Formel 1 - WM-Entscheidung beim US-GP verpasst: Was fehlte Lewis Hamilton zum Titel?

Lewis Hamilton verpasste die erste Chance auf seinen fünften WM-Titel.
© getty

Lewis Hamilton hatte beim Großen Preis der USA seinen ersten Matchball und lange Zeit sah es so aus, als würde er ihn verwandeln. Doch dann nahm das Rennen einen für den Mercedes-Piloten unerwünschten Verlauf, die WM-Entscheidung gegen Sebastian Vettel wurde vertagt. Was lief schief?

Cookie-Einstellungen

Hätte man Sebastian Vettel vor dem Rennen angeboten, die WM-Entscheidung um mindestens eine Woche zu vertagen, er hätte wohl ohne zu zögern unterschrieben. Solange es rechnerisch möglich ist, glaube er an seine Chance. Das versicherte der Heppenheimer in der Vergangenheit fast schon gebetsmühlenartig. Und tatsächlich: Vettel kann auch nach dem Großen Preis der USA Weltmeister 2018 werden. Sein vierter Platz genügte, um den Titelkampf am Leben zu halten. Gute Nachrichten also?

Keineswegs. "Die Enttäuschung überwiegt", gab ein geknickter Vettel nach der Zieleinfahrt bei RTL Einblicke in sein Seelenleben und haderte mit dem Schicksal. Immer, wenn es zu Berührungen komme, würde er sich drehen. "Das ist bitter", fuhr er fort. Schon in Japan und Italien wurde ihm dieses Szenario zum Verhängnis.

Lewis Hamilton wird die Dreher seines Kontrahenten mit gesteigertem Interesse zur Kenntnis nehmen. Immerhin haben sie ihm ein angenehmes Punktepolster verschafft und lassen ihn, den fehlerfreien Fahrer, in einem noch besserem Licht als ohnehin schon dastehen. Im jüngsten Fall wirkte Vettels unfreiwillige Kreiselfahrt sogar für ein Gefühl der endgültigen Entscheidung - bei Fans, Experten und vielleicht auch ihm selbst.

Denn während sich Vettel erstmal mit Toro Rosso, Haas und Co. herumschlug, fuhr Hamilton um den Sieg, mit dem er sich zum fünften Mal in seiner Karriere die Krone hätte aufsetzen können. Zwischenzeitlich führte er mit fast 18 Sekunden Vorsprung vor Kimi Räikkönen und selbst ein zweiter Platz hätte lange Zeit gereicht, um einen Strich unter diese Weltmeisterschaft zu machen. Doch: Der Renngott warf ein paar neue Karten auf die Strecke und mischte neu. Ganz zu Hamiltons Leidwesen.

kimi-lewis
© xpb

Virtual Safety Car sorgt für Strategiewechsel

Eigentlich begann dabei die Pleite schon am Start. Auf den härteren Reifen als Räikkönen unterwegs, musste er den Finnen schon in der ersten Kurve ziehen lassen. Der Ferrari-Pilot spielte den Vorteil der Ultrasofts voll aus und verwaltete die Führung relativ mühelos - bis zur schicksalsträchtigen Runde elf.

Das Virtual Safety Car wurde aktiviert und die Strategen mussten entscheiden: Boxenstopp - ja oder nein? Während man sich bei Ferrari gegen einen frühen Reifenwechsel entschied, holte Mercedes seinen Piloten herein. Was zunächst wie ein Taktik-Clou aussah - immerhin sparte Hamilton durch den neutralisierten Rennbetrieb zehn Sekunden -, entpuppte sich im Endeffekt als falsch. "Wäre Hamilton nicht in die Box gefahren, hätte er das Rennen gewonnen", meint ORF-Experte Christian Klien.

Zwar raste Hamilton mit frischen Softs in Windeseile wieder direkt hinter Räikkönen, doch fehlte dem Engländer dann der Mut zur Lücke. Statt den deutlich langsameren Iceman zu attackieren, drückte Hamilton ihn eher passiv vor sich her. Bloß kein Risiko, bloß keine Kollision. Die Zeit, die er hier verlor, fehlte ihm am Ende.

Mercedes hadert mit Reifen - Ferrari plötzlich wieder da

Dann kam der X Faktor ins Spiel: die Reifen. Weil die Freien Trainings am Freitag ins Wasser fielen, ging wertvolle Übungszeit verloren. Die Teams starteten das Rennen mit einigen Fragezeichen. "Ohne Training kann man nicht am Setup arbeiten und das Optimum aus dem Auto herausholen", wusste auch Hamilton: "Alle saßen im gleichen Boot, aber ich glaube, dass Ferrari uns mit den Änderungen nähergekommen ist."

Während die Scuderia ihre Autos auf den Stand von vor einigen Monaten zurückbaute und sich damit in Sachen Pace (für viele überraschend) zurückmeldete, haderte man bei den Silbernen mit dem Abbau der Reifen. Die Hoffnung auf eine Ein-Stopp-Strategie zerbröselte im selben Tempo wie Hamiltons Hinterreifen. Gewaltige Blasen zerfraßen die Gummis nach einigen Runden.

Dennoch zögerte Mercedes den notwendigen Zweitstopp lange hinaus. Problem dadurch: Die Pneus gingen jetzt nicht nur gänzlich in die Knie, Hamilton rutschte auch in den Überrundungsverkehr. Wieder verlor er wertvolle Sekunden.

Den Widrigkeiten zum Trotz drehte der 33-Jährige nach seinem letzten Stopp erneut auf. Sechs Runden vor Schluss hatte er Räikkönen und Max Verstappen - in diesem Rennen Überraschungsgast auf dem zweiten Platz - eingeholt. "Es sah eine Weile ganz gut aus", resümierte Motorsportchef Toto Wolff den Endspurt: "Aber wir wussten, dass wir in den Schlussrunden andere Autos überholen mussten - und das ist nicht aufgegangen."

Lewis Hamilton: Verloren und trotzdem gewonnen

Räikkönen hielt seine Reifen irgendwie am Leben und profitierte von der Höchstgeschwindigkeit seines Ferraris. Verstappen dahinter, mit dem Mercedes vom 18. Startplatz aus kommend wohl nicht gerechnet hätte, bekam im weniger leistungsstarken Red Bull Windschatten und DRS geschenkt. Hamilton war praktisch chancenlos.

Nur einmal bot sich die Gelegenheit: In der vorletzten Runde verbremste sich Verstappen am Ende der langen Gegengeraden und verfing sich so in ein über mehrere Kurven andauerndes Duell mit Hamilton. Doch der viermalige Weltmeister ging auch hier nicht aufs Ganze und hielt bei seiner Attacke reichlich Abstand zum rigorosen "Mad Max". Statt sein Manöver erfolgreich zu Ende zu fahren, glitt Hamilton im schnellen Rechtsbogen des dritten Sektors erst auf die schmutzige Spur und schließlich in die Auslaufzone.

"Mehr als Platz drei war am Ende nicht drin", fasste Hamilton sein Rennen zusammen. Und Wolff ergänzte: "Unser Auto war einfach nicht schnell genug." Das zeigte auch Valtteri Bottas, der die Pace der Konkurrenz nicht mitgehen konnte und selbst gegen Vettel, der sich nach seinem Dreher zurückkämpfte, den Kürzeren zog.

So achterbahnartig der Grand Prix aus Hamiltons Sicht auch verlief, er wird die Niederlage gegen Räikkönen und Verstappen verschmerzen können. Schließlich hat er seinen Vorsprung auf Vettel um drei weitere Zähler auf insgesamt 70 ausgebaut und in Mexiko die nächste Chance, den Titel perfekt zu machen. Dann reicht ihm bei einem Vettel-Sieg schon ein siebter Platz - und Vettels Glaube an die Wende wäre endgültig zunichte gemacht.

Formel 1: WM-Stand nach dem US-GP

PlatzFahrerTeamPunkte
1Lewis HamiltonMercedes346
2Sebastian VettelFerrari276
3Kimi RäikkönenFerrari221
4Valtteri BottasMercedes217
5Max VerstappenRed Bull191
6Daniel RicciardoRed Bull146
Artikel und Videos zum Thema