Formel 1 - 5 Erkenntnisse aus dem Deutschland-GP: Vettel kann es noch - "Armageddon" geht auch bei Mercedes

Dominik Geißler
28. Juli 201922:50
Sebastian Vettel machte in der WM-Wertung 16 Punkte auf Lewis Hamilton gut.getty
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Der Große Preis von Deutschland hätte nicht verrückter laufen können: Max Verstappen ist mal wieder der Regengott, Sebastian Vettel hat endlich ein Erfolgserlebnis, auf das Nico Hülkenberg weiter warten muss. Und Lewis Hamilton und Mercedes? Sind sogar fehlbar. Fünf Erkenntnisse aus dem Regenrennen in Hockenheim.

Erkenntnis 1: Sebastian Vettel kann es doch noch

Nur wenige Minuten nach dem Rennen erinnerte im Fahrerlager nur noch wenig daran, welch Spektakel sich gerade auf dem Hockenheimring zugetragen hatte. Im Vergleich zu den Stunden vor dem Rennen war es zwischen den Garagen und Hospitalitys der Teams ruhig und wenig hektisch.

So auch im Ferrari-Lager, wo die Mechaniker konzentriert die Reifen zusammen räumten. Euphorie über eines der besten Rennen von Sebastian Vettel in den vergangenen Jahren? Zumindest in diesem Teil des Teams Fehlanzeige. Verständlich, denn die tatkräftigen Mannen in Rot mussten das Gepäck möglichst schnell nach Ungarn verfrachten. Dort steht schon am kommenden Sonntag der nächste GP an.

Ausgelassener war da schon die Stimmung auf der anderen Seite der Garage. Vettel stieg jubelnd aus seinem Boliden aus, streckte die Arme in die Höhe, klatschte sich mit seinen Kollegen ab und spritzte mit Champagner auf dem Podium. Und all das mit vollem Recht, immerhin war er soeben vom letzten auf den zweiten Platz gefahren - etwas Vergleichbares war ihm zuletzt 2012 gelungen, als er noch als Red-Bull-Pilot in Abu Dhabi vom 24. auf den dritten Rang fuhr.

Podestchancen rechnete er sich in Hockenheim erst vor der letzten Safety-Car-Phase aus. Er hatte die nötige Pace und überholte auf den letzten Runden Gegner um Gegner. "Ich musste es gut timen. Manche waren in den ersten Kurven vorsichtig. Da habe ich alles herausgeholt", erklärte der erfahrene Vettel sein Erfolgsrezept.

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Für die Weltmeisterschaftswertung bringt ihm das gute Ergebnis bei immer noch 82 Punkten Rückstand auf Lewis Hamilton wenig, doch für sein Selbstvertrauen dürfte es Gold wert sein. Schließlich steht der Heppenheimer seit Monaten in der Kritik: Ist er noch gut genug für Ferrari? Für die Formel 1? Viel musste Vettel einstecken.

Tatsächlich fand er in dieser Saison nicht zu seiner Form. Teamkollege Charles Leclerc machte ihm das Leben schwer, technisches Pech paarte sich mit Fahrfehlern. Zuletzt patzte er im Zweikampf mit Max Verstappen beim Großbritannien-GP gewaltig. Viel sprach gegen Vettel.

Die Gerüchte, er wolle am Ende des Jahres seinen Helm an den Nagel hängen, beendete er am Donnerstag, als er bei RTL klarstellte, auch 2020 für Ferrari an den Start zu gehen. Eine offenbar gute Idee, denn mit dem Gala-Auftritt in Hockenheim bewies Vettel: Er kann es doch noch.

Erkenntnis 2: Lewis Hamilton und Mercedes sind nicht perfekt

Als Elfter überquerte Hamilton die Ziellinie. Damit verpasste der amtierende Weltmeister eigentlich zum ersten Mal seit dem Großen Preis von Österreich im Juli letzten Jahres die Punkte. Das allein zeigt schon, dass einiges schief lief. Nur, weil Alfa Romeo eine Strafe bekam, rutschte er noch auf P9.

Vom "schlechtesten Tag seit langer, langer Zeit" sprach Hamilton anschließend und zeigte sich ratlos: "Ich weiß nicht mal, was los war, um ehrlich zu sein. Ich bin aber froh, dass es vorüber ist." Kein Wunder, zwei Mal nämlich touchierte der Brite die Bande - einmal nach einem Ausritt in Kurve 16, einmal nach einem Dreher in Kurve eins.

Die Bedingungen waren natürlich schwierig, doch Fahrfehler dieser Sorte haben bei Hamilton Seltenheitscharakter. Wenn man ehrlich ist, gibt es sie eigentlich gar nicht. Dachte man zumindest bis heute. Normalerweise fährt der 34-Jährige nämlich wie ein Uhrwerk. Wo andere patzen, dreht er konzentriert seine Runden. Im Grunde genommen also genauso zuverlässig wie Mercedes arbeitet.

Eigentlich, denn auch das vermeintlich unfehlbare Weltmeister-Team erwischte beim 200. Rennen in der Formel 1 nicht den besten Tag.

Lewis Hamilton und Charles Leclerc erwischten nicht den besten Tag.getty

Oder um es mit Motorsportchef Toto Wolff zu sagen: "Für uns war es natürlich katastrophal, ein Armageddon-Wochenende. Am Anfang haben wir es richtig gut kontrolliert, aber dann sind Fehlentscheidungen zu Unfällen dazugekommen. Und so kann man kein Rennen gewinnen."

Dass sich Mercedes bei einem der sechs Hamilton-Stopps zur Lachnummer machte, als dieser gefühlte Ewigkeiten auf neue Reifen warten musste, erklärte Wolff dem ORF damit, dass der Reifenwechsel spontan "und dann auch noch der falsche Call" kam. Das sei seit Jahren nicht passiert, wunderte sich der Österreicher, der wie das gesamte Team an diesem Wochenende im 50er-Jahre-Look gekleidet war: "Das hat uns einigermaßen blöd aussehen lassen."

Erkenntnis 3: Max Verstappen on fire

Dass Max Verstappen als kommender Weltmeister gilt, wissen wir schon lange. Doch in dieser Saison hat er nochmal eine Schippe drauf gelegt und fährt so gut wie nie. Er wirkt reifer, macht weniger Fehler und hat bei all dem in Sachen Pace keine Abstriche gemacht.

Während früher von "Mad Max" die Rede war, sollte sein Nickname künftig "Max Max" lauten - Max wie maximale Leistung. Dass der 21-Jährige Pierre Gasly in die Tasche steckt? Geschenkt. Aber er bringt Ferrari regelmäßig zur Verzweiflung und Mercedes hin und wieder in Bredouille. In Österreich schaffte er das mit einem famosen Sieg und in Deutschland gelang es ihm erneut.

Zwar verkorkste Verstappen wie Gasly den Start und erlaubte sich einen Dreher im letzten Sektor sowie ein paar riskante Rutscher, doch am Ende hielt er seinen Red Bull immer auf der Strecke. Der Konkurrenz raste er bei freier Fahrt davon, nur dem Safety Car war es gewehrt, den Niederländer immer wieder einzubremsen. Ganz zur Freude übrigens der tausenden mitgereisten Oranje-Fans, die Runde für Runde ihre Unterstützung lautstark kundtaten.

Bedanken durfte sich Verstappen nach seiner Triumphfahrt nicht nur bei seinen Genen, sondern auch bei seinem Team. Das hatte am Kommandostand fast zu jeder Zeit die richtige Entscheidung getroffen.

Für Verstappen kann man nur hoffen, dass Red Bull im kommenden Jahr ein besseres Auto baut. Dann nämlich wäre er ein ernsthafter Titelkandidat. Bis dahin muss er sich mit vereinzelten Höhepunkten wie diesem zufrieden geben.

Erkenntnis 4: Podest? Bei Nico Hülkenberg soll es wohl nicht sein ...

Vorab: Niemand weiß, wie das Rennen ausgegangen wäre, hätte Nico Hülkenberg seinen Renault nicht in die Bande geworfen. Doch wenn man sieht, dass Daniil Kvyat im Toro Rosso auf dem Podest steht und Lance Stroll im Racing Point ebendieses nur knapp verpasst hat, stellt sich schon die Frage: Hätte dort nicht auch Hülkenberg stehen können?

Mit ein bisschen Glück auf jeden Fall. Der Emmericher erwischte einen Traumstart, der ihn gleich auf Platz fünf vorbrachte. Danach profitierte er von den Mischverhältnissen, die ihm so entgegenkommen wie vielleicht keinem anderen Fahrer im Feld. Nach und nach schob er sich nach vorne, war immer zur richtigen Zeit an der Box und fuhr irgendwann auf Platz zwei.

Dann die fatale 40. Runde, die Hülkenbergs Traum vom Podest zunichte machte: Er verlor in der letzten Kurve das Heck, "dann wollte ich die Lenkung ein wenig aufmachen und die Straße, den Dragster Strip, nutzen. Ich wusste nicht, dass das da Eis ist". Hülk rutschte immer weiter und weiter, bis die Bande seine Fahrt beendete.

So böse es klingt, es ist wie immer: Sobald der Blondschopf eine Chance aufs Podium hat, vereitelt der Defektteufel oder aber er selbst den so lange ersehnten Erfolg.

Ob Unvermögen oder Pech, Hülkenberg wartet also auch nach 166 GP-Starts weiterhin auf eine Champagnerdusche in der Formel 1. Den unrühmlichen Rekord hat er damit schon lange in der Tasche. Fraglich, ob er dem nimmer müden Zähler noch vor seinem Karriereende ein Ende setzt. In ein Topteam wird Hülkenberg aller Voraussicht nach schließlich nicht mehr wechseln.

Erkenntnis 5: Die Formel 1 liebt Regen

Wenn man ehrlich ist, freut sich jeder Formel-1-Fan über Regen. Dann werden die Rennen durcheinander gewirbelt (78 Boxenstopps zählten die Statistiker am Sonntag allein), das Endresultat liest sich anders als üblich und man bekommt Geschichten geschrieben, die es bei Trockenheit wahrscheinlich nie gegeben hätte. Deswegen war es von den Regelmachern auch eine gute Entscheidung, den stehenden nach einem Safety-Car-Start einzuführen. Diese Anpassung nutzte man in Hockenheim zum ersten Mal.

Doch nicht nur der Start brachte einige Verschiebungen im Feld. Auch die Geschehnisse danach sorgten für Furore. Wer gewinnen würde? Wer aufs Podest fährt? Wer als nächstes in der Mauer steckt? 64 Runden lang ungewiss. Es passierte so viel, dass man gar nicht alle Geschehnisse aufzählen kann und die Highlight-Clips eigentlich fast zwei Stunden und damit so lange wie das Rennen dauern müssten.

Klar ist: Wenn ein Kvyat auf dem Podest steht, zwischenzeitlich Stroll, Kevin Magnussen und Co. ganz vorne mitmischen und das Tohuwabohu generell so groß ist, dann sagt auch der Gelegenheitszuschauer: Die Formel 1, die ist gut! Und etwas Besseres kann der Königsklasse eigentlich nicht passieren.

Formel 1: Rennergebnis beim Deutschland-GP

PlatzFahrerTeamRenndauer
1Max VerstappenRed Bull1:44:31.275
2Sebastian VettelFerrari+0:07.333
3Daniil KwjatToro Rosso+0:08.305
4Lance StrollRacing Point+0:08.966
5Carlos SainzMcLaren+0:09.583
6Alexander AlbonToro Rosso+0:10.052
7Kimi RäikkönenAlfa Romeo+0:12.214
8Antonio GiovinazziAlfa Romeo+0:13.849
9Romain GrosjeanHaas F1+0:16.838
10Kevin MagnussenHaas F1+0:18.765
11Lewis HamiltonMercedes+0:19.667
12Robert KubicaWilliams+0:24.987
13George RussellWilliams+0:26.404