Toto Wolff: Der Anti-Haug

Von Christoph Köckeis
Toto Wolff (l.) und Niki Lauda wollen Mercedes in eine erfolgreiche Zukunft führen
© getty

Der Motorsport-Gigant Mercedes wankte: Drei Jahre zehrten die Silberpfeile vom Glanz früherer Tage. Das ruhmreiche Image bröckelte. Nun erstrahlt der Vorzeigerennstall in rot-weiß-rot: Toto Wolff und Niki Lauda sollen die Post-Norbert-Haug-Ära prägen. Mit strikten Vorgaben und dem neuem Erfolgsprinzip Reibung...

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Die Champagnerdusche wirkte gezwungen, die Atmosphäre unterkühlt. Selbst vor der Mattscheibe machte sich ein latentes Unwohlsein breit. Zu offenkundig schwellte der Konflikt zwischen den Red-Bull-Stars.

Nachdem sich Weltmeister Sebastian Vettel der Multi-21-Order widersetzte, eruptierten die zwischenmenschlichen Dissonanzen mit Mark Webber. Statt feuchtfröhlich den Doppelsieg beim Malaysia-GP zu zelebrieren, demonstrierten sie der Weltöffentlichkeit ihren Starrsinn.

Lewis Hamilton pointierte diese zweifelhafte Episode. Auch der Mercedes-Superstar fühlte sich irgendwie fehl am Platz. Nur der Stallregie - und der Loyalität von Nico Rosberg - hatte er das Premieren-Podium zu verdanken.

Lauda vs. Wolff

Das Rennen zu neutralisieren, Attacken zu untersagen, missfiel besonders Niki Lauda. Gewohnt rustikal nahm er kein Blatt vor den Mund. Zuerst konterkarierte er Ross Brawn, ehe sich der Aufsichtsrat noch seinen Motorsportchef vorknöpfte.

Toto Wolff reagierte diplomatisch. Vor laufenden Kameras war er um Einigkeit bemüht: "Hätten wir die Ränge drei und vier verloren, wären wir die Deppen gewesen. Wir sind doch einer Meinung, Niki?" Dieser hielt dagegen: "Nein, sind wir nicht."

Mal wieder schlug das Fallbeil unter den TV-Experten gnadenlos zu. Ohne den Schaden für seinen neuen Arbeitgeber zu bedenken. Ohne die daraus resultierenden Irritationen zu scheuen. Landsmann Alexander Wurz versuchte gegenüber SPOX zu erklären.

"Was ich ausschließen kann: Es herrscht keine Spannung, die beiden verstehen sich bestens", beruhigte der Österreicher. "Niki sprach einfach das aus, was sich die Fans dachten. Wenn jemand die Meinung äußert und nicht alles, wie in dem Geschäft üblich, abgesprochen wird, finde ich es erfrischend. Dafür wurde er sicherlich auch von Mercedes engagiert."

Eine neue Zeitrechnung

Fraglos gab die Silberpfeil-Spitze in Kuala Lumpur ein groteskes Bild ab. Eines, fern von der skandalfreien Wohlfühloase vergangener Jahre. Die konträren Auffassungen beeindruckten jedoch. Nach drei Jahren ist eine neue Zeitrechnung angebrochen. Forciert von der obersten Führungsetage.

Der Anspruch: Das Beste oder nichts. Noch heute hat das Ideal Gottlieb Daimlers bestand. Aber die Erfolglosigkeit in der Königsklasse lastete schwer auf der Tradition. Vorstand Dieter Zetsche erkannte dies, sah sich zu mitunter unpopulären Maßnahmen veranlasst.

Von Norbert Haug, der Inkarnation des Erfolges, sagte man sich in den Wintermonaten los. Überdies haftet dem Rücktritt Michael Schumachers eine fahle Beinote an. Ob freiwillig oder nicht - das deutsche "Dream Team" ist Vergangenheit.

Finanzgenie auf dem zweiten Bildungsweg

"Ich wäre ein Narr, wenn ich am Schumi-Mythos kratzen würde. Aber die Verpflichtung von Hamilton zeigte, dass das Team bereit ist, auch heilige Kühe aufzugeben", suggerierte Wolff gegenüber der "Bild". Er wurde auserkoren, den zwei jahrzehntelangen Big-Player Haug zu ersetzen. Doch wer ist dieser Torger Christian Wolff?

Seit Jugendtagen trieb ihn die Faszination für schnelle Autos. Er verdingte sich in Nachwuchsklassen - ohne die große Karriere hinzulegen. Letztlich fehlte der monetäre Background und, wie er ohne Missgunst gesteht, das Talent. Im zweiten Berufsweg traf er dann beinahe ausschließlich richtige Entscheidungen.

Er investierte in Internet- und Technologie-Unternehmen, gründete die Vorzeigefirma "Marchsixteen" und spekulierte gewinnbringend an der Börse. Mit dem nötigen Kleingeld durfte er wieder der Passion frönen und kehrte zurück an die Rennstrecken dieser Welt. Er beteiligte sich an der HWA-AG, einer Daimler-Tochter mit Fokus DTM, und unterstützte aufstrebende Piloten. Gemeinsam mit Mika Häkkinen und Didier Coton verhalf er mitunter Valtteri Bottas zum Durchbruch.

Ein Äquivalent zu Willi Weber, dem legendären Schumi-Macher, wollte er nie werden. Diese Zeit ist längst vorbei, so Wolff. "Das Fahrermanagement war ein brotloser Beruf. Oftmals erinnern sich die Jungs später nicht mal daran, wer sie unterstützte."

Seite 2: Die Suche nach dem Wir-Gefühl