Button gewinnt irres Rennen gegen Vettel

Von Alexander Mey
Jenson Button gewann den Kanada-GP im Endspurt gegen Sebastian Vettel
© Getty

Jenson Button hat einen der unglaublichsten Siege der letzten Jahre gefeiert. Nach einem unfassbar chaotischen Rennen fing er Sebastian Vettel in der allerletzten Runde ab. Michael Schumacher verpasste knapp das Podium.

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Der Kanada-GP 2011 hat vier Stunden gedauert, aber jede Minute Wartezeit hat sich gelohnt. Denn Jenson Button hat im mit Sicherheit besten Rennen seiner Karriere ein Wechselbad der Gefühle erlebt und einen Husarenritt mit dem Sieg abgeschlossen.

Button fing Sebastian Vettel in der allerletzten Runde noch ab, als der Deutsche, der schon wie der sichere Sieger aussah, einen kleinen Fahrfehler machte und den furios heranstürmenden Button ziehen lassen musste.

Button von 21 auf 1!

Button gewann, nachdem er zuvor in zwei Kollision erst Lewis Hamilton und dann Fernando Alonso aus dem Rennen befördert hatte. Dazu kamen ein Reifenschaden und eine Durchfahrtsstrafe sowie insgesamt sechs Boxenstopps. Er lag zwischenzeitlich auf Position 21! Er wartete noch auf eine Untersuchung seines Unfalls mit Alonso, die wurde aber als normaler Rennunfall gewertet.

Zum vorangegangenen teaminternen Unfall mit Hamilton sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh: "Jenson hat das sicher nicht absichtlich verursacht. Er hat Lewis einfach nicht gesehen. Da kann es schnell passieren, dass die Fahrer irrational reagieren und ihren Teamkollegen beschimpfen. Aber bei uns ist der Teamgeist stark und die beiden Fahrer verstehen sich gut, um auch das überstehen zu können. Sie sind sich einig, dass es sich um einen Renn-Zwischenfall handelte."

Button: "A Hell of a Race!"

"Das war definitiv mein bestes Rennen", sagte Button: "Daran werde ich sicher noch lange denken." Direkt nach der Zieldurchfahrt schrie er in den Boxenfunk: "That was a Hell of a Race!"

Vettel resümierte: "Ich habe von der ersten bis zur letzten Runde geführt. Wenn man den Sieg in der Hand hat und ihn dann weggibt, ist das nicht das schönste Gefühl", sagte Vettel: "Ich hatte gedacht, dass es reicht. Aber es hat nicht gereicht, weil ich einen Fehler gemacht habe. Natürlich überwiegt erst einmal die Enttäuschung. Wenn man um den Sieg fährt, fuchst einen das schon."

Schumacher schnuppert am Podium

Michael Schumacher fuhr ebenfalls ein grandioses Rennen und lag sogar kurz vor Schluss auf Platz zwei hinter Vettel. Dann musste er aber in den letzten Umläufen erst Button und dann Webber passieren lassen. Auf der langen Geraden war er chancenlos. So verpasste er seinen ersten Podestplatz seit 1715 Tagen hauchdünn.

"Es wäre schön, wenn wir das hätten halten können. Leider gab es kein deutsches Happy-End", sagte Schumacher: "Es ist natürlich nicht schön, wenn man so kurz vor dem Podium steht und noch Vierter wird. Aber wir können happy sein, das war nach den letzten Rennen mal wieder ein Highlight."

Das Rennen, das zwischenzeitlich für zwei Stunden wegen Platzregens unterbrochen werden musste, erlebte fünf Safety-Car-Phasen und zahllose Unfälle. Dazu kamen sämtliche verfügbaren Reifenmischungen zum Einsatz. Mehr Turbulenzen gingen nicht.

Schlüsselszenen des Rennens:

Start: Es ist nass in Montreal und die Gischt ist so stark, dass man so gut wie nichts sieht. Daher entscheidet sich die Rennleitung, das Rennen hinter dem Safety Car zu starten. Alguersuari startet nach einem Motorwechsel aus der Box und ist damit Letzter.

Runde 5: Das Rennen ist freigegeben. Alonso macht eine Menge Druck auf Vettel und ist schon daneben. Aber Vettel hat in der ersten Kurve die Innenbahn und bleibt vorne. Danach kann er sich sofort absetzen. Hamilton dreht Webber um, beide fallen einige Plätze zurück. Webber trifft es aber deutlich härter.

Runde 5: Button tut sich mit den Bremspunkten schwer, einige andere auch. Offensichtlich sind die Fahrer überrascht, wie wenig Grip die Regenreifen bieten. Mercedes profitiert von den McLaren-Problemen und ist in einer hervorragenden Position. Rosberg ist Vierter vor Schumacher, der erst Button überholt und sich dann großartig gegen Hamilton wehrt.

Runde 8: Crash zwischen Button und Hamilton! Auf der Zielgeraden setzt sich Hamilton zwischen Button und die Boxenmauer. Button zieht trotzdem nach innen und drängt seinen Teamkollegen in die Mauer, weil er ihn offensichtlich nicht sieht - toter Winkel. Die Felge an Hamiltons Auto ist gebrochen, das war's! Das Safety Car kommt heraus.

Runde 13: Zweiter fliegender Start: Diesmal hält sich Vettel Alonso gut vom Leib und behauptet die Führung.

Runde 14: Button brummt eine Durchfahrtsstrafe ab, weil er hinter dem Safety Car die Geschwindigkeitsregeln nicht eingehalten hat. Was für ein Debakel für McLaren!

Runde 16: Button hat nach seiner Strafe halbwegs freie Fahrt. Er war nach dem Hamilton-Crash an der Box und hat Intermediates geholt. Die sind deutlich schneller als die Regenreifen und veranlassen unter anderem Alonso, Rosberg und Schumacher dazu, auch Intermediates zu holen.

Runde 20: Plötzlich geht ein heftiger Platzregen über der Strecke nieder. Es geht gar nichts mehr, die Autos schwimmen. Das Safety Car kommt raus, denn es ist unfahrbar.

Runde 21: Vettel kommt an die Box zum Reifenwechsel. Er bleibt natürlich bei Regenreifen. Eine Runde später kommt Massa, dadurch führt Vettel wieder. Kobayashi verzichtet auf neue Reifen und kommt dadurch bis auf Rang zwei nach vorne. Mercedes ist der Verlierer der Boxenstopps und findet sich nur auf den Rängen elf und zwölf wieder.

Runde 25: Das Rennen wird wegen des anhaltenden Platzregens unterbrochen.

Runde 26: Nach rund zwei Stunden Unterbrechung wird das Rennen hinter dem Safety Car wieder aufgenommen. Der Regen hat aufgehört.

Runde 35: Wieder mal Restart: Vettel behauptet sich an der Spitze. Schumacher kommt direkt an die Box und wechselt auf Intermediates. Eine goldrichtige Entscheidung, die ihn weit nach vorne spült.

Runde 38: Button kollidiert beim Überholversuch mit Alonso! Beide sind nebeneinander und keiner will in der Schikane nachgeben. Die Konsequenz ist fast logisch. Alonso dreht sich raus und bleibt auf dem Randstein hängen - das Aus. Button humpelt mit kaputtem linkem Vorderrad zurück an die Box und kann weiterfahren.

Runde 41: Der vierte Restart. Wieder ist Vettel souverän. Schumacher macht Druck auf Webber und geht eine Runde später vorbei.

Runde 46: Die Rennleitung gibt den verstellbaren Heckflügel frei. Schumacher nutzt das sofort und geht spielerisch an Heidfeld vorbei. Schumi ist schon Vierter.

Runde 51: Hammer-Manöver von Schumacher! Massa greift Kobayashi an, beide behindern sich gegenseitig. Schumacher riecht den Braten und geht innen eiskalt an beiden vorbei. Damit ist er Zweiter hinter Vettel!

Runde 56: Heidfeld fährt in Kurve zwei dem langsamen Kobayashi ins Heck. Sein Frontflügel löst sich und sein Auto wird vom eigenen Trümmerteil ausgehoben. Heidfeld segelt geradeaus in den Notausgang. Wegen der Trümmerteile auf der Strecke kommt das Safety Car zum fünften Mal auf die Strecke.

Runde 61: Restart: Schumacher ist neben Vettel im Kampf um die Spitze, aber er muss zurückstecken.

Runde 68: Schumacher verliert nach dem Duell gegen Button nun auch den Kampf gegen Webber und rutscht damit vom Podium. Die Folge des verstellbaren Heckflügels.

Runde 70: Button fliegt mit irrem Speed an Vettel heran. Der wehrt sich mit allem, was er hat, aber in der letzten Runde kommt er auf eine feuchte Stelle und das Auto bricht aus. Das war's! Button geht vorbei und klaut Vettel noch den sicher geglaubten Sieg.

Mann des Rennens: Jenson Button: Keine Frage. So ein Rennen sieht man nicht alle Tage. Button war nach Durchfahrtsstrafe, Kollisionen mit Hamilton und Alonso sowie einem Reifenschaden eigentlich schon nirgendwo. Aber im letzten Renndrittel hat er sich mit irrwitzigem Speed und tollen Manövern noch ganz nach vorne gekämpft. Einfach nur Wahnsinn!

Flop des Rennens: Der tollpatschige Streckenposten. In so einem Rennen darf auch mal ein Kuriosum als Flop herhalten. Der gute Mann, der sich nach dem Heidfeld-Unfall zweimal mitten auf der Strecke auf den Hosenboden gelegt und zwei heranstürmenden Piloten und sich selbst einen riesigen Schrecken eingejagt hat, sollte sich überlegen, ob er den richtigen Job hat.

Manöver des Rennens: Runde 70: Massa fängt Kobayashi noch ab. Ein Manöver, das fast untergegangen wäre. Massa hat sich mit Kobayashi auf der Zielgeraden einen Endspurt bis zur Ziellinie geliefert und den Japaner genau auf der Linie um 45 Tausendstel abgefangen. Wie ein Dragster-Rennen!

Analyse: So ein Rennen - eines der besten, das es wahrscheinlich je gegeben hat - kann man nicht rational erklären. Warum Jenson Button im letzten Renndrittel so unglaublich viel schneller fahren konnte als alle anderen, wird noch nicht einmal McLaren komplett analysieren können.

Vettel hat den Sieg verloren, weil er im dritten Herzschlagfinale in Folge zum ersten Mal ein klitzekleines bisschen Nerven gezeigt und einen Fehler gemach hat. Und er hat es verloren, weil er sich schon zu sicher gefühlt und nicht genügend Vorsprung herausgefahren hat, als er es hätte tun können.

Aber auch mit dem zweiten Rang kann er ausgezeichnet leben, denn die Ausfälle von Hamilton und Alonso haben dafür gesorgt, dass er seine WM-Führung vor Button nun auf sogar 60 Punkte ausgebaut hat.

Michael Schumacher war einer der Herren über das totale Chaos in Montreal und hätte den ersten Podestplatz seit seinem Comeback verdient gehabt. Denn er ist mit Sicherheit das mit Abstand beste Rennen im Mercedes gefahren.

LIVE-TICKER: Das Rennen in Montreal zum Nachlesen

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