Der Deutschland-Grand-Prix auf dem Nürburgring am kommenden Sonntag markiert die Halbzeit der Formel-1-Saison 2011. Sebastian Vettel ist klar auf Titelkurs, aber wie sieht das Kräfteverhältnis der Teams aus? Das Power-Ranking vor dem 10. von 19 Rennen.
Neun Rennen vor dem Deutschland-GP, neun Rennen danach. Dank der Absage des Bahrain-GP markiert in dieser Saison das Rennen auf dem Nürburgring die Halbzeit.
Sebastian Vettel hat in der Fahrerwertung 80 Punkte Vorsprung auf Mark Webber und ist auf dem besten Weg, seinen WM-Titel zu verteidigen. Was jetzt noch fehlt, ist der erste Heimsieg seiner Karriere am kommenden Wochenende.
Vettel und Red Bull haben die erste Saisonhälfte klar dominiert - zumindest nach Punkten, denn die einzelnen Rennen waren dank der verschiedenen Strategien mit den neuen Pirelli-Reifen meistens extrem spannend.
Wie sieht die Rangfolge der Teams hinter den Bullen aus, welche Teams sind auf dem aufsteigenden, welche auf dem absteigenden Ast? Das Power-Ranking von SPOX.
Platz 1: Red Bull (WM-Platz 1, 328 Punkte, 6 Siege)
Die Zahlen sprechen für sich. Red Bull hat vor allem im Qualifying klar das schnellste Auto. Die Folge: Alle neun Pole-Positions der Saison gingen an die Bullen, sieben an Vettel und zwei an Webber. Die Regeländerung, dass die Benzineinspritzung, das so genannte Engine Mapping, zwischen Qualifying und Rennen nicht mehr verändert werden darf, hat Vettel und Co. auch nur unwesentlich eingebremst.
Im Rennen ist die Lage anders. Um die meisten seiner sechs Siege musste Vettel hart kämpfen, in Barcelona und Monaco bis zur Ziellinie. Dreimal verlor er die Führung, die er bisher in jedem Rennen inne hatte, weil der Red Bull im Gegensatz zum härtesten Gegner im Rennen nicht mehr zulegen konnte.
Eine Schwäche, vor der Vettel trotz seines gewaltigen Vorsprungs in der WM warnt: "Das ist eine wichtige Phase in der WM. Wir müssen hart weiterarbeiten, sonst rücken die anderen uns für unseren Geschmack zu dicht auf die Pelle."
Platz 2: Ferrari (WM-Platz 3, 164 Punkte, 1 Sieg)
Die erste Abweichung vom WM-Stand. Sicher hat Fernando Alonso bei seinem ersten Saisonsieg in Silverstone das zwischenzeitliche Verbot des Zwischengases in die Karten gespielt, weil Ferrari davon in der ersten Saisonhälfte weniger profitiert hat als Red Bull und McLaren.
Damit allein den Aufschwung der Roten zu erklären, wäre aber viel zu einfach. Ferrari hat dank gewohnt großen Einsatzes von Mensch und Material das Auto in den letzten Wochen grundlegend verbessert.
"Es gab definitiv entscheidende Verbesserungen am Auto, die es viel besser fahrbar machen", sagt Alonso. "Es klebt in schnellen Kurven viel besser auf der Straße, was bedeutet, dass wir unseren großen Rückstand im Bereich aerodynamischer Grip wettgemacht haben."
Ein neuer Heckflügel sorgt für mehr Top-Speed, eine neue Motorabdeckung für mehr Abtrieb und eine neue Hinterradaufhängung für einen besseren Umgang mit den Reifen. All das spricht dafür, dass Ferrari ab jetzt dauerhaft Druck auf Red Bull machen wird.
Platz 3: McLaren (WM-Platz 2, 218 Punkte, 2 Siege)
McLaren stagniert ausgerechnet seit dem furiosen Sieg von Jenson Button in Kanada. Das Team musste gewaltige Anstrengungen unternehmen, um nach missratenen Wintertests das Auto konkurrenzfähig zu machen. Das hat beeindruckend gut funktioniert, aber zuletzt schien McLaren im direkten Vergleich mit Ferrari die Puste auszugehen.
In Silverstone machte das Zwischengas-Verbot Lewis Hamilton und Button das Leben schwer, aber auch fehlender Top-Speed auf den Geraden ist ein für McLaren ungewohntes Problem. Um das zu beheben, testete das Team zuletzt eine neue Heckflügel-Variante.
Zu den technischen Hürden kamen auch noch die anhaltenden Querelen um Hamilton, die dessen Selbstbewusstsein offensichtlich etwas angekratzt haben. Außerdem hat er große Probleme mit dem Verschleiß der Pirelli-Reifen.
Alles in allem keine schöne Situation. "Wir haben in diesem Jahr zwei Rennen gewonnen, aber das ist nicht gut genug. Wir waren oft Zweiter und Dritter, aber das gefällt niemandem wirklich. Wenn man dann auch noch Fünfter oder Sechster wird, ist es umso schmerzhafter", lautet das unerwartet harte Zwischenfazit von Teamchef Martin Whitmarsh.
Doch die Geschichte zeigt: Gerade McLaren darf man nie abschreiben. Kein anderes Team kann sich in kurzer Zeit so stark verbessern.
Platz 4: Mercedes (WM-Platz 4, 68 Punkte)
In Silverstone hat Mercedes in der Konstrukteurs-WM Lotus-Renault überholt und steht nun dort, wo man hingehört. Vor allem der Qualifying-Speed ist deutlich besser als der der direkten Konkurrenz um Platz vier.
Silverstone hat außerdem Anzeichen dafür gezeigt, dass auch der Speed im Rennen besser geworden ist. Ein neues Auspuff-System nach Red-Bull-Vorbild sorgt für mehr Anpressdruck. Außerdem hat Mercedes offenbar endlich das Dauerproblem mit den Reifen in den Griff bekommen.
"Neben den Verbesserungen wegen des Auspuffs haben wir Verbesserungen im Umgang mit den Reifen erzielt", bestätigt Schumacher den Eindruck, dass sich der enorme Verschleiß der Hinterreifen, der die Silberpfeile immer wieder in den Rennen zurückgeworfen hat, langsam bessert.
Das gilt bisher nur für Rennen, in denen es nicht allzu heiß ist, aber das sind ja für den Nürburgring in der Regel keine schlechten Nachrichten. Die echte Nagelprobe folgt im gewöhnlich heißen Ungarn.
Platz 5: Lotus-Renault (WM-Platz 5, 65 Punkte)
Das Spitzenteam mit dem klarsten Abwärtstrend in den letzten Rennen. Teils katastrophale Qualifying-Ergebnisse haben dafür gesorgt, dass in den Rennen nicht mehr als ein paar WM-Pünktchen drin waren.
Das Problem ist, dass Lotus-Renault ein Privatteam ist und das Entwicklungstempo der direkten Konkurrenz nicht ganz mitgehen kann. Erst am Nürburgring wartet der Rennstall mit zahlreichen Neuerungen auf, die wieder einen Schritt nach vorne bringen sollen.
An erster Stelle steht dabei die Abkehr von der Revolution. Der nach vorne austretende Auspuff könnte Geschichte sein, sollte das neue Modell die Tests am Freitag bestehen.
Bei Lotus-Renault haben aber auch die Fahrer eine Bringschuld. Witali Petrow konnte seine Galaform vom Saisonbeginn nicht ganz halten, erfüllt aber immer noch die Erwartungen. Heidfeld ist dagegen vor allem im Qualifying nicht gut genug. Da muss mehr kommen, damit seine Aufholjagden im Rennen wieder weiter vorne enden als auf Platz acht oder zehn.
Seine Kampfansage lautet: "Wir müssen Mercedes einen Kampf um Platz vier in der WM liefern. Ich weiß, dass wir dazu das Potenzial haben."
Plätze 6-12: Die Überraschung der Saison
Platz 6: Sauber (WM-Platz 6, 33 Punkte)
Die positive Überraschung der Saison. Sauber hat das Auto gebaut, das von allen am besten mit den neuen Pirelli-Reifen umgeht. Das zahlt sich in fast jedem Rennen aus - nur zweimal ging das Schweizer Team bisher leer aus.
Das Auto hat zum Rennen in Silverstone einen Facelift bekommen und wird am Nürburgring an Diffusor und Bremsen noch einmal leicht verbessert werden. Das Potenzial für weitere Punkte sollte also vorhanden sein.
Eine große Rolle beim Erfolg von Sauber spielen aber auch die Fahrer. Kamui Kobayashi bestätigt, dass seine tolle Saison 2010 keine Eintagsfliege war, und beweist sich als Teamleader. Und Neuling Sergio Perez übertrifft alle Erwartungen. Er wird in diesem Jahr noch einen Ferrari testen. Ob das Felipe Massa gefallen wird?
"Nach meinem Unfall in Monaco brauchte ich einige Zeit, um mein Momentum wiederzubekommen. Ab jetzt sollte ich aber noch stärker werden", sagt Perez. Klingt fast nach einer Drohung.
Platz 7: Force India (WM-Platz 8, 12 Punkte)
Die zweite Abweichung von der WM-Platzierung. Force India ist in den letzten Rennen, genau genommen seit Monaco, auf einem guten Weg. Interessanter Weise ist es aber meistens nicht Adrian Sutil, der die Highlights setzt, sondern Neuling Paul di Resta. Startplatz sechs zuletzt in Silverstone war ein Ausrufezeichen.
"Diese Runde war kein Zufall. Wir können an unserem Auto deutliche Verbesserungen erkennen. Für den Nürburgring bekommen wir weitere neue Teile. Das stimmt uns sehr positiv", sagt di Resta.
Was dem Team noch fehlt, ist den Aufwärtstrend konstant in WM-Punkte umzumünzen. Dabei helfen Boxenstopp-Pannen wie in Silverstone natürlich nicht.
Platz 8: Williams (WM-Platz 9, 4 WM-Punkte)
Williams ist besser, als die magere Punkteausbeute ausdrückt. Im Qualifying zeigt Neuling Pastor Maldonado immer wieder, wie schnell das Auto eigentlich ist. In drei der letzten fünf Qualifyings war er in den Top Ten.
Aber noch mehr als Force India hat Williams Probleme, den Speed des Autos in WM-Punkte umzusetzen. Maldonado steht noch völlig ohne Zähler da und auch Rubens Barrichello schafft es trotz seiner Erfahrung nicht regelmäßig, weit nach vorne zu kommen. Er ist im Qualifying nicht gut genug.
Trotzdem soll es am Nürburgring für Teamchef Sam Michael zwei Top-Ten-Ergebnisse geben, denn: "Alle neuen Teile, die wir in Silverstone dabei hatten, Auspuff, Diffusor, Frontflügel und Aufhängung, haben funktioniert, wie wir es erwartet hatten."
Platz 9: Toro Rosso (WM-Platz 7, 17 Punkte)
Die Italiener sind das genaue Gegenteil von Force India und Williams. Sebastien Buemi oder Jaime Alguersuari haben in den letzten vier Rennen immer WM-Punkte geholt, obwohl das Auto vom Speed her hinter die direkte Konkurrenz zurückgefallen ist. In eben diesen vier Rennen war Startplatz 15 das Höchste der Gefühle. Alguersuari scheiterte immer in Q1.
Während es die Fahrer im Rennen schaffen, sehr schonend mit den Reifen umzugehen, bekommen sie sie im Qualifying überhaupt nicht ans Arbeiten.
Guter Rennspeed ist gerade in dieser Saison ein großes Pfund, aber wenn es Force India und Williams schaffen, Konstanz in ihre Rennen reinzubringen, wird Toro Rosso auf Dauer hinter die beiden zurückfallen.
Platz 10: Lotus (WM-Platz 10, 0 Punkte)
Lotus zappelt im Niemandsland. Die beiden anderen Neulinge hat man deutlich abgehängt, aber der Anschluss ans Mittelfeld ist ebenfalls noch nicht gelungen.
Während Heikki Kovalainen eine ausgezeichnete Saison fährt, das Optimum aus dem Auto herausholt und zuletzt mit Startplatz 17 in Silverstone zum wiederholten Mal ein Ausrufezeichen setzte, ist Jarno Trullis Saison eine einzige Enttäuschung. Gravierende Probleme mit der Lenkung bekommt der Routinier einfach nicht in den Griff.
"Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich das Auto nicht einschätzen kann. Wenn mich jemand nach Feedback dazu fragt, wie sich das Auto verhält, habe ich keine Ahnung", gesteht Trulli. Abhilfe soll mit einer neuen Servolenkung in Ungarn kommen.
Platz 11: Virgin (WM-Platz 12, 0 Punkte)
Zwischenzeitlich drohte das Team von Timo Glock die Rote Laterne zu übernehmen, doch seit dem Rauswurf von Technikchef Nick Wirth läuft es wieder etwas besser. Die Beratung durch Ex-Renault-Mastermind Pat Symonds zahlt sich offensichtlich aus.
Das Team testet nun auf der Strecke anstatt nur am Computer, so wie bei Geradeaus-Tests vor dem Deutschland-GP in Cottesmore. Dieser Sinneswandel hat offensichtlich auch bei Glock die Motivation zurückgebracht, die zwischenzeitlich etwas verloren schien.
"Ich bin weiterhin motiviert, die Lücke zu Lotus so klein wie möglich zu halten und das Beste aus jedem Qualifying und jedem Rennen herauszuholen. Mehr kann ich nicht tun", sagt Glock.
Platz 12: HRT (WM-Platz 11, 0 Punkte)
Die wichtigsten Änderungen im Team gab es hinter den Kulissen, denn seit Anfang Juli hat HRT mit der Investment-Firma Thesan Capital einen neuen Eigentümer. Zudem verlässt Teamchef Colin Kolles den Rennstall.
Aber auch ein Fahrer ist natürlich neu, Daniel Ricciardo. Der hoch gelobte Red-Bull-Junior konnte beim Debüt in Silverstone noch nicht überzeugen, aber sein Speed könnte dem Team helfen, weiterhin mit Virgin zu kämpfen.
Ob das in dieser Saison noch möglich ist, ist ungewiss. Aber im Hintergrund ist so viel Bewegung, dass einiges davon früher oder später auch auf der Rennstrecke sichtbar werden sollte.
Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM