Titel und Siege statt DJs und Gridgirls

Von Alexander Mey
Red Bull kann immer noch feiern, aber das einstige Party-Team feiert nun WM-Titel
© xpb

Red Bull ist nach dem Gewinn des zweiten Konstrukteurs-Titels in Folge die unumstrittene Nummer eins unter den Teams. Mit McLaren und Ferrari guckt die F-1-Tradition im Vergleich mit dem einstigen Party-Team in die Röhre.

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Alles begann mit einem maroden Hinterbänkler, einer fixen Idee und einer Million Dollar. Für diesen symbolischen Preis kaufte Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz Ende 2004 die verbliebenen Trümmer des Jaguar-Teams auf.

Er bekam dafür die Schlüssel für das Werk in Milton Keynes, eine Rumpfbelegschaft von rund 300 Mann und erste Entwürfe für ein neues Auto. Mehr nicht.

Daraus haben die Leute, denen er das Vertrauen geschenkt hat, einen Doppel-Weltmeister sowohl bei den Fahrern als auch bei den Teams gemacht. Einen Dominator, wie die Formel 1 seit Ferrari Anfang des Jahrtausends keinen mehr gesehen hat.

Horner honoriert Mateschitz' Vision

"Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Das Team hat dieses Jahr phänomenal gearbeitet. Diesen Titel zu verteidigen, ist etwas ganz Besonderes. Alle Mitglieder des Teams können darauf sehr stolz sein, vor allem aber auch Dietrich Mateschitz, der diese Vision hatte", sagte Teamchef Christian Horner nach dem Sieg von Sebastian Vettel und dem dritten Platz von Mark Webber in Südkorea.

558 Punkte haben die Bullen auf dem Konto, schon jetzt 60 mehr als beim Titelgewinn 2010. McLaren ist mit 140 Zählern Rückstand meilenweit abgeschlagen. Ganz zu schweigen von Ferrari mit seinen gerade mal 310 Punkten.

Horner weiß den Erfolg von Red Bull wohl am besten einzuschätzen, denn er ist von der ersten Minute an dabei. Als erfolgreicher, aber sehr junger Chef des Formel-3000-Teams Arden kam er auf Geheiß von Mateschitz ins Team.

Er stand als Sinnbild für die Botschaft, die Red Bull durch die Formel 1 transportieren wollte: Jugendlichkeit, Coolness, Individualität, Kreativität, Risikobereitschaft.

Mateschitz: "Dem Fahrerlager die Lockerheit zurückgebracht"

Red Bull führte schon in der ersten Saison 2005 die "Energy Station" ein, sein riesiges dreistöckiges Motorhome, das damals mit Abstand der prächtigste Palast im Fahrerlager war. Selbst heute, da Teams wie Ferrari, McLaren und Mercedes längst nachgelegt haben, sticht die "Energy Station" noch heraus.

"Entspannte Ernsthaftigkeit", hat Mateschitz die Philosophie von Red Bull in den Anfangsjahren des Teams einmal genannt. Red Bull feierte die besten Partys, hatte im Motorhome die besten Köche, die besten DJs, die schönsten Gridgirls. Es war einfach immer etwas los.

"Wir haben dem Fahrerlager die Lockerheit wiedergebracht", sagte Mateschitz. "Junge Fans haben die Formel 1 ignoriert, weil sie ihre Bedürfnisse nicht angesprochen hat. Welcher 18-Jährige ist schon fasziniert von einer Anti-Spaß-Einstellung, wie sie viele Teams zur Schau gestellt haben?"

Mit Hollywood-Unterstützung zum Marketing-Erfolg

Red Bull machte es anders, ging Kooperationen mit Hollywood ein und machte auf seinen Autos Werbung für "Superman" oder "Star Wars". Alles, um im Kernmarkt USA die Auferksamkeit zu erringen, die die Formel 1 so dort nicht hatte.

Für Red Bull stand immer das Marketing an erster Stelle. "Letztlich geht es immer um die Bekanntheit und die Wertschätzung einer Marke und des dazugehörigen Unternehmens. Es ist uns mit dieser Philosophie gelungen, dass Red Bull inzwischen zu den wertvollsten Marken der Welt gehört", sagte Mateschitz nach dem ersten Titelgewinn 2010 "Spiegel online".

2007 stößt Newey zu Red Bull

Marketing-Erfolg funktioniert aber auf Dauer nicht ohne sportlichen Erfolg. Die ersten Jahre mit den Piloten David Coulthard, Christian Klien und Vitantonio Liuzzi waren zwar mit siebten Plätzen in der Konstrukteurs-WM nicht schlecht, aber der erste kleine Ruck ging 2007 durch das Team.

Der Grund: Adrian Newey wurde neuer Technikchef und Mark Webber bekam das zweite Cockpit neben Coulthard. Neweys erstes Auto, der RB3, war am Ende der Saison gut für Platz fünf in der Hersteller-Wertung.

2009: Neue Regeln und Vettel bringen den Quantensprung

Nach einem durchwachsenen Jahr 2008 kam 2009 dann endgültig der Quantensprung zum Top-Team. Diesmal gab es dafür zwei Gründe.

Der erste war eine komplette Umstellung des Aerodynamik-Reglements kombiniert mit der Rückkehr zu Slicks. Dies ermöglichte Newey, ein Auto vom weißen Blatt Papier weg zu konstruieren und seinen eigenen Weg zu gehen.

Der zweite Grund trug den Namen Sebastian Vettel. Er kam vom Juniorteam Toro Rosso, wo er 2008 sensationell den Italien-GP gewonnen hatte, zu Red Bull.

"Jung-Siegfried", so nannte Mateschitz Vettel, gewann in China gleich das dritte Rennen und kämpfte schon in seinem ersten Red-Bull-Jahr bis zum vorletzten Rennen gegen Jenson Button um den WM-Titel. Er verlor ihn, weil der Vorsprung, den Brawn GP durch den Doppel-Diffusor in der ersten Saisonhälfte herausgefahren hatte, letztlich einfach zu groß war.

Webber: "Viele werden morgen einen Kater haben"

2010 brach trotz vieler Fehler und technischer Defekte der Bann und der erste WM-Titel war unter Dach und Fach. Was 2011 folgte, war eine einzige große Gala.

"Man kann sich gar nicht vorstellen, was dieser zweite Titel in Folge für das Unternehmen bedeutet. Das ist ein riesiger Schub für jeden - und nicht nur an der Rennstrecke. Da steckt so viel mehr dahinter", sagte Vettel mit Blick auf die heute knapp 600 Mitarbeiter und gab zu: "Mir ist eine große Last von den Schultern gefallen, als ich die Ziellinie überquert habe."

Mark Webber stimmte ihm zu: "Es war für alle ein großartiges Jahr. Für die Crew in Milton Keynes, die Crew in Fuschl und auch die Motorencrew von Renault, die uns ein hundertprozentig zuverlässiges Aggregat geliefert hat. Ich bin mir sicher, viele werden morgen einen Kater haben!"

McLaren und Ferrari erkennen Unterlegenheit an

Als Katerstimmung darf man getrost die Gemütslage der großen Traditionsteams bezeichnen. Vor allem McLaren und Ferrari wurden in dieser Saison heftig geschlagen.

"So wie wir in Suzuka Vettel gratuliert haben, gehört es sich natürlich auch, jetzt Red Bull zu gratulieren. Sie hatten das beste Auto im Feld und sind daher der logische Weltmeister", sagte Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali.

Sein McLaren-Kollege Martin Whitmarsh meinte: "Wir müssen die großartigen Erfolge von Red Bull anerkennen. Ich möchte aber auch die Opfer hervorheben, die unsere Crew in den vergangenen beiden Wochen gebracht hat. Ihnen ist es zu verdanken, dass wir unseren zweiten Rang in der Konstrukteurs-WM gefestigt haben."

Rang zwei ist aber weder der Anspruch von McLaren noch von Ferrari. Sie werden 2012 wieder Jagd auf Vettel und Red Bull machen, um wenigstens den Hattrick des lange als "Dosenfabrikanten" verspotteten Rivalen zu verhindern.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

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