Während die Formel-1-Saison 2022 nach nur zwei absolvierten Rennen schon mehr Highlights hat als manch anderes Jahr nach 20 Grands Prix, ist man bei Mercedes trotz der mauen Ergebnisse optimistisch. Die Königsklasse des Motorsports sollte außerdem ihr Verhältnis zu autokratischen Regimen hinterfragen. Die Erkenntnisse zum Saudi-Arabien-GP.
Die Formel 1 2022 begeistert schon jetzt
Zwei Rennen ist die Formel-1-Saison 2022 gerade einmal alt - und schon jetzt gäbe es genügend Highlight-Material, um einen kompletten Jahresrückblick zu füllen. Denn nicht nur im Mittelfeld schenken sich die Teams keinen Meter Asphalt, auch an der Spitze dürfen Fans packende Rad-an-Rad-Kämpfe bestaunen.
Verantwortlich dafür sind die weitreichenden Regeländerungen, welche die F1-Bosse vor der Saison auf den Weg brachten. Durch das vereinfachte aerodynamische Konzept der Boliden fällt es den Piloten auch auf kurvenreichen Highspeed-Kursen wie dem Jeddah Corniche Circuit deutlich leichter, nah hintereinander zu fahren und zu attackieren.
Wo im vergangenen Jahr das hinterherfahrende Auto nach einem Überholmanöver aufgrund der "dirty air" nicht selten abreißen lassen musste, gab es in dieser Saison schon jetzt haufenweise Duelle, welche sich über mehrere Runden erstreckten. Besonders deutlich wird das an den Kämpfen zwischen Max Verstappen und Charles Leclerc.
Wie schon in Bahrain bekämpften sich beide auch in Saudi-Arabien hitzig um die Führung, dieses Mal aber mit dem besseren Ende für Verstappen. Das Duell war dabei fast ein Abziehbild von vor einer Woche: Leclerc lag in Führung und musste diese mehrfach gegen Verstappen verteidigen. Einige Male schien der Niederländer bereits am Monegassen vorbei zu sein und den Ferrari-Piloten endgültig hinter sich lassen zu können, Leclerc konterte aber jedes Manöver des Red Bulls sehenswert aus.
imago imagesMarko: "Hätte ich nach dem letzten Jahr nicht geglaubt"
"Es ist einfach cleveres, gutes Racing. Man muss es einfach hinnehmen und sich daran anpassen", meinte der Rennsieger nach der Zieleinfahrt. "Es hat viel Spaß gemacht. Es war nicht einfach, aber enorm spaßig." Sein Konkurrent schlug ähnliche Töne an. "Das Rennen hat richtig viel Spaß gemacht. Es war hartes Racing, aber fair. Und so sollte jedes Rennen sein", sagte Leclerc.
Neben den Fans scheint also auch den Fahrern das Racing mit den neuen Autos Spaß zu machen. Dass die Regeländerungen schon in einer so frühen Phase der Saison anschlagen würden, hatten selbst einige Experten nicht für möglich gehalten. Mit dem zweiten engen Kampf um den Sieg im zweiten Rennen dürften sich die F1-Bosse aber nun mehr als bestätigt fühlen, diesbezüglich alles richtig gemacht zu haben.
"Solche Rennen, also unglaublich, unglaublich", zeigte sich RB-Motorsport-Chef Helmut Marko bei Sky fast sprachlos. "Ich hätte nach dem letzten Jahr nicht geglaubt, dass es eine Steigerung gibt - und das haben wir jetzt."
F1: Mercedes ist weit weg von der Spitze - und doch happy
Wenn man Toto Wolff vor der Saison große Reden schwingen hört, dass seine Mercedes-Truppe dieses Jahr eher nicht zu den Favoriten gehören werde und man vor einer schweren Saison stehe, ist das meist mit einem vorsichtigen Augenzwinkern zu genießen. Schließlich mischen die Silberpfeile letztlich ja doch immer ganz vorne mit.
Doch dieses Jahr scheint der Österreicher tatsächlich Recht behalten zu haben. Nach einem äußerst glücklichen dritten und vierten Platz beim Auftakt in Bahrain wurde Mercedes in Saudi Arabien auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. George Russell wurde immerhin noch Fünfter, für Rekordweltmeister Lewis Hamilton reichte es nur zu einem zehnten Platz.
Etwa eine Sekunde pro Runde war der W13 im Rennen langsamer als seine Konkurrenz in Rot und Gelb-Blau. Mit Ferrari und Red Bull kann man derzeit nicht einmal annähernd mitgehen. Ein radikalerer Ansatz, wie ihn Hamilton im Qualifying versuchte, ging mit P16 komplett nach hinten los.
Große Probleme hat Mercedes nach wie vor beim sogenannten Porpoising, dem auf und ab Hüpfen des Autos. "Wenn wir den Motor aufdrehen und damit auf der Geraden schneller fahren, haben wir mehr Anpressdruck, was mehr Porpoising erzeugt", analysierte Russell. Den gleichen Effekt gibt es laut Russell mit dem DRS: "Wenn das DRS geschlossen ist haben wir auch mehr Anpressdruck und damit auch mehr Porpoising, als wenn das DRS geöffnet ist", erklärte er.
Russell: "Hat sich ehrlicherweise ziemlich gut angefühlt"
Dennoch zeigte sich der Engländer insgesamt optimistisch, die Schwierigkeiten bald in den Griff zu bekommen "Wenn wir das finden, werden wir eine Menge Rundenzeit gewinnen, daran habe ich keinen Zweifel. Es wird 99 Prozent unserer gesamten Probleme lösen."
Denn unterm Strich sei der W13 kein unbedingt schlechtes Auto. "Das Auto hat sich ehrlicherweise ziemlich gut angefühlt, weil ich denke, dass wir die Balance maximiert haben. Am Ende fehlt uns aber einfach noch der Anpressdruck", so Russell. Mit den bisher eingefahrenen Ergebnissen könne man also recht zufrieden sein.
Die Formel 1 braucht dringend einen Wertekodex
Egal ob Kampf gegen die Klimakrise, verschiedene Kampagnen gegen Rassismus und Antisemitismus oder die immer stärkere Integration von Frauen in Rennsport-Strukturen - die Formel 1 setzt sich seit einigen Jahren an vorderster Front für wichtige gesellschaftliche Themen wie Inklusion, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit ein.
Geht es jedoch um die Zusammenarbeit mit autokratischen Regimen, so steht die Königsklasse des Motorsports einer FIFA oder einem Internationalen Olympischen Komitee in nichts nach. Egal ob Russland (zumindest bis vor kurzem), Katar, Aserbaidschan oder eben Saudi-Arabien - sobald genügend Geld fließt, springt die ach so saubere Formel 1 gerne mal über ihren Schatten.
An diesem Wochenende in Dschidda wurde das besonders unterstrichen. Nach einem Bombenschlag am Freitag auf ein der Strecke nahegelegenes Erdöllagers von F1-Sponsor Aramco, berieten sich die Fahrer zunächst über einen Boykott des Rennens. Während der Krisensitzung, die ursprünglich als das gewöhnliche Freitagsbriefing begonnen hatte, äußerten viele Piloten große Sorge um die Sicherheit der Veranstaltung. Erst nach intensiven Gesprächen in der Nacht zum Samstag hatte man ausreichend Überzeugungsarbeit geleistet, Qualifying und Rennen wie geplant stattfinden zu lassen.
Dass sich die Formel 1 jedoch überhaupt in eine Lage manövriert hat, in der nicht über sportliche Dinge, sondern Bombenanschläge, Sicherheitsgarantien und Wochenend-Boykotts geredet werden muss, ist verheerend. Denn auch wenn letzten Endes Gott sei Dank nichts passiert ist und der GP ohne Zwischenfälle vonstattenging, so muss man sich ernsthaft die Frage stellen, ob man Fahrer, Teams und Fans noch einmal einer derartigen Gefahr aussetzen möchte.
Aston-Martin-Teamchef: "Nicht die Teams machen den Kalender"
Dass seit Jahren ein Krieg zwischen den Huthi-Rebellen und Saudi-Arabien tobt, ist gemeinhin bekannt. Zwar sind in der Regel die Energieversorgung oder militärische Infrastruktur das Ziel solcher Bombenangriffe, Schläge auf zivile Einrichtungen können aber keineswegs zu 100 Prozent ausgeschlossen werden. Dass Saudi-Arabien erst vor zwei Wochen an einem einzigen Tag 81 Hinrichtungen vollzog und zur Todesstrafe generell ein sehr entspanntes Verhältnis hat, tut ihr Übriges.
"Nicht die Teams machen den Kalender, das tun FIA und Formel 1. Wir geben aber natürlich gerne eine Einschätzung ab, wenn wir darum gebeten werden", sagte Aston-Martin-Teamchef Mike Krack. Wann wo gefahren wird, das sei also grundsätzlich nicht die Sache der Rennställe. Sein Ferrari-Kollege Mattia Binotto meinte, dass es nicht normal sei, "wenn sich sowas nahe an der Strecke ereignet."
Um solchen Dingen in Zukunft vorzubeugen, sollte sich die Formel 1 deshalb ernsthafte Gedanken um eine Art Wertekodex machen. Darin könnte festgehalten werden, welche Voraussetzungen ein Land bzw. Austragungsort erfüllen muss, um in den Kalender aufgenommen zu werden. Bei Angriffskriegen, wie ihn Saudi-Arabien beispielsweise gegen den Jemen führt, könnte das Rennen dann eben entzogen werden.
Dass das von Grund auf funktionieren kann, zeigte sich erst kürzlich, als man Russland nach dessen Invasion der Ukraine sanktionierte. Nach Anstoß von einigen F1-Größen wie Sebastian Vettel ging es dort dann recht schnell, den Grand Prix abzusagen und den Flirt der Formel 1 mit einem autokratischen Regime zu beenden.
Formel 1: Der WM-Stand (nach 2 von 23 Rennen)
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Charles Leclerc | Ferrari | 45 |
2 | Carlos Sainz | Ferrari | 33 |
3 | Max Verstappen | Red Bull | 25 |
4 | George Russell | Mercedes | 22 |
5 | Lewis Hamilton | Mercedes | 16 |
6 | Esteban Ocon | Alpine | 14 |
7 | Sergio Perez | Red Bull | 12 |
8 | Kevin Magnussen | Haas | 12 |
9 | Valtteri Bottas | Alfa Romeo | 8 |
10 | Lando Norris | McLaren | 6 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Ferrari | 78 |
2 | Mercedes | 38 |
3 | Red Bull | 37 |
4 | Alpine | 16 |
5 | Haas | 12 |
6 | Alfa Romeo | 9 |
7 | AlphaTauri | 8 |
8 | McLaren | 6 |
9 | Aston Martin | 0 |
10 | Williams | 0 |