Natürlich tut sich Lewis Hamilton die Tortur nochmal an. Mit Akupunktur und Physiotherapie hat der erfolgreichste Fahrer der Formel-1-Geschichte seinen maladen Rücken gepflegt und ist um den halben Erdball von Baku nach Montreal gereist - um sich beim Großen Preis von Kanada (Sonntag, 20.00 Uhr MESZ/Sky) erneut wissentlich enormen Schmerzen auszusetzen.
Mit 37 Jahren ist Hamilton zwar mittlerweile der zweitälteste Fahrer im Feld, aber immer noch einer der fittesten. Umso mehr rieb man sich in der Motorsportwelt die Augen, als Hamilton nach dem Großen Preis von Aserbaidschan wie ein Greis aus seinem Mercedes kletterte.
Die Formel 1 ist 2022 körperlich so anspruchsvoll wie womöglich noch nie. Die Rennwagen hüpfen wild auf den Geraden, die Physiotherapeuten machen Überstunden. Immer mehr Piloten sehen den Automobil-Weltverband FIA in der Pflicht, das sogenannte Bouncing abzustellen. "Wir müssen eine Lösung finden", forderte der viermalige Champion Sebastian Vettel: "Aus Sicht der FIA glaube ich, dass man da einschreiten muss. Irgendwann knallt es richtig."
AlphaTauri-Pilot Pierre Gasly warf ein, die Regelhüter sollten die Piloten "nicht in diese Ecke drängen, in der wir eine Entscheidung zwischen unserer Gesundheit und der Leistung treffen müssen." Man habe die FIA "darauf aufmerksam gemacht", führte der 26-Jährige aus, und versuche "eine Lösung zu finden, die uns davor bewahrt, dass wir mit 30 am Krückstock enden".
Formel 1: Teams wählen zwischen Schnelligkeit und Komfort
Dank der Kameras, die seit Saisonbeginn direkt neben den Köpfen der Fahrer angebracht sind, erhalten die Formel-1-Fans einen Einblick, wie es sich in diesem Jahr so fährt bei Tempo 350. Hamiltons Teamkollege George Russell gab an, er habe in der Vorwoche in Baku "nicht einmal meine eigene Boxentafel" sehen können. Für den Briten, der in der Fahrervereinigung GPDA neben Vettel als Direktor das Wort führt und Sicherheitsaspekte vorbringt, wäre das Problem mit einem "Fingerschnippen" zu beheben.
Die FIA könnte etwa eine Mindestbodenhöhe vorschreiben, oder aber Löcher in die Unterböden bohren lassen. Dadurch würde der Strömungsabriss, der zum Schaukeln der steifen Rennwagen führt, unterbunden. Derzeit müssen die Teams entscheiden zwischen Rundenzeit und Komfort für die Fahrer. Im Milliardenbusiness Formel 1, in dem nichts als das Ergebnis zählt, ist die Wahl selbsterklärend.
Doch natürlich gibt es eine Opposition zur großen Mehrheit: Red Bull, das in den letzten fünf Rennen den Sieger stellte, sieht jeden einzelnen Rennstall in der Pflicht, das Aufsetzen in den Griff zu bekommen. "Es wäre unfair, die zu bestrafen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben", argumentierte Red-Bull-Teamchef Christian Horner - und unterstellte den sich vor Schmerzen krümmenden Fahrern kalkulierte Theatralik. Als ihr Teamchef würde er "ihnen auch sagen, dass sie so viel wie möglich jammern und ein so großes Problem daraus machen sollen, wie sie nur können."