndrom"
Ein Mann sah die Situation ganz anders. Niki Lauda ging nach dem Unfall verbal auf Hamilton los: "Das, was der in Monaco und hier gemacht hat, geht über alle Grenzen hinaus. Der ist komplett wahnsinnig. Wenn die Sportkommissare den jetzt nicht bestrafen, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. So kann man einfach nicht fahren."
Harter Tobak von Lauda, der schon immer einer der härtesten Hamilton-Kritiker war. Er mag das Auftreten des Engländers auf und neben der Strecke offensichtlich überhaupt nicht. Sätze wie "Er hat das Beckham-Syndrom. Er lässt sich jeden Tag einen anderen Bart wachsen" zeigen das überdeutlich.
Haug kritisiert Hetzjagd auf Hamilton
Objektiv betrachtet muss man bei den beiden Kollisionen in Montreal die Kirche im Dorf lassen. Das taten die Rennkommissare und verzichteten auf Sanktionen gegen den mit dem Ausfall ohnehin schon genug Gestraften. Höchstens für den Webber-Unfall hätte er womöglich eine Durchfahrtsstrafe bekommen, wenn er das Rennen fortgesetzt hätte.
Einer dieser Rennkommissare war Ex-Weltmeister Emerson Fittipaldi. Er kritisierte Hamilton bereits vor dem Rennen und sagte: "Er ist ein außerordentliches Talent, aber beim Überholen manchmal zu aggressiv."
Dass er ihn trotzdem nicht bestraft hat, fand die uneingeschränkte Zustimmung von Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. Er brach eine Lanze für seinen ehemaligen Schützling: "Er wird hier als Rowdy hingestellt, aber das ist er gar nicht. Er wird meiner Meinung nach im Moment etwas zu hart kritisiert. Zu so einem Unfall wie dem mit Button gehören immer zwei."
Auch Coulthard nimmt Hamilton in Schutz
In eine ähnliche Richtung ging die Bewertung von Ex-Pilot David Coulthard. "Es ist einfach, über jemanden herzuziehen, der gerade in eine Serie solcher Zwischenfälle verwickelt ist", sagte er. "Lewis' aggressiver Stil bringt ihn eben oft in den Infight mit anderen Autos. Dafür lieben ihn seine Fans."
Coulthard meint, eine Erklärung dafür zu haben, warum es Hamilton gerade jetzt häufig übertreibt: "Er denkt, dass er der beste Fahrer der Welt ist, und McLaren gibt ihm im Moment kein konstant siegfähiges Auto. Das frustriert ihn."
Frust ist kein guter Ratgeber
Frust ist im Kreis der besten Rennfahrer der Welt sicher kein guter Ratgeber. Damit wirft er wichtige WM-Punkte weg und bringt seine Kollegen gegen sich auf.
Es ist nicht das erste Mal, dass Hamilton einen so schlechten Lauf in seiner Karriere hat. Deshalb ist er sicher nicht "komplett wahnsinnig", aber er ist offensichtlich in seiner Entwicklung noch nicht so weit wie ein Fernando Alonso oder ein Jenson Button.
Er macht zu viele Fehler, doch man darf nicht vergessen, dass er erst 26 Jahre alt ist. Er hat noch viel Zeit zu lernen.
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