Das Gefühl, ein "Sohn von" zu sein, kennt Carlos Sainz gut. Der Spanier wählte diesen Weg aber bewusst. Sein Vater Carlos senior stieg einst zur Rallye-Legende auf, die Leidenschaft für das Benzin im Blut erbte sein Filius. Auch Carlos junior ging in den Motorsport, tauschte aber die losen Schotterpisten gegen Asphalt und Rundstrecke. Vergleiche kamen auf, Kritik blieb nicht aus. Oftmals blieb Sainz nur ein Schattendasein. Mit dem am Donnerstag verkündeten Wechsel zu Ferrari emanzipiert sich Sainz endgültig - doch der Druck wird nicht weniger.
"Für mich ist er die große Referenz", sagte Sainz einmal über seinen berühmten Vater. Dass im kommenden Jahr nun der Wechsel zu einem absoluten Topteam erfolgt und er die Fußstapfen des viermaligen Weltmeisters Sebastian Vettel füllen soll, hatte sich aber lange nicht angedeutet. Zu unauffällig präsentierte sich der 25-Jährige bislang in seiner Karriere.
Das Talent war schon früh erkennbar. Bereits als 15-Jähriger kam Sainz in das Nachwuchsprogramm von Red Bull, in zahlreichen Juniorenserien machte er auf sich aufmerksam. Die Belohnung folgte 2015, Red Bull gab Sainz eines der Formel-1-Cockpits im Nachwuchsteam Toro Rosso. Doch obwohl nun der "Sohn von" in der Königsklasse angekommen war, richteten sich die Blicke vor allem auf seinen Teamkollegen: einen gewissen Max Verstappen.
Carlos Sainz: Im Schatten von Max Verstappen
Der junge Niederländer wurde als 17-Jähriger der jüngste Formel-1-Fahrer überhaupt, was den Weltverband FIA später zu einer Regeländerung veranlasste. Überhaupt ließ sich Verstappen viel besser verkaufen, Sainz wirkte daneben wie eine graue Maus. Schlecht für den Spanier: Auf der Strecke sah es nicht besser aus. Das teaminterne Duell 2015 entschied Verstappen klar mit 49:18 Punkten für sich.
Für seine Entwicklung sei das Duell mit dem inzwischen etablierten WM-Anwärter aber wichtig gewesen. "Es hat mich zu einem besseren Fahrer gemacht und zu dem Fahrer, der ich heute bin", sagte Sainz im vergangenen Sommer rückblickend.
Der Durchbruch als Red-Bull-Zögling sollte ihm aber nie wirklich gelingen, in einem Deal mit Renault wurde Sainz noch vor Saisonende 2017 zu den Franzosen geschickt. An der Seite von Nico Hülkenberg blieb Sainz zwar solide, aber teamintern weiter nur die Nummer zwei. Renault wollte mehr, nahm viel Geld in die Hand und holte ausgerechnet Red-Bull-Fahrer Daniel Ricciardo. Sainz saß plötzlich auf der Straße.
Carlos Sainz: Der designierte Kronprinz
Erst Fernando Alonsos Abgang bei McLaren ermöglichte seinem lange designierten Kronprinzen den Verbleib in der Formel 1. Sainz schloss sich dem traditionsreichen, aber seit Jahren kriselnden Team an - es wurde zu einer Erfolgsgeschichte. Auch, weil er sich teamintern gegen Supertalent Lando Norris erstmals profilieren konnte.
Fast doppelt so viele Punkte wie Norris (96:49) holte Sainz, als Sechster der WM-Wertung wurde er zum "best of the rest" hinter den Top-Teams. Die Krönung folgte beim Rennen in Brasilien, als er nach einer späten Strafe gegen Lewis Hamilton erstmals einen Podiumsplatz erreichte. Die Siegerehrung holte er mit seinem Team vor der Box nach.
Diese Entwicklung veranlasste Ferrari nun offenbar, Sainz das frei gewordene Vettel-Cockpit anzuvertrauen. Die Gefahr schwingt aber mit, dass Sainz im kommenden Jahr von Charles Leclerc die Grenzen aufgezeigt bekommt. Die kommenden Jahre entscheiden, ob Sainz in der Formel 1 eine große Nummer wird - oder doch nur der "Sohn von".