Die Saison 2011 ist vorüber. Aber was bleibt nach 19 Rennen hängen? Sicher die zahlreichen Rekorde von Sebastian Vettel und Red Bull. Aber auch die zwei Gesichter des Michael Schumacher. Ein Rückblick.
Positive Schlagzeilen 2011
Vettel und Red Bull jagen Rekorde
Was für ein Jahr für Sebastian Vettel und Red Bull! "Wir werden mit sehr viel Stolz zurückblicken", sagte Vettel nach dem Saisonfinale in Brasilien. Wie Recht er hat, sollen einige Zahlen unterstreichen.
Vettel hat 15 Pole-Positions in 19 Rennen geholt und damit den 19 Jahre alten Rekord von Nigel Mansell von 14 Poles (allerdings in nur 16 Rennen) gebrochen. Red Bull stand bei 18 von 19 Rennen auf Startplatz eins (15 Mal Vettel, drei Mal Webber), auch das ist Rekord. Noch nie hat es ein Team geschafft, alle Poles in einer Saison zu holen. Lewis Hamilton hat Red Bull in Südkorea die Show vermasselt. Trotzdem ist die Quote von 94,7 Prozent die beste aller Zeiten.
Qualifying-Duelle: Die Endstände in allen zwölf Teams
Kommen wir zu den Rennen. Dort hat Vettel mit elf Siegen zwar nur die zweitbeste Marke von Michael Schumacher aus dem Jahr 2002 eingestellt und den Rekord von 13 aus dem Jahr 2004 verpasst, dafür hat er aber mit 17 Podestplätzen Schumachers Bestmarke eingestellt. Allerdings bei 19 Versuchen, Schumacher stand 2002 bei allen 17 Rennen auf dem Podest.
Die Kategorie, in der Vettel eindeutiger Rekordhalter ist, ist die der Führungsrunden in einer Saison. Es waren bei ihm 2011 739. Nigel Mansell kam in seinem WM-Jahr 1992 auf 694, Schumacher in seiner besten Saison auf 683. Vettel hat nur am Nürburgring und bei seinem Erstrunden-Aus in Abu Dhabi keine Führungsrunden gesammelt.
Dass seine 392 WM-Punkte Rekord sind, ist angesichts der erst zwei Jahre alten Punkteregel kein Wunder, aber rechnet man seine Ergebnisse auf das alte Punktesystem um, käme er auf 161 Zähler und hätte damit 13 mehr als Schumacher in seiner Rekordsaison 2004. Die Tatsache, dass er 136 Punkte mehr geholt hat als bei seinem WM-Titel 2010 und 122 mehr als Vize-Weltmeister Jenson Button, ist ebenfalls beeindruckend.
Übrigens: Mit seinen 256 Punkten aus dem Vorjahr wäre Vettel diesmal nur WM-Vierter geworden.
Red Bulls Ausbeute von sage und schreibe 650 WM-Punkten bedeutet eine Verbesserung von 152 Zählern gegenüber dem Vorjahr und einen Vorsprung von 153 auf Vize-Weltmeister McLaren. Rechnet man hier das Ergebnis auf das alte System um, kommt man auf 279 Punkte - wieder Rekord. Ferrari hatte 2004 mit Schumacher und Rubens Barrichello 262 Zähler auf dem Konto.
Pirelli startet neue Zeitrechnung
Pirelli-Sportchef Paul Hembery hat es im SPOX-Interview gesagt: "Als Firma müssen wir sehr stolz sein, das Projekt Formel 1 in so einer kurzen Zeit so gut umgesetzt zu haben. Wir hatten keine grundlegenden Probleme, die Rennen waren spektakulär, das Feedback von Experten, Fans und Teams war sehr positiv."
Man kann sogar noch weiter gehen und sagen, dass Pirelli eine neue Zeitrechnung in der Formel 1 eingeläutet hat - die der bis zum Schluss unberechenbaren Rennen. In Zeiten, in denen Benzinmangel kaum noch ein Thema war und technische Defekte immer seltener wurden, waren in den letzten Bridgestone-Jahren so gut wie alle Rennen nach den letzten Boxenstopps entschieden.
Das war 2011 völlig anders. Nachzufragen bei Vettel, der sowohl in China als auch in Kanada den Sieg erst in den letzten Runden verloren hat. Auch viele andere Positionswechsel haben sich erst in den letzten Runden angedeutet. Aktuellstes Beispiel ist das Überholmanöver von Button gegen Fernando Alonso in Brasilien.
spoxIn anderen Rennen gab es zwar keine Führungswechsel mehr, aber deshalb waren sie trotzdem bis zum Schluss dramatisch. In Barcelona und Monaco verteidigte Vettel seinen ersten Platz bis zur Ziellinie mit Zähnen und Klauen, in Japan trennten die ersten Drei gerade mal zwei Sekunden.
Die Reifen sorgten für derart viel Spannung und Überholmanöver, dass man sich fragen muss, ob man die technischen Hilfsmittel KERS und DRS überhaupt gebraucht hätte.
Hembery äußerte sich dazu diplomatisch: "Die Teams sind mit dem Paket aus unseren Reifen, DRS und KERS glücklich."
Die Rennstrategie ist durch die wesentlich höhere Zahl an Boxenstopps und schnelleres Abbauen der Reifen auf ein völlig neues Level gehoben worden.
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Montreal: Das verrückteste Rennen seit Jahren
Die vergangenen Jahre haben die Formel-1-Fans mit spannenden Rennen und dramatischen WM-Entscheidungen verwöhnt, aber ein Rennen wie das in Kanada 2011 hat es wohl seit dem WM-Drama um Lewis Hamilton und Felipe Massa in Brasilien 2008, das bei chaotischen Wetterverhältnissen in der allerletzten Kurve entschieden wurde, nicht mehr gegeben.
Es ging in Montreal schon damit los, dass das Rennen wegen starken Regens hinter dem Safety-Car gestartet werden musste. Nach 25 Runden und jeder Menge Ausrutscher kam dann wegen Platzregens der Abbruch.
Als es nach zwei Stunden Wartezeit endlich weiterging, avancierte Jenson Button zum irren Helden des Nachmittags. Er kollidierte erst mit Teamkollege Hamilton, dann mit Alonso und beförderte beide aus dem Rennen. Er erhielt eine Durchfahrtsstrafe und war insgesamt sechs Mal an der Box.
Zwischenzeitlich lag er auf Position 21, doch als die Strecke abtrocknete, war er auf den Slicks pro Runde mehr als eine Sekunde, manchmal sogar mehr als zwei Sekunden schneller als der eigentlich deutlich führende Vettel. In der letzten Runde rutschte Vettel dann bei dem Versuch, sich Button vom Leib zu halten, von der trockenen Ideallinie aufs Nasse und musste dem Engländer den Sieg überlassen.
Passend zum turbulenten Rennen lag Michael Schumacher bis wenige Runden vor Schluss auf Platz zwei, bevor er dank DRS erst Button und dann auch noch Webber hilflos passieren lassen musste.
"That was a hell of a race", resümierte Button seinen Sieg. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Button: Besser als im WM-Jahr 2009
Bleiben wir bei Button, der positivsten Überraschung des Jahres. Der Weltmeister von 2009 hat sich entgegen aller Prognosen zur Nummer eins bei McLaren gemausert und Lewis Hamilton abgehängt. Natürlich haben ihm Hamiltons private Probleme in die Karten gespielt, aber trotzdem war seine Konstanz beeindruckend.
Obwohl er das Qualifying-Duell mit 6:13 vermeintlich klar verloren hat, war er oftmals sehr nah an Hamilton dran. Im Rennen hat er dann durch einen perfekten Mix aus konstantem Speed, Aggressivität beim Überholen, Reifen schonender Fahrweise und richtigen strategischen Entscheidungen drei Siege und insgesamt zwölf Podestplätze eingefahren.
Ein würdiger Vize-Weltmeister, der fahrerisch sogar deutlich besser war als in seiner WM-Saison. Damals hatte er in der ersten Saisonhälfte ein deutlich überlegenes Auto und danach gegen Teamkollege Rubens Barrichello große Probleme. Diesmal holte er aus dem McLaren fast immer das Optimum heraus. Er hat eine Saison am oberen Limit hinter sich.
Michael Schumacher alias Dr. Jekyll
Schumi hat in dieser Saison zwei Gesichter gezeigt. Das gute des Dr. Jekyll, um das es in diesem ersten Teil gehen wird, und das schlechte des Mr. Hyde, das im zweiten Teil erläutert wird.
"Dr. Jekyll" Schumacher zeigte 2011 einige Rennen, in denen er begeistern konnte wie in seinen besten Zeiten. Paradebeispiel war seine grandiose Aufholjagd in Spa von Startplatz 24 auf Rang fünf. Gegen Rennende überholte er bei seinem 20-jährigen F-1-Jubiläum sogar noch Mercedes-Kollege Nico Rosberg, der zu Rennbeginn noch in Führung gelegen hatte.
Weiteres Highlight in Schumachers zweiter Saison nach dem Comeback war der vierte Platz im Chaos von Montreal, in dem er erst kurz vor Schluss und nur wegen des DRS den zweiten Platz an Button und Webber verlor.
Dazu kamen starke fünfte Plätze in Italien, wo er Hamilton ein grandioses Duell lieferte, und Indien sowie ein sechster Rang in Barcelona. Sein bestes Qualifying fuhr Schumacher in Monaco, als er Fünfter wurde. Insgesamt lag seine Stärke aber eindeutig in den Rennen.
Die negativen Schlagzeilen: Schumi alias Mr. Hyde
Die negativen Schlagzeilen 2011
Das Jahr der dramatischen Unfälle
Das Jahr stand schon vor der ersten Testfahrt unter keinem guten Stern. Bei einem privaten Rallye-Einsatz in Italien verunglückte Lotus-Renault-Pilot Robert Kubica so schwer, dass er diese und wohl auch die kommende Saison komplett verpasst.
Und das ist noch Glück, denn nachdem ihm eine ins Cockpit eingedrungene Leitplanke die komplette rechte Körperhälfte zertrümmert hatte, drohte sogar eine Zeit lang die Amputation der rechten Hand. Das konnte verhindert werden, aber mit den Folgen des Unfalls kämpft Kubica heute noch.
Noch schlimmer wurde es in zwei schwarzen Wochen im Oktober. Erst verunglückte der Engländer Dan Wheldon beim IndyCar-Rennen in Las Vegas tödlich. Formel-1-Fahrer wie Button und Webber, die die Nachwuchsklassen in Großbritannien durchlaufen hatten, kannten Wheldon persönlich.
Nur eine Woche später starb MotoGP-Pilot Marco Simoncelli auf der Formel-1-Strecke in Malaysia. Ihn wiederum hatte Vettel erst einige Monate zuvor persönlich kennen gelernt. Wie alle anderen Piloten war auch Vettel beim folgenden Grand Prix in Indien sehr nachdenklich und widmete seinen Sieg den verunglückten Kollegen. Die Piloten ehrten Wheldon und Simoncelli zudem mit einer Schweigeminute und zahlreichen Symbolen auf ihren Helmen.
Fahrer jenseits von gut und böse
Einige Fahrer erlebten ein Jahr zum Vergessen. Allen voran Lewis Hamilton. Obwohl er drei Rennen gewinnen konnte und mit 227 Punkten WM-Fünfter wurde, spricht er selbst vom schlimmsten Jahr seiner Karriere.
Bis kurz vor Saisonende war kein Pilot so oft bei den Rennkommissaren vorgeladen wie er. Dass er dann noch von Pastor Maldonado überflügelt wurde, wird den extrem oft bestraften Hamilton kaum trösten.
Er war in vielen Rennen ungewohnt passiv, in anderen leistete er sich dumme Kollisionen. In Monaco und Singapur war Massa sein Opfer, in Spa geriet er mit Kamui Kobayashi aneinander, in Kanada sogar mit Teamkollege Button. Es reihte sich ein Scharmützel an das andere.
Zu allem Überfluss trennte er sich auch noch von seiner Dauerfreundin Nicole Scherzinger und verlor den Bezug zu seinem Vater. Erst gegen Saisonende scheint er sich wieder ein wenig gefangen zu haben.
Der zweite Fahrer, der völlig neben sich stand, war Felipe Massa. Allerdings hatte das bei ihm rein sportliche Gründe. Massa, 2008 noch Fast-Weltmeister, sah gegen Fernando Alonso kein Land, verlor das Quali-Duell mit 4:15, fuhr kein einziges Mal aufs Podium und holte mit 118 Punkten nicht einmal halb so viele Zähler wie sein Ferrari-Kollege.
Folgerichtig wurde er öffentlich oft in Frage gestellt. Er darf zwar 2012 fahren, aber: "Ich weiß, dass ich mehr zeigen muss", sagt er selbst. Wie schon 2010 war er auch 2011 eines Ferrari-Cockpits nicht würdig.
Kommen wir zu Mark Webber, dessen Saison mit dem Sieg in Brasilien und Platz drei in der Fahrerwertung zwar versöhnlich endete, der aber sicher noch einige Zeit an den Demütigungen durch Vettel knabbern wird. 1:11 nach Siegen, 3:16 in den Quali-Duellen - das sind vernichtende Zahlen. Er hat zu lange gebraucht, um sich auf die Pirelli-Reifen einzustellen, war im Qualifying zu langsam und ist viel zu schlecht gestartet. Dort hat er regelmäßig Plätze verloren.
Dass er dazu zwischenzeitlich auch noch beim Thema Vettel die Nerven verloren und einen Journalisten beleidigt hat, macht den Eindruck, den der Australier hinterlassen hat, nicht besser.
Letzter Name auf der Liste der Enttäuschenden ist Nick Heidfeld. Er startete als Geheimtipp in die Saison, war neben Vettel der einzige Deutsche auf dem Podium - und musste doch nach nur elf Rennen gehen, weil er die Erwartungen von Lotus-Renault nicht erfüllen konnte.
Heidfeld gingen vor allem wegen seiner eklatanten Qualifying-Schwäche letztlich die Argumente aus und er wurde in Spa durch Bruno Senna ersetzt. Er verlor das Duell gegen den nicht als Überflieger bekannten Witali Petrow mit 3:8 unter erreichte nur dreimal im Qualifying die Top Ten. Das war es wohl mit seiner Formel-1-Karriere.
Teams jenseits von gut und böse
Auch bei den Teams gab es große Enttäuschungen. Ferrari zum Beispiel konnte dem Anspruch eines Titelanwärters nie gerecht werden. Nur ein Sieg, keine Pole-Position, 275 WM-Punkte Rückstand auf Red Bull - das sagt alles. In Maranello wird im Winter der Baum brennen.
Mercedes ging es nicht viel besser als Ferrari. Nach den Wintertests war sogar von Siegen die Rede, letztlich sprang kein einziger Podestplatz für Schumacher und Rosberg heraus. 2012 soll mit jeder Menge neuem Personal alles besser werden. Muss es auch.
Lotus-Renault hat den rasantesten Absturz hingelegt. Nach zwei Podestplätzen in den ersten beiden Rennen sah alles nach einem echten Herausforderer für Mercedes, vielleicht sogar für Ferrari aus. Doch danach wurden die Ergebnisse immer schlechter. In den ersten sieben Rennen holte das Team 60 Punkte, danach nur noch 13. Zu Heidfelds Ehrenrettung kann man auch sagen: Mit ihm holte Lotus-Renault 66 Punkte, ohne ihn sieben.
Letzter großer Verlierer ist Williams. Das Traditonsteam ist am Boden, die letzte Startreihe für Barrichello und Maldonado in Abu Dhabi war der Tiefpunkt. So etwas ist Williams zuvor in 570 Rennen noch nie passiert. Dabei wurde das Team vor der Saison aufgrund seines revolutionär flachen Getriebes sogar als Geheimtipp gehandelt. Davon war allerdings nie etwas zu sehen. Am Ende stehen klägliche fünf WM-Punkte zu Buche.
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Verblasen
Angeblasener Diffusor war das Unwort dieser Saison. Jedes Jahr kommen die Ingenieure mit etwas um die Ecke, das den ganzen Zirkus in helle Aufregung versetzt. 2009 war es der Doppel-Diffusor, 2010 der F-Schacht, nun eben das Auspuffsystem, das die Abgase permanent auf den Diffusor bläst.
Das System war für den Laien kaum verständlich und unter den Ingenieuren ein ständiger Streitpunkt. Kalt angeblasen, heiß angeblasen? Schleppbetrieb oder kein Schleppbetrieb? In Silverstone kurzzeitig verboten, dann doch wieder erlaubt. Niemand ist mehr durch das Wirrwarr durchgestiegen. 2012 ist das System zum Glück nicht mehr erlaubt, aber die Hoffnung, dass den Masterminds der Teams nicht wieder etwas Neues einfällt, ist gering.
Michael Schumacher alias Mr. Hyde
Zum Abschluss die Kehrseite der Saison von Schumacher. So hell sein Stern in einigen Rennen gestrahlt hat, so finster war seine Bilanz in den Qualifyings. Er ging im Duell gegen Rosberg mit 3:16 baden. Sieben Mal verpasste er sogar die Top Ten, Rosberg wegen eines technischen Defekts einmal.
Dazu kamen einige dumme Kollisionen, die sich Schumacher geleistet hat. Zweimal war sein Opfer Petrow, an dessen Heck er sich unmotiviert die Frontflügel abfuhr. In Silverstone kassierte er nach einem Crash mit Kobayashi eine Strafe. In Singapur fuhr er auf das Hinterrad von Sergio Perez auf und baute einen spektakulären Unfall.
Für den Reifenschaden in Brasilien nach der Kollision mit Senna konnte er wenig, aber er steht als Sinnbild dafür, dass Schumacher bei allen positiven Ansätzen doch recht oft über das Ziel hinausgeschossen ist.
Endstände in Fahrer- und Konstrukteurs-WM