Red Bull hat nach dem Rennen in Valencia ein ganz schön großes Fass aufgemacht. Sebastian Vettel witterte, anstatt sich erst einmal über seinen technisch bedingten Ausfall zu ärgern, Verschwörung bei der Rennleitung.
Die Safety-Car-Phase, die ihn seinen komfortablen 20-Sekunden-Vorsprung kostete, sei völlig unnötig und nur ein Mittel gewesen, um ihn zurückzupfeifen und das Rennen wieder spannend zu machen.
Ein Vorwurf an die Rennleitung, die sein Motorsportchef Helmut Marko auch noch unterstützte, indem er sagte: "Vielleicht kann man das so sehen: Vettel war zu weit vorne und man wollte das Feld wieder näher zusammenbringen, wie man das im amerikanischen Rennsport oft macht."
Red-Bull-Forderung nach Schumi-Strafe abgewiesen
Gleich im nächsten Satz verkündete Marko, dass man bei Red Bull die Rennleitung auf einen Regelverstoß von Michael Schumacher hingewiesen habe, der ihn Platz drei kosten werde. Mark Webber werde auf diesen Podestplatz aufrücken.
Es kam nicht so. Die Rennleitung verzichtete auf eine Strafe gegen Schumacher, weil er in den letzten Runden trotz geöffneten Heckflügelelements unter Gelben Flaggen genügend abgebremst hatte, um dem Reglement zu entsprechen.
Die nächste Pleite für Red Bull an diesem Tag, an dessen Ende folgende Zahlen standen: Anstatt mit einem Sieg die WM-Führung zu übernehmen, hat Vettel nun 26 Punkte Rückstand auf den strahlenden Valencia-Sieger Fernando Alonso. Webber ist nach seinem vierten Platz von Startplatz 19 aus mit 20 Punkten Rückstand auf Alonso neuer WM-Zweiter.
Vettel trotz Rückstands in der WM ein Gewinner
Soweit die unmittelbaren Folgen des Europa-GP. Schaut man sich die Geschehnisse des Wochenendes aber einmal etwas genauer an, kommt man zu dem Schluss, dass Red Bull - so bitter Vettels Ausfall war und so ärgerlich der Rückstand in der Fahrer-WM ist - keinesfalls der große Verlierer ist sondern eher der große Gewinner.
Warum? Ganz einfach: Das Valencia-Wochenende war das erste dieser überaus engen und wechselhaften Saison, das einen eindeutigen Dominator gesehen hat, nämlich Vettel.
Vettels Quali-Runde schockt Hamilton
Zuerst fuhr er in einem Qualifying, in dem zeitweise 13 Fahrer innerhalb von drei Zehntelsekunden lagen, am Ende in nur einer einzigen schnellen Runde vier Zehntel schneller als alle anderen.
Der Quali-Zweite Lewis Hamilton sagte daraufhin beinahe geschockt: "Sebastian ist heute nur spazieren gefahren. Er hat allein schon mit einem Run vier Zehntel gefunden. Wenn er noch eine Runde gefahren wäre, hätte sein Vorsprung wohl eine Sekunde betragen."
Vettel im Rennen: "Eine unglaubliche Dominanz"
Im Rennen bestätigte sich Hamiltons Befürchtung, denn er war in seinem McLaren vom Start weg völlig chancenlos. Vettel war erst knapp zwei, dann konstant rund eine Sekunde pro Runde schneller.
Erst als er nach neun Runden mehr als zehn Sekunden Vorsprung hatte, machte Vettel langsamer, um die Reifen zu schonen. Dass er jederzeit schneller gekonnt hätte, zeigte er, als Romain Grosjean Hamilton überholt hatte. Auch der Franzose im starken Lotus konnte Vettels Rundenzeiten nicht mitgehen.
"Das Rennen war eine unglaubliche Dominanz von Red Bull und Vettel", sagte Marko und sprach damit eine Erkenntnis aus, die auch der Konkurrenz nicht entgangen ist.
Alonso mahnt: "Es gibt einige schnellere Autos"
Vor allem nicht den Siegern von Ferrari. "Red Bull hat sein Auto deutlich verbessert und hatte das schnellste Auto des Wochenendes. Das dürfen wir bei aller Freude auf keinen Fall vergessen", mahnte Teamchef Stefano Domenicali.
Selbst Alonso sagte im Angesicht seines emotionalsten Triumphes: "Trotz unseres Sieges hier in Valencia wissen wir natürlich, dass wir uns noch nicht in der Position befinden, in der wir sein wollen. Es gibt einige schnellere Autos und davor können wir unsere Augen nicht verschließen. Wir müssen hart arbeiten."
Neuer Unterboden-Trick ein Grund für Red Bulls Dominanz
Die Antwort auf die Frage, warum Red Bull in Valencia so überlegen war, könnte im neuen Unterboden des Autos liegen, einem von mehreren Updates am RB8. Nachdem die Löcher, durch die Luft Richtung Diffusor geströmt ist, vor dem Kanada-GP verboten worden waren, hat sich Technikchef Adrian Newey einen anderen Trick einfallen lassen, um den Anpressdruck auf der Hinterachse zu erhöhen.Er hat quasi einen doppelten Unterboden geschaffen, indem er ungefähr auf der Hälfte der Seitenkästen zwei Öffnungsschlitze parallel zum eigentlichen Unterboden eingezogen hat, durch die die Luft in Richtung Diffusor geleitet wird. Das ist nach dem Wortlaut des Reglements legal, könnte aber in den kommenden Wochen für neue Diskussionen sorgen.
"Sky"-Experte Marc Surer sieht die Sache sportlich: "Adrian Newey ist einfach der Genialste von allen in Sachen Aerodynamik."
Red Bull Favorit für seine beiden Heimspiele
Sollte sich das System auch auf anderen Strecken und bei anderen Temperaturen bewähren, könnte Red Bull zumindest in den kommenden beiden Rennen bis zur Sommerpause der Konkurrenz wichtige Punkte im nach wie vor engen Titelkampf abnehmen.
Mit Silverstone und Hockenheim stehen immerhin die beiden Heimrennen für Team und Weltmeister Vettel an. Zwei Siege würden den Bullen da natürlich bestens in den Kram passen und Vettels 26 WM-Punkte Rückstand wieder schmilzen lassen.
Aber nur, wenn nicht wieder die Technik einen Streich spielt.
Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM